Kirche

Kardinal Marx: „Missbrauch stellt das Gesamtsystem in Frage“

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Veranstaltung der Erzdiözese setzt sich künstlerisch und in Diskussion mit Thema Missbrauch auseinander   –   Für Kardinal Reinhard Marx ist „in den vergangenen Jahren noch deutlicher geworden“, dass sexueller Missbrauch im Raum der Kirche „das Gesamtsystem in Frage stellt“. Er wolle sich „als Bischof nicht aus der Verantwortung ziehen“, dennoch müsse sich „die Kirche als ganze dem Thema stellen“ und nach den systemischen Ursachen fragen, erklärte der Erzbischof von München und Freising bei einem Gespräch mit Betroffenen im Rahmen der Veranstaltung „Betroffene hören“, zu der die Erzdiözese für Montagabend, 21. März, ins Münchner Künstlerhaus eingeladen hatte. Dabei stand die künstlerische und sachliche Auseinandersetzung mit sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche im Zentrum, insbesondere auch die zerstörerische Wirkung von Missbrauch auf den Glauben der Betroffenen und ihren Bezug zur Kirche als Glaubensgemeinschaft.

Kardinal Marx regte an, „weitere Formate zu finden, bei denen Betroffenen wirklich zugehört wird, auch bei den unangenehmen Themen“ und dankte dem Betroffenenbeirat der Erzdiözese „für die Möglichkeit, dass wir das zu einem weiteren Weg machen“. 2010 sei für ihn ein Einschnitt gewesen und habe seinen „Glauben in Frage gestellt, bis heute“, bekräftigte Marx und bekannte zugleich: „Natürlich frage ich mich zu Recht: Haben wir überall zugehört? Nein. Wollten wir alles wissen? Nein.“ Es sei viel zu lange vernachlässigt worden, „Betroffenen wirklich zuzuhören und das auch stehen zu lassen“. Erst die Beschreibung der Taten „zeigt die Brutalität auf. Ich bin dann immer wieder aufs Neue sprachlos.“ Zugleich habe man lange Zeit nicht ausreichend im Blick gehabt, „dass es mehr Bedarf gibt an Seelsorge, an Gesprächen“.

In seiner Begrüßung räumte auch Generalvikar Christoph Klingan ein: „Die Kirche hat die Betroffenen von sexuellem Missbrauch in der Vergangenheit viel zu wenig im Blick gehabt. Das ist und bleibt ein großes Versagen, da gibt es nichts zu beschönigen.“ Umso wichtiger sei es, „jetzt mehr mit den Betroffenen in Kontakt zu kommen, ihre Perspektive in den Mittelpunkt zu stellen und dann eben auch, wie es der Titel dieser Veranstaltung ins Wort bringt, auf sie zu ,hören‘.“ Klingan dankte den Betroffenen, dass sie sich bereit erklärten, im Rahmen der Veranstaltung öffentlich auch über ihre Glaubensbiographie zu sprechen: „Sehr viel, manchmal vielleicht sogar alles, ist da oft zerstört worden an Vertrauen, an religiöser Heimat, Beheimatung in der Kirche, an Beziehungen, an Gemeinschaftserfahrung, an ,Glaube‘. Mich hat es sehr bewegt, entsprechende Schilderungen im persönlichen Gespräch zu hören.“ Der Generalvikar wies nochmals auf die im Januar von der Erzdiözese neu eingerichtete Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene von sexuellem Missbrauch hin. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Stelle standen Betroffenen auch im Rahmen der Veranstaltung für Gespräche im geschützten Rahmen zur Verfügung.

Im Anschluss an die Begrüßung durch Generalvikar Klingan trug Stefan R.M. Fennrich einen Text vor, der die eigene Betroffenheit, Klage und Anklage, Schmerz und Hoffnung zum Ausdruck brachte, begleitet von der Pianistin Elena Fennrich. Den zweiten Teil des Abends bildete ein von Richard Kick, Unternehmer und Mitglied des Betroffenenbeirats der Erzdiözese München und Freising, moderiertes Podiumsgespräch zum Thema „Verlust der Glaubensgemeinschaft“ mit Kai Christian Moritz, Schauspieler und Sänger sowie Mitglied des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz, Thomas Semel, katholischer Priester und Mitglied des Betroffenenbeirats sowie der Aufarbeitungskommission der Erzdiözese, Barbara Haslbeck, katholische Theologin und Mitglied des Trägerteams der „Initiative Gottessuche“, die Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, unter anderem seelsorgliche Begleitung anbietet, und Erzbischof Kardinal Reinhard Marx. (ck)

Hinweis:vBei der Anlauf- und Beratungsstelle der Erzdiözese für Betroffene sexuellen Missbrauchs sind langjährig erfahrene Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen aus den Beratungsdiensten der Erzdiözese, die zum Teil auch im Beraterstab der Erzdiözese für Fragen des Umgangs mit sexuellem Missbrauch tätig sind, zu folgenden Zeiten unter Telefon 089/2137-77000 zu erreichen: montags sowie mittwochs bis freitags von 9 bis 14 Uhr, dienstags von 14 bis 19 Uhr.

Bericht: Erzbischöfliches Ordinariat

Foto: Hötzelsperger -Kirchenfenster im Allgäu

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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