Tourismus

Mit Hans Fritz vom Chiemsee in die USA – Bericht 9-1

Veröffentlicht von Claus Linke

Ganz Havanna ist ein Museum .◊.

Es kam aber wieder mal alles anders. Als ich am 3. Mai den aus Deutschland gebuchten Flug von Mexiko nach Havanna antreten wollte, konnte ich, wie schon im letzten Bericht erwähnt, nicht fliegen. Ich hätte fliegen dürfen, aber nur ohne Koffer, weil der angeblich nicht gebucht war. Deshalb hatten sie nicht erlaubt ihn mitzunehmen. Meinen Koffer aufzugeben war, trotz Drohungen und Geldangebote, nicht möglich und somit musste ich mein Ticket verfallen lassen. Aber für 600.- Dollar in bar stellten sie mir für denselben Flug am nächsten Tag, ein Ticket mit Koffer aus. Gegen diese Art von Korruption, ist man leider machtlos…
Da ich aber dann einen Tag später mit einem für 600.- $ gekauften neuen Ticket – diesmal mit Koffer, fliegen konnte, erlebte ich zwei Tage hintereinander, dass viele Passagiere, mit noch viel mehr Koffern und großen Taschen, die alle mit Cellophan umwickelt waren, eincheckten. Sonderbar kam mir vor, dass bei der mexikanischen Fluggesellschaft VivaAirobus entgegen den internationalen Bestimmungen von 23 kg maximalem Koffergewicht und 8 kg maximalem Handgepäck, auf dieser Flugroute 30 + 15 kg pro Person erlaubt waren. Gegen Aufpreis können sogar bis zu 120 kg mitgenommen werden.
Ebenso sonderbar war für mich, dass Fluggäste des A 320 fast ausschließlich Kubaner waren. Warum die alle nach Mexiko fliegen war mir vorerst ein Rätsel. Als ich dann am nächsten Tag in Havanna mindestens eine Stunde am Kofferband wartete, löste sich das Rätsel. Die Linie fliegt täglich hin und her und ist eine Art Mischung von Transportflügen – mit Passagieren zur Tarnung, um Waren zu beschaffen die es in Kuba nicht gibt (Kleidung, Kosmetik, Elektroartikel usw.) Die Zollkontrollen ließen alle Kubaner durch den Ausgang für nicht anmeldbares Gepäck durch. Ich musste dagegen meinen Koffer durchleuchten lassen.

Ganz Havanna ist ein Museum, das man schlecht beschreiben kann. Man muss es einfach gesehen haben. Neben schön restaurierten Palästen, schön wie das Schloss Herrenchiemsee, stehen unmittelbar daneben Ruinen von ehemaligen Palästen. In den noch bewohnbaren Palästen leben heute Menschen unter oft abgebrochenen Stuckarbeiten und stehen auf Balkonen ohne Geländer, auf denen sie, zur Fleischerzeugung auch mal Tauben züchten.
So unendlich reich wie Havanna und sicher auch das ganze Land früher einmal war, so unendlich arm ist es heute. Las Vegas wurde erst groß, als Havanna für die Amerikaner als Vergnügungsoase ausfiel. Vorher war es die Spiel- und Vergnügungsstadt. Das amerikanische Geld hat zusammen mit den Zuckerbaronen den Reichtum beschert. Aber offensichtlich haben sie es mit Luxus und Ausbeutung dann doch zu toll getrieben, sonst hätte Fiedel nicht die Bevölkerung so hinter sich gehabt.
Legendär sind die alten amerikanischen Straßenkreuzer, die nicht nur das Bild Havannas prägen, sondern auch im ganzen Land zu sehen sind (und im Kofferraum die halbe Werkstatt mitschleppen, um sie bei Bedarf auf der Straße reparieren zu können). Viele werden als Taxis für Touristen eingesetzt, die wegen Corona jetzt leider für 2 Jahre fast ausgeblieben war. Eine Katastrophe für alle Taxifahrer, kleinen Händler, Rikschafahrer und Nutten.
Die schweren Achtzylinder-Motoren und Getriebe der über 60 Jahre alten Autos sind längst gegen Toyota oder Hyundai Vierzylinder-Motoren samt Getriebe ausgetauscht, erzählt mir ein Taxifahrer. Als Fidel Castro das Land eroberte, gab es offensichtlich keine Möglichkeit, die Straßenkreuzer noch außer Landes zu bringen und so blieben sie eben da.
In Kuba laufen Autos von drei verschiedenen politischen Zeitabschnitten. Die Ami-Autos sind mindestens 63 Jahre alt oder noch wesentlich älter, denn 1959 gewann Fidel Castro den Krieg. Dann kamen 30 Jahre lang die Ladas und Moskwitsch aus Russland und ab 1990 asiatische Autos, meist Chinesische, sowie Kias und Toyotas. Bereits vor 12 Jahren mietete ich ein chinesisches Auto. Die Busse kommen übrigens auch aus China.
Stau habe ich keinen erlebt, denn das Verkehrsaufkommen beträgt nach meiner Schätzung nur etwa 10 % einer vergleichbaren Stadt von zwei Millionen Einwohnern. In Havanna sind auch viele Fahrrad-Rikschas unterwegs, die einen gerne für 2.- bis 3.- Euro kutschieren. Für 15 Minuten ein enormes Geld, wofür einer sonst einen ganzen Tag arbeiten muss.
Als am 6. Mai das Hotel Saratoga explodierte, war ich gerade in einem Handygeschäft, weil man in Kuba im Gegensatz zu USA, Kanada und Mexiko, extra eine Telefonkarte kaufen muss – und das dauerte ein paar Stunden. Durch die Hitze in dem Land und dem fehlenden Leistungsansporn einer freien Marktwirtschaft, verhalten sich die Menschen völlig anders als bei uns. Dadurch entwickelte sich diese für uns nur schwer verständliche Mentalität des reinen Diensts nach Vorschrift und des nicht selbstständigen Denkens, beziehungsweise, Denken dürfens, was ich in anderen ehemaligen Ostblockländern ähnlich erlebte.
Leider gibt es seit Freitag den 6. Mai durch die Explosion wieder einen dieser restaurierten Paläste weniger. Vor 13 Jahren war ich noch auf der Dachterrasse dieses Palasthotels und hatte ihn auch fotografiert. Obwohl ich zum Zeitpunkt der Explosion nur 300 m entfernt war, bekam ich von der Explosion des Fünfsterne Hotels Saratoga nichts mit. Ich sah noch eine Staubwolke und eine leichtverletzte junge Frau. 18 Tote wurden gemeldet. Viele Leute liefen aufgeregt herum. Das Gebiet war weiträumig abgesperrt. 6 Tage später war die Zahl der Toten auf 42 gestiegen.
Das Militärmuseum ist ganz wichtig in Kuba und Tag und Nacht von Soldaten bewacht. Im Nationalmuseum hängen eine Menge Bilder alter französischer, holländischer, italienischer und deutscher Meister, sowie griechische und römische Statuen. Auch Bilder von Lucas Cranach. Die Kunstschätze konnten scheinbar, ebenso wie die Autos, auch nicht mehr mitgenommen werden. Neue Kunst fehlt natürlich – dafür war vermutlich das Geld nicht mehr da. Außer ein Raum mit Bildern von dem Deutschen Pop Art Maler Sigmar Polke *1941 †2010, den das Goetheinstitut sponserte. Ich kannte ihn vorher nicht.

Text und Fotos: Hans Fritz – www.hans-fritz.de

 

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Redaktion

Claus Linke

1939 in Bautzen/Sachsen geboren, Maschinenschlosser-Lehre in Bautzen, 1956 Flucht aus familiären Gründen aus der DDR über Berlin nach München, Maschinenbau-Studium in München, 1969 Erwerb eines Grundstückes in Atzing und beginn mit dem Bau eines Hauses für meine Eltern und den drei Kindern, 1981 Ernennung zum Siemens-Oberingenieur, nach 36 Jahren Beschäftigung bei Siemens in den Ruhestand, 1995 Verlegung des Hauptwohnsitzes nach Prien.

Ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der Chiemseeagenda seit deren Gründung im Jahr 2002 - angesiedelt beim Abwasser- und Umweltverband Chiemsee. Das Aufgabenspektrum (mehr oder weniger involviert) umfasst die Webmeisteraktivitäten für die diversen Agendaseiten; Mitarbeit bei nahezu allen Agendathemen (wie z.B. Chiemseeringlinie, Bürgerbus Chiemsee, Vogelführungen, Chiemsee Rundweg und Chiemsee Radweg); Konzeption und Erstellung der Broschürenreihe "Natur.Erlebnis.Chiemsee"; Betreuung des online-Fotoalbums der Chiemseeagenda. Verleihung der bayerischen Ehrenamstmedaille "Für besondere Verdienste um die bayerische Gastlichkeit" im Jahr 2017.

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