Leitartikel

Erinnerungstafel für Königstöchter in Hintergschwendt

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„Mit dieser Erinnerungstafel wollen wir an den Aufenthalt der bayerischen Königstöchter nach der Revolution 1918 im Gemeindebereich von Aschau erinnern“, so Bürgermeister Simon Frank bei der Enthüllung der Gedenktafel. Gemeinsam mit der Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins Dr. Natascha Mehler und der Historikerin Martina Stoib entfernte er in Anwesenheit zahlreicher Mitglieder des HGV die Hülle um die neu gestaltete Gedenktafel an die Ereignisse im November 1918.

Martina Stoib und Christoph Thoma führten Frasdorf ihre interessierten und geschichtsbewußten Zuhörer nach der Präsentation der Schautafel bei einem leichten Abendrundgang durch Vorder- und Hintergschwendt auf der Spur der bayerischen Hoheiten an die Originalschauplätze der damaligen Ereignisse. Zuletzt trafen sich alle zu einer Lesung mit Christoph Thoma in den Gschwendtner Stuben; der Autor trug mit Auszügen aus seinem Buch „Fernweh – Heimweh“ ein paar Aspekte zum Thema bei. Der Mantel der bayerischen Geschichte streifte nur ein einziges Mal über den abgelegenen Weiler Hintergschwendt bei Aschau hinweg. Drei bayerische Königstöchter, die Prinzessinnen Hildegard (damals 37 Jahre), Wiltrud (34 Jahre) und Gundelinde (27 Jahre) suchten und fanden ein paar Tage nach dem Ende der bayerischen Monarchie Anfang November 1918 einen sicheren Aufenthalt im südlichen Zipfel des Königreiches. Während über König Ludwig II. und seine Schlösserbauten ganze Bibliotheken mit Lebensbeschreibungen gefüllt wurden, gibt es zum Leben und zur Regierungszeit des letzten bayerischen Königs Ludwig III. recht wenig Material. Lediglich das Ende der Monarchie, die Flucht aus München und der Aufenthalt der Prinzessinnen in Gschwendt und Laiming sind im Gedächtnis der Chiemgauer Bevölkerung rund um Wildenwart und Aschau fest verankert.

Martina Stoib machte mit Zitaten aus dem persönlichen Tagebuch der Prinzessin Wiltrud und den Erinnerungen der Gschwendtner Bauern die einzelnen Stationen der Flucht der drei jungen Frauen nach über 100 Jahren für die Zuhörer an den Originalschauplätzen wieder lebendig. Diese Ereignisse sind im Raum Wildenwart –Frasdorf – Aschau noch heute präsent und nicht nur bei den örtlichen Heimat- und Geschichtsvereinen bekannt. Es wird ja gerne erzählt, ein Arbeiter habe am Nachmittag des 7. November 1918 dem ahnungslos im Hofgarten spazierenden König zugerufen: „Majestät gengans hoam, Revolution is, sonst passiert eahna was!“ So simpel war die Lage freilich nicht, erst recht nicht für die Familie Ludwigs III., des letzten bayerischen Königs. Der stand politisch schwer unter Druck, seine Frau lag sterbenskrank danieder und die neun noch lebenden Kinder hatten Angst, ein ähnliches Schicksal zu erleiden, wie die russische Zarenfamilie, die einige Monate zuvor von Bolschewiken ermordet worden war. Dieses ungewisse Schicksal stand allen gekrönten Häuptern im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn ganz plastisch vor Augen und die Angst vor den Aktionen der ungezügelten Soldaten- und Arbeiterräte war bei allen da. Mit drei Automobilen machte sich die königliche Familie noch in der Nacht auf ihren Weg nach Schloss Wildenwart. „Alles kam so überraschend, nichts war vorbereitet”, notierte Wiltrud in ihrem Tagebuch. In drei defekten Automobilen ohne Luft in den Reifen und ohne Licht setzte sich die königliche Familie am Abend des 7. November in Richtung Süden ab.

„Trotz der Flucht und des winterlichen Hauses waren wir in Wildenwart daheim und geborgen. Wir Übernächtigen ruhten nach Tisch aus, denn wir sagten uns: vielleicht müssen wir bald wieder fliehen“ – so die Aufzeichnungen von Prinzessin Wiltrud. Schloss Wildenwart war jedoch, trotz seiner Abgeschiedenheit, auch den neuen Machthabern in München als Sommerresidenz der Königsfamilie bekannt. So fühlten sich der König und seine Familie auch hier nicht sicher und man beschloss intern sich zu trennen. König Ludwig III. ging mit der schwer kranken Königin Maria Theresia und der ausgebildeten Krankenschwester Prinzessin Helmtrud nach Schloss Anif/Salzburg, die drei Prinzessinnen Hildegard, Wiltrud und Gundelinde machten sich in der Nacht zum 9. November zu Fuß in bäuerlicher Kleidung auf ins abgeschiedene Hintergschwendt unterhalb der Kampenwand und klopften schutzsuchend an die Türen der dortigen Gehöfte.

Die Wirtin, Kathi Meier, genannt die „Belzin“ des kleinen Gasthofes in Hintergschwendt richtete ein Notquartier in zwei Zimmern her. Am 9. November hüllte starker Nebel das Hochplateau ein, Prinzessin Wiltrud ging am Nachmittag zum Feldkreuz hinauf. An diesem ließ sie später eine Erinnerungstafel anbringen. Nur spärlich sickerten Gerüchte vom Schicksal der Familie und von den politischen Unruhen durch. Am 10. November war der 34. Geburtstag von Wiltrud, gut verkleidet ging sie mit Gundelinde und mit der Wirtstochter Nani (Anna) um 7 Uhr früh zum Hochamt nach Bernau hinunter. Auch der damals getragene Hut ist noch erhalten geblieben. Am 19. November kehrten die drei Königs-Töchter wieder zurück nach Wildenwart, bereits einen Tag vorher war dort wieder das Königs-Paar angekommen. Hintergschwendt und die dortigen Gastgeber waren für die drei Prinzessinnen eine wichtige Bleibe auf Zeit, die gute Obhut blieb den Schwestern Wiltrud, Hildegard und Gundelinde in dankbarer Erinnerung. Sowohl der König, wie auch die drei Prinzessinnen bedankten sich bei den Gastgebern, ein Hausaltar – zuletzt öffentlich bei der Ausstellung im Alten Schulhaus in Frasdorf gezeigt – erinnert noch heute in Hintergschwendt an die ereignisreichen Tage. Ein Wegekreuz trägt eine Gedenktafel zur Erinnerung an Prinzessin Wiltrud, interessiert informierten sich die Teilnehmer an der Wanderung am Originalschauplatz über die Gedanken der Prinzessin; im Buch von Christiane Böhm: „Eben noch unter Kronleuchtern“ die Revolution 1918/1919 aus Sicht der bayerischen Königstöchter, entstehen diese zehn Tage noch einmal ganz plastisch für die Zuhörer zum Nachlesen.

Bericht und Fotos: Heinrich Rehberg –

– Die Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Dr. Natascha Mehler und Aschaus Bürgermeister Simon Frank enthüllen die Info-Tafel zum Gedenken an den Aufenthalt der drei bayerischen Königstöchter im Jahre 1918 in Hintergschwendt

  • Die Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Dr. Natascha Mehler, die Historikerin Martina Stoib und Aschaus Bürgermeister Simon Frank vor der neuen Info-Tafel zum Gedenken an den Aufenthalt der drei bayerischen Königstöchter im Jahre 1918 in Hintergschwendt
  • Zahlreiche Mitglieder des HGV informierten sich mit der neuen Informationstafel über die Ereignisse des Novembers 1918 in Hintergschwendt.
  • Die neue Informationstafel über die Ereignisse des Novembers 1918 in Hintergschwendt
  • Die Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Dr. Natascha Mehler (Mitte), die Historikerin Martina Stoib (links) und Aschaus Bürgermeister Simon Frank bei der Enthüllung der neuen Info-Tafel zum Gedenken an den Aufenthalt der drei bayerischen Königstöchter im Jahre 1918 in Hintergschwendt

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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