Freizeit

Berichte vom Berg – Eringerungen von Karl Stankiewitz

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Der Münchner Reisejournalist Karl Stankiewitz lässt mit diesem Berit und mit einigen Bildern teilhaben an seinem reichhaltigem, schreiberischen Schaffen und an seiner Lieber zur Bergwelt, dazu schreibt er: Die folgenden, ausgewählten Originaltexte habe ich zwischen 1952 und 2003 veröffentlicht. Zusammengestellt, mehr oder weniger bearbeitet und, soweit möglich, thematisch oder chronologisch geordnet. Sie sollen nicht mehr sein als ein persönlicher Rückblick in einer apokalyptischen Zeit, die mir obendrein einen Rollator anstelle der längst ausgelatschten Wanderstiefel und des Wanderstocks aufgenötigt hat – keinesfalls ein Wanderführer. Ein Buch, eine Art Wanderführer oder eine Zeitungsserie waren von vornherein nicht geplant.   

Berichte vom Berg

Während der kompletten zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und noch ein paar Jahre danach waren die Berge „vor der Haustür“ eines meiner bevorzugten „Jagdreviere“ als freier Journalist. Die Motivation war eine doppelte:  erstens das besondere, nicht nur touristische, auch im nördlichen deutschen Flachland erkennbare Publikumsinteresse,  zweitens meine persönliche Zuneigung zu diesem Faszinosum  unseres Planeten.  Daraus entstanden sind Berichte, Reportagen und Hörbilder zum Bergerleben, die zwischen purer Begeisterung und kritischer Beobachtung wechselten. Meine Geschichten handelten vom Annähern und Erschließen, von der Ur-Natur und der Hoch-Technik. von Gefahren und Katastrophen. Nicht selten auch schwelgten  sie in geradezu paradiesischen Bildern.  Als Einzelgänger mit Kugelschreiber, Wander- und Routenführer –  erst später mit Kamera und mit literarischen Vorlagen – war ich wohl ebenso oft unterwegs wie mit Kollegen auf Informationssuche und/oder mit Orts- und Sachkundigen.  So kam es, dass ich irgendwann in den exklusiven Kreis der sogenannten Alpin-Journalisten aufgenommen wurde. Und dass ich öfter, als es meine Hauptaufgabe als Münchner Korrespondent  außerbayerischer Zeitungen[1] eigentlich erlaubten, in den Bergen unterwegs war, unerreichbar, denn das Smartphone war noch nicht erfunden und das nächste Telefon meist unerreichbar, weitab etwa vom landespolitischen Geschehen, doch grundsätzlich auch mit Blick auf das soziale Umfeld.

Etliche journalistische Bergkameraden selig sind mir besonders in Erinnerung geblieben:

Bruno Erath zum Beispiel, der beim Bayerischen Rundfunk das erste regelmäßige Bergsteigerprogramm[2]  aufgebaut hat und seinen schweren Tonbandkoffer trotz Knieschadens bis in Gipfelhöhe schleppte. Oder der drahtige, nach einem schuldlosen Autounfall verstorbene Gerd Kreyssig, der in sonnigen Höhen so gern die Bergvagabunden besang; das von ihm eingeführte „Berg-Journal“ der Süddeutschen Zeitung war lange mein „Hauptkunde“.  Die Bergliteraten Dr. Eckart Rübesamen und Wilfried Schwedler regten mich an, alpinen Spuren berühmter Dichter, Maler und Fürsten nachzugehen und als Touren zu beschreiben. Hans Steinbichler, der trotz Wampen mit seinem Jagdhund meis tunserer Meute vorauseilte, mobilisierte mich und viele andere durch aufwühlende Fotos und Aktionen („Rettet den Geigelstein“) sehr früh für den den kämpferischen Umweltschutz im bedrohten Bergland[3] ; ein heimtückisches Leiden streckte ihn und seine Frau nieder. Beim Isarflimmern erzählte mir mein Lieblingsindianer Willy Michl über seine wilde Zeit als aufsässiger Gebirgsjäger in Mittenwald und als trinkfreudiger Pächter der Höllltalangerhütte unter der  Zugspitze.

Dass auch Bergsteiger-Legenden meine Wege kreuzten, brachte der Beruf so mit sich.

Mehrmals verabschiedete sich Reinhold Messner, allein oder mit Begleitern, in München zu seinen großen Abenteuern. Sein Südtiroler Schloss Juval, wo er mal von der Mauer stürzte, stand Bergreportern offen. Einmal unterbrach der Alternativ-Alpinist die Umrundung seines Heimatlandes, um darüber beim Silbergasser am Brenner zu berichten. Noch anregender waren allemal die Plaudereien mit dem einzigartigen Luis Trenker, der sich noch als Greis daheim im Grödnertal auf Bretter wagte; als er im Alter von 97 Jahren friedlich entschlief, druckten Zeitungen meine Erinnerungen an den „König der Berge“ seitenlang ab. In Begleitung von Hannes Gasser, der die weltweit operierende Alpinschule Innsbruck gegrpündet hat, und mit seiner Frau Elfi schaffte ich die steilsten Skiabfahrten und von ihm gebauten Klettersteige der Nordkette: ich sauste mit seinen Schlittenhunden durchs Karwendel und lernte fernste Wanderberge kennen. Der Krebs hat den Gipfelstürmer 1996 bezwungen. 1961 berichtete mir mein Münchner Nachbar Toni Hiebeler, der das Magazin „Alpinismus“ gegründet hat, über die erste, angefeindete Winterbegehung der Eiger-Nordflanke. 1984 starben er, seine Frau und der Pilot bei einem Hubschrauberabsturz in Slowenien.  Meine eigenen alpinen Unternehmungen indes hatten Grenzen. Über den Grad II  der UIAA-Skala hinaus („mäßig schwierig“) konnte oder wollte ich nicht; es war die Querrinne der Kampenwand, durch die mich Günther Sturm, der verdienstvolle Gründer des Summitclubs, sicher lotste.   Beizeiten aufhören hieß ein Gebot. So beispielsweise am Großvenediger mit dem Ander Brugger aus dem Osttiroler Matrei, der Monika und mich schon bald nach Aufbruch am Defreggerhaus wegen schlechter Sicht zur Umkehr mahnte. Bis dahin hatte mein irischer Setter die zugewehten Gletscherspalten signalisiert. Jahre später las ich, Brugger sei auf Alaskas höchstem Berg abgestürzt. Auch auf den letzten schmalen Kamm zum Gipfel des Großglockner mussten Alwine, die erkältet war, und ich verzichten. Meine Reportage über diese Tour, die für eine Teilnehmerin aus Köln mit einer Hubschrauberrettung endete, hatte die Überschrift; „Der kleine Mensch und der große Berg“   Das Abseilen übten wir in Watzmann-Nähe mit dem Vater der berühmten Berchtesgadener Huber-Buam, der erst beim Anlegen des Klettergurts bei Alwine erstaunt feststellte: „Des is ja a Madl… „.   Kontakte zu Funktionären der Alpenvereine und des Fremdenverkehrs, zu Bergführern, Bergreiseveranstaltern und Bergbahnbetreibern ermöglichten weltweite Informationsreisen, wobei natürlich auf die Wahrung journalistischer Unabhängigkeit zu achten war. Zwei wahre Herausforderungen blieben mir im Gedächtnis und buchstäblich in den mittlerweile brüchigen Knochen:

Für einen unbegleiteten Survival-Trip setzte mich ein Helikopter 1981 auf einem Gipfel der Costal Mountains in British Columbia ab. mit Notverpflegung, schriftlichen Anweisungen („das Feuer ist dein einziger Freund) und Pfeiferl (zum angeblichen Abschrecken von Schwarzbären). [4] Mit meiner tapferen Alwine quälte ich mich 2003 elf Stunden lang ab Hallangerhaus durch das Vomper Loch im Norden Tirols, das der bayerische Karwendel-Pionier Hermann von Barth als „des Höllenfürsten würdigste Residenz“ beschrieben hat.[5]

  Mehrmals war  ich mein eigener Veranstalter von Bergwanderprogrammen:

Für Wolfgang Bude (Aschau) und Roman Moser (Kössen) testete und texte ich das Weitwanderprogram quer durch die Chiemgauer Alpen.   Für die Tourismuswerbung Tirol erkundete, bewarb und führte ich eine Drei-Tage-Wanderung auf historischen Spuren des frühen bayerischen Alpenforschers Ludwig Steub. Für ein Seehotel entwickelte ich eine viertägige, geführte Tour rund um das Kaisergebirge, dessen Magistrale, das Kaisertal, später durch eine kühne, aber wohl notwendige Verkehrsplanung vom Alpenverein heftig bekämpft wurde.  Der Radius meiner alpinen Spurensuche und beruflichen Schreiberei reichte, grob umrissen, vom Kaukasus bis zu den Rocky Mountains, vom Tafelberg in Südafrika bis zum Inlandgletscher in Grönland. Ganz bewusst aber konzentrierte ich mich zu allen Zeiten auf den nahen bayerischen Alpenraum. Und hier interessierten mich vor allem drei Berge. Nicht zuletzt deshalb, weil deren Namen selbst im Flachland seit jeher bestens bekannt sind; ich nenne sie märchenhaft „Die drei Riesen“, Es sind dies der höchste und spektakulärste Berg hierzulande,  der zweithöchste und geheimnisvollste sowie der historisch wichtigste und bis heute beliebteste

– also Zugspitze, Watzmann und Wendelstein.

 Bericht und Bilder:  Karl Stankiewitz

 

[1] Westdeutsche Allgemeine, Kölner Stadt-Anzeiger, Weser-Kurier, Frankfurter Neue Presse, Allgemeine Zei-

tung, Saarbrücker Zeitung, Stuttgarter Nachrichten, Südkurier u.a.

[2] Der ursprüngliche BR-Programtitel war „Wald und Gebirge“

[3] Siehe mein Buch Wie der Zirkus in die Berge kam, Oekom Verlag, 2012

[4] Die Süddeutsche Zeitung bewarb meine ganzseitige Reportage mit einem Plakat

[5] Ein Bericht erschien in „Wandern an wilden Wassern“, Tyrolia Verlag.

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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