Leitartikel

Pfarrer Josef Fegg vom Pfaffenwinkel zur Kirche von heute

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Pfarrer Josef Fegg vom Pfaffenwinkel – Gespräch nach Gaufestbesuch in seiner Heimat Rupertiwinkel

Rottenbuch/Teisendorf (hö) – Mit Wirkung vom 1. November 2019 hat Erzbischof Reinhard Kardinal Marx den vorher als Pfarradministrator tätigen Josef Fegg zum Pfarrer ernannt. Damit sind der Pfarrverband Rottenbuch und der Pfaffenwinkel seine dienstliche Heimat geworden. Seine ursprüngliche Heimat ist der Rupertiwinkel. Nun besuchte er – in Tracht und als Trachtler – das große und großartige Gaufest des Gauverbandes I in Teisendorf. In seiner Begleitung hatten wir Gelegenheit, mit ihm über Herkunft, Zukunft, Sorgen und Hoffnungen zu sprechen.

Ihre ursprüngliche Heimat ist der Rupertiwinkel. Von wo dort kommen Sie da genau her und wie würden Sie im Vergleich zum Pfaffenwinkel den Rupertiwinkel beschreiben?

  • Ich komme aus Wimmern, einem idyllischem, kleinen Bauerndorf nahe Teisendorf. In der Mitte des Dorfes erhebt sich die Kirche, davor eine große, alte Linde, die für uns als Kinder oft Spielstätte war. Was die Landschaft angeht, habe ich mich im Pfaffenwinkel schnell heimisch gefühlt, es ist wie im Rupertiwinkel. Allerdings vermisse ich hier im Pfaffenwinkel manchmal die schönen Traditionen und Bräuche während des Jahres, die im Rupertiwinkel einen sehr hohen Stellenwert haben und das Leben sehr bereichern. Spontan denke ich an den hohen Stellenwert des Kirchweihfestes mit der „Kirtahutschn“, das „Klopfasinga“ oder „Kletzengeh“ im Advent, Aperschnalzen im Winter und das „Oarscheim“ am Ostermontag und vieles mehr.

 Die Gaufest-Sonntags-Predigt hielt der Teisendorfer Pfarrer in bairischer Sprache – was hat davon besonders beeindruckt?

– Herr Pfarrer Klein war mit den tausenden Trachtlern total auf einer „Wellenlänge“, wie man so sagt. Er wusste, wen er vor sich hat und hat eine Sprache gesprochen, die jeder versteht. Ich halte es ohnehin für besonders wichtig, dass wir in der Kirche wieder eine Sprache sprechen, die wirklich verstanden wird. Damit meine ich nicht nur den wunderschönen, bayerischen Dialekt. Das geht noch viel weiter. Oftmals werden in Predigten ganz abgehobene Sachverhalte besprochen, die oft keiner mehr versteht. Für viele ist auch die Ausdrucksweise zu weit vom alltäglichen Sprachgebrauch weg. Hinzu kommt, dass die frohe Botschaft mancherorts mit wenig Freude und Liebe ausgelegt wird. Auch das wird Niemanden überzeugen. Ich selbst predige auch gern im bayerischen Dialekt. Vor allem dann, wenn ich mich schwer tue, etwas verständlich auszudrücken. Das Bayerische bietet hier viel mehr Möglichkeiten, auch mal was mit einem Augenzwinkern zu sagen. Ich würde mir wünschen, die Kirche würde insgesamt wieder eine Sprache sprechen, die man besser versteht. Und das wäre mit unserer bayerischen Sprache der einfachste und beste Weg!

Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder –selbst zu Gast in Teisendorf -sagte, dass der Glauben wieder in den Mittelpunkt gerückt werden muss – wie könnte das – auch mit Unterstützung der Politik – gehen?

Ich konnte länger als ich vermutet hatte mit Herrn Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder reden. Zunächst war ich beeindruckt, wie tief er in der Thematik des Glaubens verwurzelt ist. Ich habe sofort gemerkt, das Thema ist ihm persönlich ein großes Anliegen. Herr Söder war der Meinung, die Kirche würde zu viel Energie aufwenden, um sich mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen zu messen; andererseits konzentriere sich die Kirche zu sehr auf die allgemein schlechte Stimmung. Meiner Meinung nach hat er richtig erkannt: Die Kirche müsse den Glauben wieder mehr in den Mittelpunkt stellen, das heißt, das Evangelium. Nur so können die Menschen wieder neu entdecken und erfahren, was Jesus uns zu sagen hat, gerade in unserer Zeit. Die frohe Botschaft kommt oft zu kurz, umso dringender wäre diese jedoch angesichts einer Zeit, die überwiegend von schlechten Nachrichten, Krisen und Schreckensmeldungen geprägt ist. Hierzu ist die Präsenz der Politik im Gottesdienst ein wichtiges Zeichen. Dass die höchsten Vertreter unseres Landes öffentlich an Gebeten und Gottesdiensten teilnehmen ist für mich ein wichtiges und starkes Vorbild. Aber auch z.B. den aktiven Einsatz für Kreuze im öffentlichen Raum, sei es in Amtsstuben oder auf Berggipfeln will ich besonders betonen. Darüber hinaus möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Politik die Arbeit der Kirche immer wieder sehr wohlwollend auch finanziell unterstützt. Da spüre ich in Bayern noch sehr viel Rückhalt. Leider ist das aber die große Ausnahme in unserem Land.

Die Glaubenssubstanz wird immer weniger im Lande, einen Tag nach dem Teisendorfer Gaufest wurde eine Umfrage zur Kirchensteuer-Zustimmung bekannt – wie können Ausgetretene (auch in Trachtler-Kreisen) wieder zurückgewonnen werden?

Wenn ich das nur wüßte! Für mich ist das eine sehr schwierige Frage. Denn es spielen oft sehr unterschiedliche Gründe für einen Kirchenaustritt eine Rolle. Verloren gegangenes Vertrauen ist nicht leicht wieder herzustellen. Viele Menschen wenden sich enttäuscht von der Kirche ab; in vielen Fällen sehen die Menschen keine Veranlassung, viel Geld für eine Kirche zu bezahlen, die sie im Alltag kaum nutzen oder brauchen. Ein großer Teil der Menschen tut sich schwer mit dem Glauben. Mir ist es wichtig, Ausgetretene nicht zu verurteilen. Es gibt immer Gründe. Andererseits gibt es aber auch viele sehr gute Gründe, weiter in der Kirche zu bleiben. Man stelle sich einmal vor: Was wären unsere schönen Dörfer und Ortschaften ohne die Kirche als Bauwerk, und ohne die kirchliche Glaubensgemeinschaft vor Ort. Es würde eine Lücke entstehen, die man kaum füllen könnte. Unser Kalender ist stark geprägt von kirchlichen Festen. Auch ein so wunderbares Gaufest ohne Gottesdienst, das wäre eine schreckliche Vision. Wenn andererseits ein Gottesdienst am Gaufest mit tausenden Menschen so schön und liebevoll gestaltet ist, wie wir es in Teisendorf erleben durften: Die wunderbare Musik, die wertvollen Texte, eine wunderbare Bayerische Predigt, das große und gute Miteinander, dann sehe ich gute Chancen, dass die Kirche wieder positiv erlebt wird.

Brauchtumspflege und Heimatliebe sind in Statuten verankert – der Glaube brökelt – stimmt das so?

Weniger als die Hälfte der Menschen in Bayern sind noch in einer christlichen Kirche. Vieles, was vor wenigen Jahrzehnten noch selbstverständlich und allgemein akzeptiert war, wird heute hinterfragt oder spielt einfach keine Rolle mehr. Auch unsere Trachtenvereine sind ein Spiegelbild der Gesellschaft, kommen doch die vielen tausend Trachtler aus der Mitte der Gesellschaft. Somit verändert sich bestimmt auch das Glaubensleben innerhalb unserer Trachtenvereine. Oftmals halten sich Bräuche und Traditionen recht lange, obwohl vielleicht schon gar nicht mehr bekannt ist, was hinter einem Brauch oder einer Tradition steckt. Da kann es dann passieren, dass das Brauchtum ausgehöhlt wird und schnell ist aus dem Allerheiligenfest ein „Halloween“ geworden. Im Wort „Brauch“ steckt der Wortsinn von „Gebrauch“, „Nutzen“. Wenn ich irgendwann einmal nicht mehr weiß, welcher Nutzen, also welcher Hintergrund dem Brauch zugrunde liegt, verliert das Brauchtum an Wert und läuft Gefahr, ganz zu verschwinden. Das wäre ein großer Verlust für unsere bayerische Lebensart. Ich stelle oft fest, dass der Glaube im Lande bröckelt, oder jedenfalls sich stark verändert. Das hängt sicher auch mit einer Veränderung zusammen, die alle Bereiche unseres Lebens betrifft. Ich denke, dieser Trend ist nicht zu bezweifeln und auch nicht einfach zu stoppen. Ich würde mir wünschen, wir Trachtler zusammen mit der Kirche stellen uns dieser Aufgabe und gestalten den Wandel aktiv und positiv mit.

Gewohnheiten und Gesellschaft verändern sich stetig: wo oder wie kann das fundamentale Zusammengehören „Glaube und Brauchtum“ herausgearbeitet werden?

Das Gaufest in Teisendorf hat gezeigt, ein richtiges Fest braucht einen Gottesdienst. Es verleiht einem Gaufest-Sonntag einen besonderen Charakter, eine Würde, Feierlichkeit und Tiefe. Die Menschen sehnen sich nach Gemeinschaft, nach Freude und Geselligkeit, aber auch nach Sinn und Halt im Leben. Nach Orientierung, Ruhe und Kraft für den Alltag. Das alles bietet der Glaube. Abseits der großen Berichterstattung rund um das Gaufest, die im Übrigen berechtigt nur positiv war, hat mich eine Sache am meisten beeindruckt, die nicht so sehr bekannt ist: Die Festleitung und Trachtler haben vor dem Gaufest eine Wallfahrt nach Maria Eck gemacht, um für ein gutes Gelingen des Gaufestes Fürbitte zu halten. Ausgehend von diesen positiven Beispielen könnte ich mir vorstellen, Glaubensfragen wieder mehr in unserem Alltag einzubringen: Die Feste im Jahreskreis zu thematisieren, die Heiligen und ihre Geschichten, das Tischgebet, und vieles mehr. In Gruppenstunden die interessanten Verbindungen unserer bayerischen Lebensart und Bräuche mit dem Glauben zu erklären. Da gäbe es sicher noch viele gute Ideen. Ich denke aber, es ist wichtig, dass der Glaube nicht nur ein einzelner festlicher Gottesdienst ist, sondern dass der Glaube wieder fest im Alltag und im Leben verankert wird. Der Glaube hat großen Anteil daran, dass unser Bayernland heute ist, was es ist. Und darauf sind wir zurecht auch stolz. Dieses Erbe dürfen wir weitergeben. Wir wollen aber keine hohle und leere Folklore weitergeben; das sind wir Bayern nicht. Wir wollen die „Seele“ unseres Landes pflegen und am Leben halten. Darum gehört auch die Weitergabe des Glaubens dazu. Was bisher für uns gegolten hat, soll auch in Zukunft so sein, wenn wir singen: „Gott mit dir, du Land der Bayern.“

Lieber Herr Pfarrer Josef Fegg, „Vergelt´s Gott“ für diese Ein- und Ausblicke und Gottes Segen für Sie, den Ruperti- und Pfaffenwinkl und für das gesamte Bayernland.

Fotos: Hötzelsperger  – Eindrücke vom Besuch von Pfarrer Josef Fegg aus dem Pfaffenwinkel in seiner Heimat Rupertiwinkel anlässlich des Gottesdienstes beim Gaufest des Gauverbandes I in Teisendorf

  • Von links: Gauvorstand Michael Hauser, Ministerpräsident Dr. Markus Söder, Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Pfarrer Josef Fegg und vormaliger Landrat Georg Grabner
  • Von links: Gauvorstand Michael Hauser, Pfarrer Josef Fegg und Ehren-Vorsitzender Max Bertl vom Bayerischen Trachtenverband
  • Pfarrer Josef Fegg und Max Bertl, beide aus dem Pfarrverband Rottenbuch im Pfaffenwinkel
  • Weitere Eindrücke

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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