Gesundheit & Corona

Emanzipation in der Pflege – wie sich ein Berufsstand wandelt

“Es geht darum, sich selbst neu zu begeistern.”

Sebastian Hirmer ist seit September neuer Pflegedienstleiter an der RoMed Klinik Prien am Chiemsee. Begonnen hat der 40-jährige Regensburger vor 23 Jahren als einer der wenigen männlichen Pfleger am Klinikum Weiden. Nach dem Grundwehrdienst zog es ihn beruflich an den Alpenrand. Gefördert durch ein starkes Team übernahm er bald erste Führungsaufgaben. Erst Stationsleitung, dann übergreifende Stationsleitung, dann Bereichsleiter der Pflegedirektion. Mit viel Erfahrung im Gepäck will er jetzt RoMed bei Veränderungsprozessen begleiten. Wir sprechen mit ihm über die Emanzipation der Pflege, wie sich der Pflegeberuf durch medizinischen Fortschritt, Spezialisierung und Digitalisierung in den letzten rund 20 Jahren verändert hat und darüber, was für ihn gute Führung ausmacht.

Sebastian Hirmer, Pflegedienstleiter RoMed Klinik Prien am Chiemsee (Foto: Berger)

Sebastian, Pflegekräfte haben heute exzellente berufliche Chancen, spielen eine entscheidende gesellschaftliche Rolle, verfügen über Weiterentwicklungs- und Studien-Möglichkeiten, können Führungsaufgaben im Gesundheitswesen übernehmen und sogar promovieren, wenn sie das möchten. Haben wir es inzwischen mit einem ganz neuen Berufsstand zu tun?

Ja, das könnte man inzwischen wirklich so sagen. In der Pflege bewirbt man sich heute auf einen finanziell attraktiven, hoch spezialisierten und selbstbewussten Beruf – anders als vor 20 Jahren. Es hat in der Tat zu einem neuen Selbstbewusstsein geführt, dass endlich auch die Rahmenbedingungen stark aufgewertet wurden. Und zwar von Anfang an. Schon die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann rangiert inzwischen, was kaum einer weiß, bundesweit unter den bestbezahlten Ausbildungsberufen.

Trägt das auch zur oft diskutierten Wertschätzung des Berufsstandes bei?

Was die Wertschätzungsdebatte angeht, bin ich eher zurückhaltend. Ich halte sie für überholt und fände es gut, wir würden sie nicht mehr in dieser Form führen. Die finanzielle Situation hat sich deutlich verbessert. Die gesellschaftliche Relevanz unserer Arbeit steht völlig außer Frage, bzw. wird sie mit der rasch älter werdenden Gesellschaft noch weiter an Relevanz gewinnen. Aber nur, wenn wir die neue Emanzipation unseres Berufsstandes auch souverän vertreten, können wir uns selbst neu für unseren Beruf begeistern und den Nachwuchs für Berufschancen. Aus meiner Sicht geht’s da eher um Mut zur eigenen Haltung. Aber ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.

Was macht Emanzipation und Haltung im Pflegberuf aus Deiner Sicht aus?

Mit dem Fortschritt in der Medizin hat sich auch unsere Arbeit enorm professionalisiert. Wir sind heute nicht mehr einfach nur Krankenschwester oder Pfleger in reiner Assistenzfunktion der ÄrztInnen. Diese Tätigkeiten gibt es natürlich nach wie vor. Wir decken jedoch inzwischen eigenverantwortlich ganze Bereiche im Krankenhaus ab. Und wir arbeiten hoch spezialisiert als ExpertInnen an der Seite der ÄrztInnen in den verschiedenen medizinischen Fachbereichen. Auch in den Führungsrollen spiegelt sich die Relevanz der Pflege längst wider. Mit meiner neuen Aufgabe bin ich bei RoMed beispielsweise Teil der Klinikleitung und wir haben mit Judith Hantl-Merget, was eine Besonderheit bei RoMed ist, eine Pflegedirektorin in der Geschäftsleitung des Klinikverbunds.

Wie funktioniert eigentlich die Zusammenarbeit mit den ÄrztInnen und hat sich daran auch etwas geändert?

In der Rollenverteilung nicht, im Zusammenspiel ja. Während in den Händen der ÄrztInnen Diagnose, Aufklärung und Behandlung liegen, verbringen wir als Pflege mehr Zeit mit den PatientInnen. Da entsteht natürlich der größte zwischenmenschliche Kontakt. Oft sind es wir, die zuhören und Ängste nehmen. Und unsere präzisen Beobachtungen über den Gesundheitszustand der PatientInnen tragen durchaus wesentlich zum Behandlungserfolg bei. Junge ÄrztInnen oder ärztliche KollegInnen, die neu auf Station sind, sind zudem auf das Expertenwissen erfahrener Pflegekräfte angewiesen. Außerdem gibt es heute größere Offenheit untereinander und es findet ein echter interprofessioneller Austausch statt. Schön finde ich übrigens, dass sich inzwischen immer mehr junge Männer für Pflege begeistern und ihre beruflichen Möglichkeiten entdecken.

Wie war das damals bei Dir, als Du in Deinen Beruf gestartet bist? Fanden das alle cool?

Na ja. Damals gab es auch noch die Stimmen, die fragten: „Möchtest Du nichts Normales lernen?!“ Nach einem Krankheitsfall in der Familie, durch den ich als Jugendlicher viel Zeit im Krankenhaus verbracht habe, war mir jedoch klar: Genau das will ich! Die Arbeit des Pflegeteams damals hat mich tief beeindruckt. Da habe ich früh erlebt, was Pflege neben dem enormen medizinischen Fachwissen auch menschlich draufhaben muss und wie stark diese Empathie zum Genesungsprozess beiträgt. Ich habe das keineswegs romantisiert, da meine Mutter Krankenschwester war. Ich wusste also, welche Herausforderungen mich im Berufsalltag erwarten. Aber ich habe meine Entscheidung nie bereut.

In Deiner Rolle als Pflegedienstleitung beschäftigst Du Dich heute u.a. damit, Prozesse im Krankenhaus zu verbessern. Was muss sich verändern und warum?

Krankenhäuser haben im Grunde immer die gleichen Herausforderungen. Das liegt vor allem an einem sehr stark regulierten gesetzlichen Rahmen. Nun wird dieser in den nächsten Jahren reformiert und wir stecken gewissermaßen in einer Zeitenwende, die uns in Bewegung setzt. Es gibt Themen, die packen wir bereits an, andere brauchen noch etwas Zeit, liegen aber schon auf dem Tisch.

Welche Themen sind das zum Beispiel speziell im Bereich der Pflege?

Da fallen mir als erstes die starren Dienstzeiten im alten Dreischichtsystem ein. Die müssen dringend weiter flexibilisiert werden, um mehr Menschen die Arbeit in der Pflege möglich zu machen. RoMed tut dafür heute schon viel und will noch mehr. Fort und Weiterbildungsmöglichkeiten, persönlich wie fachlich, spielen mit der Spezialisierung eine viel größere Rolle als früher. Hier hat RoMed mit seinem eigenen Fort- und Weiterbildungsinstitut IGS ein echtes Qualitätsmerkmal für seine Mitarbeitenden und für die PatientInnen geschaffen. Außerdem wird es spannend, was die Digitalisierung an weiteren Neuerungen bringt. Wir testen beispielsweise aktuell, inwieweit Social Robots uns künftig im Alltag unterstützen können, damit wir wieder mehr Zeit für PatientInnen haben.

Das stellt natürlich neue Anforderungen an Führung. Denn jeder muss sich verändern und das mögen Menschen naturgemäß nicht wirklich. Gelingt das trotzdem?

Führung denkt heute anders und stellt den Menschen stärker in den Mittelpunkt. Und ich glaube dieser Zeitgeist ist auch der Schlüssel zu den Aufgaben, die vor uns liegen. Wir weisen heute auf persönliche Stärken hin, geben konstruktives Feedback, beraten und kommunizieren bewusster. Damit können wir unseren Mitarbeitenden Mut machen, ihren Fähigkeiten zu vertrauen, Entwicklung eine Chance zu geben und an ihrem Platz Verantwortung zu übernehmen – oder sogar persönliche Meilensteine zu setzen. Quasi der kleine Schubs in die richtige Richtung. Ich hatte selbst das Glück auf diese Weise gefordert und gefördert worden zu sein. Und das gebe ich gerne weiter.

Danke, Sebastian

Interessante Karrierechancen bei RoMed für MTR, MFA, OTA/ATA, Fachkräfte in der Pflege sowie im Labor gibt’s online.

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RoMed stellt die medizinische Versorgung der Region sicher und ist rund um die Uhr für Menschen da, stationär und ambulant. Mit aktuell rund 4.000 Mitarbeitenden zählt RoMed zu den größten Arbeitgebern des Landkreises. Zum RoMed Verbund gehören das Klinikum Rosenheim, die Kliniken Bad Aibling, Prien am Chiemsee und Wasserburg am Inn sowie das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) am Standort Rosenheim mit insgesamt 22 Facharztpraxen. Gemeinsam versorgt der Verbund rund 160.000 PatientInnen pro Jahr. Mit insgesamt sechs RoMed-eigenen Berufsfachschulen sowie in der Zusammenarbeit mit der TH Rosenheim bietet RoMed die Möglichkeit für eine fundierte und ortsnahe Ausbildung. Zudem sind die Kliniken universitäre Lehrkrankenhäuser der LMU und der TU München.








Redaktion

Rainer Nitzsche

Als Webseiten-Entwickler bin ich für die Gestaltung und den technischen Betrieb dieser Plattform verantwortlich und versuche, die Seite ständig aktuell und zeitgemäß zu halten.

Als Reportage-Fotograf möchte ich mit wenigen Bildern wiedergeben, was als geschriebener Text vielleicht Bände füllen würde. Es geht um Ereignisberichte in Bildern. Es gilt, schrittweise und in den richtigen Momenten Entwicklung und Ablauf von Ereignissen festzuhalten, die schließlich in einem Höhepunkt gipfeln. Das bedeutet, meine Fotografien sind sehr oft weniger formell und zeigen den Charakter der Menschen eher in einer pose-freien, authentischen Weise, die nicht inszeniert ist.
Mehr Fotos finden Sie auch auf meiner Webseite unter www.rainernitzsche.de

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