Leitartikel

Andreas Kuhnlein im Museum Fürstenfeldbruck

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Andreas Kuhnlein gehört zu den bekanntesten Bildhauern in Deutschland und ist auch in Asien und Amerika schon lange kein Unbekannter mehr. Der Unterwössener Bildhauer zeigt unter dem Titel „Dem MenschSein auf der Spur“ seiner Arbeiten auf zwei Stockwerken des Museums Fürstenfeldbruck die szenische Installation „Aufbruch“ sowie eine Reihe seiner Einzelarbeiten mit ein oder zwei seiner unvergleichlichen, mit der Motorsäge gestaltenen Menschenbilder, die zugleich ruppig, aber auch fragil und verletzlich wirken: sie zeigen den Menschen in all seiner Zerrissenheit, aber auch seiner Würde.

Kuhnleins „Aufbruch“ mit vielen, wie aus dem Wasser nach und nach aufsteigenden Figuren zeigt exemplarisch, dazu verständlich für jeden, der sich ein wenig damit befasst, die Weltsicht und das Anliegen des Künstlers, das hinter seinem gesamten Kunstschaffen steht. Der 1953 geborene Künstler möchte – wie in vielen seiner Einzelarbeiten zuvor der Welt (und sich selbst!) den Spiegel vorhalten, Einsichten auslösen und bei so vielen wie möglichen Betrachtern eine Umkehr vom falschen Weg bewirken. Beim „Aufbruch“  gehen einige Beherzte gleichsam als Führer voraus, zeigen den Weg – die anderen folgen, so gut sie können:  zögerlich, gebeugt, sich ängstlich umblickend oder mutig  voranschreitend – jede Figur zeigt in ihrer Bewegung oder Haltung ihren individuellen Charakter – keine gleicht der anderen.

Im großen Außenbereich des ehemaligen Klosters weist die Installation „Stationen des Lebens“ von Andreas Kuhnlein mit vier sich im Laufe des Lebens verändernden Gesichtern auf die Ausstellung hin. Die vier rot gefärbten Köpfe, aus Eiche mit der Motorsäge gearbeitet, zeigen dem aufmerksamen Betrachter im Ausdruck die Lebensphasen, die wohl jeder älter oder alt werdende Mensch durchlebt. Im zweiten, oberen Ausstellungsraum sind eine Reihe von aussagekräftigen Figuren des „MenschSeins“ zu finden, einige davon neu entstanden, manche älter. Besonders wichtig ist dem Künstler „Schein und Sein“ – auf der einen Seite der „Repräsentant“ in Kirche, Politik, Gesellschaft, auf der anderen Seite wie es „innen“ aussieht, parallel zum stolz aufgerichteten Mann/Frau manchmal ein kleines Häufchen Elend… . Das gleiche Thema ist auch plakativ aufgearbeitet bei „Aber du bist doch nackt“ – angelehnt an die allseits bekannte Fabel vom Kind und dem König mit den neuen Kleidern.

Der Mensch mit Smartphone in einer Unmenge von Plastikmüll versinkend ist wunderbar aufgearbeitet in der Installation „Das Wasser, die Farben, ein Traum!“, wie so viele ihren Freunden trotz mit Plastik vermüllten Meeresstrand mobil gerne berichten. Kuhnlein zeigt, wie der Einzelne oft nur sich selbst, seine eigenen Überzeugungen und Vorstellungen sieht und alles dafür tut, aber das große Ganze und die Mitmenschen dabei völlig außer Acht lässt. Alle Figuren des Menschseins in dieser Präsentation  sind der Beweis für Kuhnleins Fähigkeit, seine Anliegen mit allgemein verständlichen Motiven und Titeln abstrakt zu vermitteln, so dass sich jeder, der sich mit ihnen beschäftigt, seine eigenen Gedanken machen kann.

Besonderer künstlerischer Werdegang

Die künstlerische Entwicklung ist bei Andreas Kuhnlein außergewöhnlich und erstaunlich: Er absolvierte erst eine Schreinerlehre, arbeitete mehrere Jahre in diesem Beruf, danach  neun Jahre lang beim Bundesgrenzschutz und übernahm schließlich den elterlichen Bauernhof in Kruchenhausen, Unterwössen. In seiner von jeher kritischen Sicht auf Politik und Gesellschaft gab er die Landwirtschaft auf, als er die EU-subventionierten Stierkälberverbrennungen erlebte, und versuchte ab da, von seinen figürlich realistischen Schnitzarbeiten zu leben. Das war nicht immer einfach. Es folgten viele Jahre harter Arbeit um die eigene künstlerische Entwicklung. Erstmal waren sie, besonders in finanzieller Hinsicht, nicht gerade vielversprechend, was nur durchgehalten werden konnte, weil die Familie in allen schwierigen Zeiten – insbesondere seine Frau, seine Mutter und die vier Töchter stets hinter ihm standen.

Seine inzwischen berühmten zerklüfteten Figuren begannen mit dem „Großinqisitor“, einer Figur, zu der ein Fernsehinterview zwischen dem damaligen Intendanten der Münchner Staatsoper August Everding und Georg Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XVI., der Anlass war. Es folgte eine Reihe von kirchlichen „Stellvertretern“. Niemals wollte Kuhnlein irgendwelche Karikaturen fertigen – immer meinte er es ernst. Er zeigt einerseits die Verletzbarkeit und Zerbrechlichkeit, andererseits die Brutalität und Gewalttätigkeit des Menschen gegeneinander und gegenüber der Natur. Das möchte der Künstler sichtbar und spürbar machen. Und dieses tiefe, ernste Anliegen des Künstlers spüren die Betrachter bei seinen Skulpturen und erst recht, wenn er selbst spricht und seine Kunst erklärt. Sein Engagement äußert sich „nicht als isolierte künstlerische Eruption, sondern als wirkliche Dialogbereitschaft, als verständliches Zeichen, aber auch als Appell an die Betrachter“, wie es in einer der vielen Rezensionen seiner Kunst heißt. So ist sich Andreas Kuhnlein niemals zu schade, mit einem Interessierten zu sprechen, niemals tritt er als „abgehobener“, arroganter Künstler auf – der Ruhm ist ihm nicht zu Kopf gestiegen.

Vor fast 40 Jahren fanden in Unterwössen und in Schleching Kuhnleins erste Ausstellungen statt und seither unzählige Einzelausstellungen in vielen Ländern. Es gab viele Auszeichnungen, darunter eine Gastprofessur in China oder den Oberbayerischen Kulturpreis in 2009. 2022 erhielt er den Bundesverdienstorden für kulturelles Engagement. Schon längst kann Kuhnlein nicht mehr alle Aufträge und Angebote für Ausstellungen in aller Welt annehmen. Umso mehr sei es jedem Interessierten empfohlen, einen Ausflug nach Fürstenfeldbruck zu unternehmen und die prächtige Anlage des ehemaligen Zisterzienserklosters mit Barockkirche zu besichtigen, wo sich heute unter anderem das Museum und Ausstellungsräume auf fünf Stockwerken befinden. Gegenüber befindet sich die bayerische Polizeischule, zahlreiche Spielmöglichkeiten für Kinder und ein großer Biergarten – für alle Bedürfnisse jeden Alters ist also gesorgt. . Großen Wert legt er darauf, junge Menschen, zum Beispiel Schulklassen, an die Kunst heranzuführen, sie verständlich zu machen. Dazu eignen sich seine Werke hervorragend.

Die Ausstellung „Dem MenschSein auf der Spur“ mit Holzskulpturen von Andreas Kuhnlein im Museum Fürstenfeldbruck dauert bis Sonntag, 18. August. Sie ist von Dienstag bis Samstag jeweils von 13 bis 17 Uhr zu sehen, sonntags und an Feiertagen  von 11 bis 17 Uhr. Gruppen können unter der Telefonnummer 08141/611313 geführte Ausstellungsrundgänge jederzeit vereinbaren. Ein zweites Künstlergespräch mit Andreas Kuhnlein findet am Donnerstag, 9. Mai, um 15 Uhr statt. Das erste war innerhalb weniger Tage ausgebucht. Anmeldungen für das Gespräch mit begrenzter Teilnehmerzahl sind unter der oben genannten Telefonnummer. möglich.

Bericht und Bilder: Christiane Giesen

Der Bildhauer Andreas Kuhnlein neben seiner szenischen Installation „Aufbruch“ im Untergeschoß seiner neuen Ausstellung „Dem MenschSein auf der Spur“ im Museum Fürstenfeldbruck.

„Das Wasser, die Farben, ein Traum!“ – ein im Plastikmüll begeistert Badender mit Handy, der anscheinend gerade von seinem Traumurlaub schwärmt .

„Aber du bist doch nackt!“ – Eicheninstallation von Andreas Kuhnlein.

 

Redaktion

Toni Hötzelsperger

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