Auf Herrenchiemsee fand die 65. traditionelle Herbstjagd mit 36 Reitern und 40 Hunden statt. Das Geläuf war gut 20 Kilometer lang mit vielen Hindernissen, aufgeteilt in mehreren Schleppen (Etappen). Mit dabei der Schirmherr der Schleppjagd, der Bayerische Staatsminister und stellvertreteende Ministerpräsident Hubert Aiwanger. In seiner Begrüßungsansprache mutmaßte er, dass das Pferd in Zukunft bei unseren Enerigeproblemen wohl wieder wichtiger werden könnte, ganz nach den Worten von Kaiser Wilhelm II: “Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich glaube an das Pferd.” Besonderer Dank und großem Respekt galt dem Präsidenten des Schleppjagdvereins von Bayern e.V. (SvB) , Toni Wiedemann, für seinen großen Einsatz für die Erhaltung dieser wertvollen Tradition, was besoners auf sein Lebenswerk gründet. Viele Zuschauer, besonders auch Familien mit tierbegeisterten Kindern, nutzten diese Gelegenheit für einen herbstlichen Besuch der Herreninsel und verfolgten die Jagdszenen vom Wegesrand. Es ist ein ganz sicher ein besonderes Spektakel für die gesamte Familie die wundervolle Jagdszenerie mit Sicherheitsabstand zu genießen. Noch aufregender ist es natürlich im Sattel …

Schirmherr der Schleppjagd, der Bayerische Staatsminister und stellvertreteende Ministerpräsident Hubert Aiwanger

Die Zahl der Teilnehmer war aus logistischen Gründen begrenzt. Die Pferde mussten mit der Fähre auf die Insel übergesetzt werden – und das seit Jahren nach exaktem Zeitplan: Um 7.30 Uhr legte die erste Fähre in Breitbrunn ab. Nach und nach treffen Reiter und Pferde auf der Herreninsel ein. Jagdgäste ohne Pferd erreichten die Herreninsel mit Linienschiffen ab Prien und Gstadt.

„Geritten wird nach strengen Regeln, sonst gibt es ein Durcheinander“, sagt Gastgeber Toni Wiedemann. Er ist Gründer und Präsident des „Schleppjagdverein von Bayern e.V.“ (seit 1986, rund 400 Mitglieder). Hinter einer solchen Schleppjagt steckt viel Arbeit. Die Hindernisse müssen auf- und wieder abgebaut werden, die Pferde werden am Samstag morgen ab 7:30 Uhr nacheinander mit der Fähre übergesetzt. Die Strecke wird nochmal geprüft, bevor die Jagd starten kann.

Die Jagdgesellschaft traff sich zunächst zur Eintragung ins Jagdbuch und zum bayerischen Jagdfrühstück in der Schlossgaststätte. Als die klassischen Hornsignale der Chiemgauer Jagdhornbläser “Bien Aller de Baviere” und ihrer Jungbläsern, den Bayerischen Jungwölfen, „Les Louvarts de Baviere“ riefen, formieren sich alle Reiter um zum großen Stelldichein mit der Hundemeute vor der Kapelle des Alten Schlosses.

Segnung von Roß und Reiter vor Beginn der Schleppjagd

Nach Begrüßung durch die Jagdherrschaft, Esther Höhn und Josef Ettenhuber, dem Schirmherrn, Staatsinister und stellvertretendem Bayerischen Ministerpräsidenten, Hubert Aiwanger, dem Präsidenten des Schleppjagdvereins von Bayern e.V. (SvB) , Toni Wiedemann und nach Segnung von Reitern und Pferden stimmen alle in den Jagdruf ein. Natürlich gab es zuvor noch einen Schnaps für die Reiter („Bügeltrunk“), einen Weihwasser-Spritzer für jedes Ross. Doch dann ging es endlich los! Mit dem Schlachtruf „Ho-rido-joho – Hunde voran, packen wir‘s an“ stürmt die Hundemeute der Schleppe hinterher.
Weil sich nicht alle Reiter an die Hindernisse wagen, teilen sich die Teilnehmer in Gruppen auf. So gibt es ein „springendes Feld“, ein „leicht springendes Feld“ oder in ein „nicht springendes Feld“. Vorne im Springerfeld sollten wirklich nur die reiten, die erfahrene, kontrollierbare und sicher springende Pferde haben. Unterwegs gelten Jagdregeln für Fairness und Sicherheit: Den Master, der das Feld führt, darf natürlich niemand überholen, die Reiter bleiben an ihrem Platz und reiten „Strich“. Der Jagdveranstalter legt größten Wert auf Sicherheit. (Die wichtigsten Sicherheitsregeln wurden zu Beginn noch einmal für alle Reiter wiederholt.) Geordnetes Reiten mit viel Rücksicht den Mitreitern, Pferden und Hunden gegenüber, ist oberstes Gebot.

65. traditionelle Schleppjagd auf der Herreninsel 2022

Es begann der Aufgalopp. Die “Equipage” mit dem Master und dem Schleppenleger führte die rund 40 schnell und sicher spurenden Foxhounds. Geritten wurde diszipliniert in mehreren Feldern bzw. Gruppen. Die Jagdherrschaft mit Schirmherrn und Ehrengästen begleitete die Jagd in einer Kutsche. Gäste und Zuschauer konnten schöne Jagdsequenzen spazierend über die Insel erleben. Auf der etwa 20 km langen Strecke gab es immer wieder Verschnaufpausen mit »Bügeltrunk« und Livemusik der Jagdhornbläser. Pferd wie Reiter erholten sich dabei von der Anstrengung.
Die Besucher waren mittendrin in der Jagd und erlebten das Brauchtum hautnah. Quer über die Insel verfolgten sie das Geschehen, positionierten sich rechtzeitig an den Geländesprüngen, ehe die Reiter zum Flug über breite Baumstämme und Hecken ansetzten. Das Highlight für die Besucher war der Sprung am südöst­lichen Ende der Insel direkt in den Chiemsee.

65. traditionelle Schleppjagd auf der Herreninsel 2022: Hindernis mit Sprung direkt in den Chiemsee war sowohl für Roß und Reiter wie auch die Zuschauer ein Höhepunkt.

Die letzten Schleppen auf der Schlossallee endeten mit dem “Halali” am Neuen Schloss. (Halali: Das Ende der Jagd, symbolisch für das Erlegen des Wildes. Möglicherweise aus dem Alt-Französischen: Ha la lit ­– „da liegt er“.) Dabei ehrte die Jagdherrschaft Esther Höhn und Josef Ettenhuber die Reiter mit dem Eichenbruch und einer Erinnerungschleife, der Master und Präsident gratulierte mit dem Jagdknopf. Der sogenannte „Bruch“ – das Eichenlaub ist die Auszeichnung, dass der Reiter die komplette Jagdstrecke bewältigt hat. Ein Höhepunkt für die Hunde ist am Ende das „Curée“, zur Belohnung der Hunde erhalten sie einen Berg aus müffelndem Pansen.

Die Meute ist im Besitz des Schleppjagdvereins von Bayern e.V. Die Hundeführung liegt in den Händen von Sissi Veit-Wiedemann.

Nachdem Pferde und Hunde versorgt waren, lud die Jagdherrschaft zum Empfang und Jagdessen in die Schlossgaststätte des Alten Schlosses. Danach ging es für die Pferdegespanne und Reiter mit der Fähre und für Jagdgäste mit den Personenschiffen wieder zurück ans Festland.

Verschmelzung alter Tradition

Im Jahr 1957 war die Jagdreiterei in Bayern mit einer Fuchsjagd ohne Hunde und 16 Reitern auf der Herreninsel wieder aufgenommen worden. Damit wurde eine Tradition fortgeführt, die im 18. Jahrhundert mit Kurfürst Max Emanuel von Bayern (1662-1726) begonnen hatte. Im Laufe der Jahre gewann diese Jagd immer mehr an Zuspruch und so kam es, dass Mitte der 60er Jahre Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauss diese Jagd zur Staatsjagd erhob.

65. traditionelle Schleppjagd auf der Herreninsel 2022: klassischen Hornsignale der Chiemgauer Jagdhornbläser und ihrer Jungbläsern, den Bayerischen Jungwölfen. Das Jagdhorn ist gewissermaßen das „Smartphone“ von früher. Mit den Signalen kommunizierte man während der Wildjagd, so dass alle Jagdteilnehmer durch das Erkennen der Signale über das Jagdgeschehen informiert waren.

Der Titel Staatsjagd galt 20 Jahre bis zur Amtsaufgabe des Bayerischen Ministerpräsidenten J. Streibl. Seit 1990 werden auf der Königsinsel Schleppjagden mit dem Schleppjagdverein von Bayern geritten. Dank engagierter Jagdherren und Freunde und in enger Zusammenarbeit mit der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung konnte die Veranstaltung erhalten und auf dieses Niveau gebracht werden.

65. traditionelle Schleppjagd auf der Herreninsel 2022: Auf der Zielgeraden vor dem Schloß Herrenchiemsee: Im Endgalopp stimmten sie das Halali an, das Ende der Jagd. Musik erschallte aus den Hörnern der Bläser. Das Bellen der Meute hallte durch den Wald. Die Pferde schnaubten und dampften. Zum Abschluß zeigte sich auch noch die goldene Oktober-Sonne.

Die typisch deutsche Form der Schleppjagd, auch der bayerischen, entwickelte sich vor allem Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts: Es sind Elemente aus der klassischen französischen Hirschjagd zu Pferde “Chasse à courre”, von der insbesondere die Hornsignale und zum Teil auch das Zeremoniell stammen. Das schnelle und sportliche Reiten über die Hindernisse ist vom englischen “Foxhunting” übernommen worden. Nur die Ehrung der Reiter mit dem “Bruch”, einem Eichenzweig, ist deutsch. Die Schleppjagd grenzt sich von der französischen Parforcejagd allein dadurch ab, dass die Hunde eine künstliche Fährte ausarbeiten.

65. traditionelle Schleppjagd auf der Herreninsel 2022: Die Hundemeute folgte der „Schleppe“, einer Duftspur, die zuvor von der Equipage gelegt wurde.

In Deutschland ist die Jagd auf lebendes Wild seit 1934 verboten. Heute hat der Schleppenleger einen Tropfkanister am Sattel festgeschnallt und legt so die Fährten im Gelände.

Auch dieses Jahr traffen sich Jagdreiter aus ganz Deutschland – die nördlichsten kamen von der Insel Norderney, aus Österreich, der Schweiz und Frankreich zu diesem besonderen Wochenende im Chiemgau. Alles in allem eine gelungene, sportliche, unvergessliche Jagd: Waidmannsheil – Waidmannsdank auf Herrenchiemsee.

Einen zweiten Bilderbogen mit Fotos von Günter Kratschmayer finden Sie hier.

Fotos: Rainer Nitzsche 









 

Redaktion

Rainer Nitzsche

Als Webseiten-Entwickler bin ich für die Gestaltung und den technischen Betrieb dieser Plattform verantwortlich und versuche, die Seite ständig aktuell und zeitgemäß zu halten.

Als Reportage-Fotograf möchte ich mit wenigen Bildern wiedergeben, was als geschriebener Text vielleicht Bände füllen würde. Es geht um Ereignisberichte in Bildern. Es gilt, schrittweise und in den richtigen Momenten Entwicklung und Ablauf von Ereignissen festzuhalten, die schließlich in einem Höhepunkt gipfeln. Das bedeutet, meine Fotografien sind sehr oft weniger formell und zeigen den Charakter der Menschen eher in einer pose-freien, authentischen Weise, die nicht inszeniert ist.
Mehr Fotos finden Sie auch auf meiner Webseite unter www.rainernitzsche.de

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