Surreale Geschichte um einen Völkerkundler, der eine Wörtersammlung des Eingeborenenvolks Südamerikas zu retten versucht.
Thomas Bridges wächst als Ziehsohn eines britischen Missionars in Feuerland unter den Kindern des am südlichen Ende Südamerikas lebenden Eingeborenenvolks der Yamana auf. Fasziniert von dieser Welt und der Sprache schreibt er ihre Wörter auf. Als er stirbt, stiehlt ein zufällig anwesender Handlungsreisender die handschriftliche Wörtersammlung, ein blau-rot-marmoriertes Buch. Nach vergeblichen Versuchen, die wertvolle Wörtersammlung einträglich zu verkaufen, lässt der Handlungsreisende das Buch auf einer Bank in der Londoner Victoria Station liegen, wo es der deutsche Völker- und Sprachkundler Ferdinand Hestermann, Professor an der Universität Münster, findet. Im Hotelzimmer blättert er darin und sein Interesse ist geweckt. Er spürt sofort den Wert dieses einzigartigen Buches, dessen Worte die Menschen, Berge, Wälder und Meere dermaßen scharf umreißen, dass alles lebendig und greifbar wird. Hestermann verschreibt dem Buch, einer Kopie der Wirklichkeit in Form von Wörtern, sein Leben. Als die Nationalsozialisten in den 1930er Jahren beginnen Bibliotheken zu plündern und Bücher zu verbrennen, versucht er das Buch in Sicherheit zu bringen.
In seinem zweiten Roman, einer vielschichtigen, tiefgründigen, raffiniert erzählten Geschichte, fragt sich der Schweizer Schriftsteller: was ist eigentlich Wahrheit? Der Autor verbindet Alltagssituationen, Einbildung und Träume zu einer eigenwilligen Mischung und glänzt dabei mit überbordender Erzählphantasie und grotesker Situationskomik. Das Buch ist ein anspruchsvoller, kurzweiliger Abenteuer- und Schelmenroman erster Güte und empfehlenswert für Liebhaber literarisch verdichteter Romane.
Buchprofile-Rezension Günther Freund
mehr Buchtipps von Günther Freund
Michael Hugentobler, Feuerland, Roman