Gesundheit & Corona

Helmut Zöpfl: Woran kann ich noch glauben?

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Ich gestehe, dass mich das Corona-Virus in eine meiner schlimmsten Krise des Lebens gestürzt hat. Damit ist nicht gemeint, dass ich aus der allgemein herrschenden Angst heraus Hamsterkäufe vornehme oder bei jeder sich bietenden Gelegenheit in mir zugänglichen Toiletten Klopapier-Rollen mitgehen lasse. Meine Krise ist ganz anderer Natur. Nachdem ich als Kind einmal schmerzlich feststellen musste, dass es keinen Osterhasen gibt und der Nikolaus niemand anderer war als der Onkel Jakob, schlitterte ich in eine noch größere Glaubenskrise, als mein Freund Werner mir erklärte, dass das, was ich im Religionsunterricht über die Erschaffung der Welt gelernt hatte, auch nicht so recht stimme und die Naturwissenschaft inzwischen eineindeutig bewiesen habe, dass die Welt vor etwa 14 Milliarden Jahren durch den sogenannten Urknall entstanden sei: Und wir Menschen wären auch nicht persönlich geschaffen, aus Lehm geformt oder aus der Rippe Adams hervorgegangen, sondern das vorläufige Endprodukt einer ewiglangen Evolution und stammten mehr oder weniger vom Tierreich ab. Da der Mensch bekanntlich nicht ohne irgendeinen Glauben auskommt, habe ich diesen in verschiedenen Ausformungen gesucht und bin schließlich durch ein Büchlein von Oskar Weber „Auf meinen Stern vertrau ich gern“ bei der Astrologie gelandet. Nicht zuletzt weil ich festgestellt habe, dass der Schriftsteller mit der Darstellung des Schützen, meines Sternzeichens total das Richtige über meine Person in Verse gebracht hat, wenn er etwa schreibt: „Wasser ist sein Element. Löschen deans gern, wenn’s wo brennt, d’ Schützen san aa sanft und net hitzig, talentiert und auch sehr witzig. Ehrlich, gute Freund und bieder. Sie hören gerne Heimatlieder. Meistens sans aa guten Muats. ‘S beste is für sie was Guats“.

Genau betrachtet, trifft das alles haargenau so auf mich zu. Besser hätte es mir auch nicht der Psychotherapeut von Monk sagen können. Von da an war für mich klar, dass ich mir regelmäßig meinen Rat bei den Jahreshoroskopen aus der Yellow-Press, den Wochenhoroskopen aus den Sonntagszeitungen und natürlich Tageshoroskopen aus der von mir abonnierten Tageszeitung holen werde. Über viele Jahrzehnte hat das meinen Lebensrhythmus bestimmt. Mein erster Blick galt dem Blick auf mein Tageshoroskop, aus dem ich dann ganz genau meinen Tagesplan von früh morgens bis in die Nachtstunden ausrichtete. Es würde etwas zu intim werden, wenn ich hier genau schilderte, wie sich Berufs-, Partnerwahl und Zeugung meiner Kinder an meinem Horoskop ausrichteten. Diese Zusatzhilfe auf die mehr pragmatischen Dinge wie Gartengestaltung, Aussaat und Pflanzen, Heckeschneiden, Hygiene, Friseurtermin usw. bezog ich aus dem ebenfalls in seriösen Zeitungen allmorgendlich präsentierten Mondkalender. Welche großartig Tipps bekam ich für die nächste Zukunft mitgeteilt: Begeben sie sich nicht in Gefahren! Sie bergen immer ein Risiko! Zu wenig Schlaf macht Sie sehr schnell müde. Misstrauen Sie Menschen, die sie anlügen! Konzentrieren Sie sich statt auf Nebensächlichkeiten lieber auf das Wesentliche! Gebrauchen Sie ihre Phantasie, wenn Sie kreativ sein wollen! Ein bisschen Spaß schadet nicht. Gegen zu große Aufregung hilft Gelassenheit. Statt aus Ihrer Haut zu fahren, versuchen Sie lieber, sich in ihr wohlzufühlen. Betrachten Sie Falschmeldungen mit mehr Skepsis! Orientieren Sie sich bei der Kleiderwahl an den jahreszeitlichen Gegebenheiten! Mondkalender: Wenn es Frühling wird, sollten Gartenbesitzer ans Pflanzen denken. Frische Luft macht Ihr Atmen angenehmer.

Wie gut bin ich mit all diesen genau auf mich und mein Sternzeichen zutreffenden Ratschlägen gefahren. Ich habe es sogar zu einem bescheidenen Besitz gebracht, als ich dem Tipp gehorchte, nicht sinnlos Geld auszugeben oder keine Wetten auf den schnellen Wiederaufstieg des TSV 1860 abzuschließen.

Und jetzt so etwas! Tagtäglich verfolge ich die neuesten Berichte über die Schutzmaßnahmen bei der Corona-Vorsorge. Und was muss ich da in Sachen „Liebe und Bekanntschaft“ lesen: „ Gehen Sie unbefangen auch auf fremde Menschen zu! Lassen Sie sich doch von Menschen beim fröhlichen Miteinander anstecken! Gehen Sie ihren Frühlingsgefühlen nach und erfreuen Sie sich am Partyleben! Usw.“

Und da beginnt jetzt mein großer Gewissenskonflikt. Soll ich von den bisher für mich so verbindlichen Tagesratschlägen meines Schützen-Horoskops abweichen, ja geradezu das Gegenteil des Vorgeschriebenen tun? Wem soll ich mehr vertrauen, dem hohen Gesetz der Sterne oder den Weisungen des Robert-Koch-Instituts, den Konstellationen der Himmelskörper, die schon seit Tausenden von Jahren Tag für Tag unser Leben in Freud und Leid bestimmen, oder der Mahnung einer nur für ein paar Jahre gewählten Bundeskanzlerin? Ob diese wohl Ihr Tageshoroskop gelesen hat, bevor sie sich zu diesen Verlautbarungen entschlossen hat?

Woran kann man sich in unseren Tagen noch halten? Voll Trauer denke ich an die Zeit der alten Griechen zurück, die ihren Rat noch bei Pythia im Delphischen Orakel holen konnten. Selbst Kassandra, obwohl ihr niemand geglaubt hatte, war eine sichere Auskunft, was zumindest schlechte Voraussagen anbetrifft. An ihre Stelle ist Alexa getreten, deren Wettervorhersagen aber auch schon öfter falsch waren. Wer beim Mühlhiasl oder Nostradamus nachschlägt oder sich im Inka-Kalender über die Zukunft orientieren will, bekommt allenfalls das Datum irgendeines Weltuntergangs genannt. Können wir uns nur noch auf die Zukunfts-Prognose von Franz Beckenbauer stützen, wenn er sagt: „Schau ma mal!“, oder müssen wir uns mit dem weisen Spruch Carlo Sölchs begnügen: „Prognosen sind sehr schwierig. Besonders, wenn sei die Zukunft betreffen.“? Für mich gäbe es nur noch eine Möglichkeit, weiterhin sichere Zukunftsvorhersagen zu bekommen: Man müsste jene meist weibliche Personen reaktivieren, die gesicherte Vorhersagen aus dem Lesen der Hand gegen geringe Beträge leisten. Die Sache hat aber einen ganz großen Haken: Durch die Corona-Krise ist jede Form des Handreichens ein absolutes Tabu.

Prof. Helmut Zöpfl  – Ein Beitrag, zur Verfügung gestellt von der Bayerischen Einigung und entnommen der Mitgliederzeitschrift BAYERNSPIEGEL

Foto: Rainer Nitzsche – Prof. Helmut Zöpfl (re.) im Gespräch mit Musiker und Komponist Hans Berger

 

 

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

1 Kommentar

  • Der Professor kann einem leid tun, er ist am Sinn des Lebens vorbeigegangen und ist statt dessen der Astrologie verfallen.
    Man kann nur Hoffen, das unser lieber Hans Berger von dem Gedankengut nichts in seine Lieder schreibt.
    Denn biblisch hinterfragt, ist das ganze Horoskopgetue, eine vom Menschen erdachte Weisheit, die nicht der Wahrheit entspricht. Die einzige Wahrheit ist unser Herr Jesus Christus, er ist der Weg und das Leben (Johannes 14:6).

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