Leitartikel

Besuch bei der Guadl-Bäckerin vom Goashacker-Hof

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

 „Spitzbuam gibt es überall und ganzjährig, aber eine besondere Bedeutung bekommen sie zur Adventzeit, wenn sie namentlich als Weihnachts-Platzerl gebacken werden und so manch männlicher Beobachter zum Stibitzer wird“. Aber „Spitzbuam“ sind nur am Rande von Bedeutung, wenn man bei einer leidenschaftlichen Bäuerin auf ihren Vorbereitungen auf die Festtagszeit über die Schultern schaut. So wie in Prien-Gaishacken bei Rita Stoib, deren Back-Tradition zu Advent eine wahre Vorfreude ist.

„Bei uns hat es immer Guadl-Bacha geheißen, der Name Plätzchen geht mir auch heute noch nicht über die Lippen“ – mit diesen ersten Bekenntnissen verrät die seit 40 Jahren auf dem „Goaßhacker-Hof“ beheimatete und vom „Braun-Hof“ im nahen Stupfa   stammende Bäuerin, dass ihr die Überlieferungen von Mutter und Oma von großer Wichtigkeit sind. Dies zeigt sich schon daran, dass das Backen für Weihnachten in der Zeit zwischen Kathrein und Andreas Ende November begonnen wird. „Erst dann und in der Advent-Zeit ist Vorbereitungszeit!“ – so Rita Stoib, deren erste von insgesamt 30 verschiedenen Sorten heuer Fleischklopfer-Guadl oder Vanille-Kipferl waren. Erst zum Schluss der Backzeit kommen die „Spitzbuam“, denn die müssen immer frisch sein. Andere Sorten, unter anderem mit Honigteig, brauchen einfach Zeit, bis sie richtig ausgeruht sind und schmecken.

Vier Buam und drei Enkelkinder hat Rita Stoib, wobei die Enkelkinder am meisten bereit sind zum Mithelfen „Es ist nicht einfach, gute Guadl zu machen, aber es macht unbandig viel Freude, mit ihnen Freude zu bereiten“. Damit meint sie nicht nur ihre eigene Familie, auch gute Nachbarn und Freunde kommen in den Genuss ihrer spendablen Großzügigkeit.

Advent-Guadl sind Weihnachts-Guadl

Großen Wert legt die Guadl-Bäckerin, dass das Backen ein zentraler Teil der Adventzeit ist. Und auch bei den Zutaten gibt es keine Kompromisse, schließlich ist guter Butter besser als Margarine und auch bei den Eiern wird geschaut, woher sie kommen. Auch die Marmelade  als Füllmaterial und als säuerlicher Gegenspieler zu Schokolade und süßem Teig  kommt aus dem eigenen Garten, zumeist von den Johannisbeerstauden. Verwendung findet die Marmelade bei den Sorten Togobissen, Mandelstangen, Domino-Steine, Wiener Herzen und auch bei den Spitzbuam. Weitere Zutaten wie Nüsse und Mandeln werden immer selbst gemahlen, auch wenn es heuer kaum Walnüsse vom eigenen Baum gab. Auch beim Mehl oder bei den Gewürzen wird Wert darauf gelegt, dass regionale, beste Qualität Grundlage für Wohlschmeckendes zur Festtagszeit ist. Auf die Frage, was bei aller Tradition sich auch beim Advent-Backen verändert, sagt sie: „Es gehört dazu, dass jedes Jahr mit den bewährten Zutaten was Neues ausprobiert wird, heuer waren dies die Spekulatius-Sterne, die Mohn-Blumen, die Nuß-Stangerl und die Fatschenkindl, die ich im übrigen in der Bauernzeitung entdeckte“. Gerne verwendet Rita Stoib alte Modeln aus Birnenholz, unter anderem für die Sorte Springerl.

 Stollen über alles

Anfangs zu ihrer Zeit auf dem Goashacker-Hof probierte Rita Stoib den Geschmack „ihrer“ Männer aus und testete deren Vorzüge mit Christstollen, Apfelwickelstollen und Quarkstollen. „Letzterer hat sich bis heute mit 40prozentigem Topfen durchgesetzt, vielleicht weil er besonders saftig ist.  Den wenn ich nicht mache, dann habe ich es nicht leicht bei meinen Mannerleuten!“ – so die sichere Einschätzung der Bäuerin, die zum Advent-Abschluss  noch verschiedene Lebkuchen macht und damit das weihnachtliche Guadl-Büffet noch erweitert und verfeinert.

Guadl-Backen ist auch eine Meditation

„Feierabend, eine warme Küche, Kerzenlicht, draußen ein bisserl Schnee, die Ruhe nach der Stallarbeit und der Duft von Anis oder Zimt sind es, die mich in eine fast meditative Stimmung bringen. Deshalb backe ich in der Regel und am liebsten am Abend, wenn schöne Volksmusik zur Entspannung beiträgt“. Natürlich ist es auch eine Freude für die Bäckerin, dass all ihre vier Buam und drei Enkelkinder mit ihren Familien richtige Genußfreude haben an ihren Sorten. „Aber“ – so hält sie nach guter Tradition fest – „Der wahre Genuss beginnt an Weihnachten in der Familien-Gemeinschaft, vorher zählt die vornehme Zurückhaltung“.

Foto: Hötzelsperger – Eindrücke vom adventlichen Back-Erlebnis in Prien-Gaishacken.  1. Rita Stoib beim Backen in ihrer Küche. 2. Blick in den Aufbewahrungsraum. 3. Verschiedene Sorten.

Lieblingsrezept von Rita Stoib   –  Die Senkrecht-Starter oder die Haselnusstaler

Der Name hat sich ergeben, weil die Männer um die Bäuerin (Mann und vier Söhne) diese Sorte zu ihrer Lieblingssorte erkürten, darauf die Namens-Schaffung „Senkrecht-Starter“ . Kleine, glatte, helle  und  runde Ausstiche vom Mürbteig, diese gebacken, dann kleiner Klecks Nougat drauf, darauf 3 ganze, geröstete und gehäutete Haselnussen auf Nougat, dann kopfüber in Schokoladen-Glasur tauchen, wenn Schokolade trocken mit weißer Schokolade noch feine Fäden drüber. Das Rösten der Nussen macht besonderen Geschmack. Ziemlich aufwendig – aber es lohnt sich!  Rezepte u.a. von Oma und Daheim, von Bauernzeitung, von Büchern und von Bekannten – z. T. auch Eigen-Experimente.

Fotos: Hötzelsperger

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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