Leitartikel

Mit Rad von Endorf nach Prag und zurück

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Die Geschwindigkeit des E-Bikes ist ideal. Es ist langsam genug, um die Umwelt intensiv wahrzunehmen, aber doch einigermaßen schnell um vom Fleck zu kommen. „Wenn ich mit dem Flieger unterwegs war, erlebte ich von unterwegs praktisch gar nichts, außer dem Stress von Anreise, Abflug und Ankunft. Er brachte mich zwar schnell zu insgesamt 70 Ländern, in denen ich meist immer nur kurz blieb. Bei einer Autoreise huscht die Gegend immer nur schnell vorbei, wobei die wirklich schönen Ansichten und die Umwelt meist nur viel zu kurz wahrgenommen werden können“ – diese Erfahrungen und Goethes Worte „Der Weg ist das Ziel“ inspirierten Hans Fritz, einen 78jährigen Unternehmer aus Bad Endorf zu einer besonderen E-Bike-Rad-Tour. Ziel war Prag, die Hauptstadt der Tschechischen Republik und der Weg hin und zurück mit dem Rad war insgesamt 740 Kilometer lang.

Die Tour führte über ruhige Nebenstraßen, Feldwege und ehemalige Bahntrassen, geleitet vom Navi-App „Komoot“. Die Strecke war wenig frequentiert, im Vergleich zu bekannten Radwegen wie den „Bodensee-Königsee Radweg“, oder den „Alpen-Adria Weg.

Start und erste Etappen in Bayern. Hans Fritz erzählt:

„Am 3. August startete ich bei Regenwetter in Bad Endorf. Die erste Etappe (109 km) führte über Trostberg, Altötting und Eggenfelden (mit Krankenhausbesuch bei einem Freund) nach Pfarrkirchen, wo ich bei Freunden übernachtete“.

Weiter ging es am zweiten Tag 80 km durch fruchtbare Schwemmlande des Inns mit Mais-, Weizen-, Raps-, Soja-, Hirse- und Zuckerrübenfelder nach Salzweg bei Passau sowie mit einem Abstecher nach Schärding (Österreich) inkludierte ein Mittagessen beim dortigen Stadtwirt. In Salzweg bei Passau übernachtete ich bei meinen alten Freunden Franz und Anna, die früher Redakteure beim Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt waren und tags darauf ging es zusammen mit Franz 62 km durch den Bayerischen Wald bis zur tschechischen Grenze nach Heidmühle. Unterwegs besuchten wir einen parkähnlichen Urnenfriedhof mit Teich, sowie den Ort Waldkirchen mit seinem schönen Marktplatz“, bekannt durch die Holzfiguren „Der ewige Hochzeiter“ eine besondere Attraktion. Weiter führte der Weg über eine ehemalige Bahnstrecke von 1910, die 1995 stillgelegt und seit 1994 als Radweg dient. Die Landschaft wechselte von Ackerbau zu Grünland, mit immer weniger Mais aufgrund des raueren Klimas. Übernachtet habe ich auf einem Bauernhof an der Grenze“.

Grenzübertritt und tschechische Etappen

Weiterfahrt bei schönem Wetter am 6. August, dazu wurde eindrucksvoll festgehalten: „Heute überquerte ich die kleine Grenze (nur für Fußgänger und Radler), vorbei an Relikten des Kalten Kriegs wie Wachturm und Stacheldrahtzaun. Das tschechische Grenzland ist heute Teil des grenzübergreifenden Nationalparks Šumava zusammen mit dem Bayerischen Wald. Beeindruckend sind dort auch die Biberdämme“. Die Route führte durch Wälder, kleine Dörfer und riesige Felder nach Vimperk (ehemals Winterberg). „Der nächste Besuch galt der Firma Drevostroj in Ckyne, die in den 1990er Jahren meine Sägewerke auf Lizenz baute“ – so Hans Fritz, der Gründer der Sägewerkstechnik SERRA in Rimsting. Weiter ging es nach Strakonice, einer Stadt mit 22.000 Einwohnern zum Übernachten. „Als ich die vielen tschechischen Seen, sah stellte ich fest, dass es nicht selbstverständlich ist, im Gegensatz zu unseren bayerischen Gewässern, dass alle Seen sauberes Wasser haben. Freizeitmäßig sind sie ungenutzt, kein Steg oder Badehaus ist zu sehen. Das Wasser ist so trüb, dass man kaum 20 cm unter der Wasseroberfläche seine Hand nicht mehr sieht.

In den oft heruntergekommenen Dörfern gab es kaum Gaststätten oder Unterkünfte. Am folgenden Tag standen 67 km nach Pribram (33.000 Einwohner) auf dem Programm und eine Übernachtung im Hotel Belvedere, einem sauberen Plattenbau. „Bei der Erkundung der Stadt, inklusive einer Kunstausstellung mit roten aufblasbaren Stieren, mit denen fast jedes Kind in der Tschechoslowakei aufgewachsen ist, ist ein Symbol der kommunistischen Ära, vergleichbar mit dem Bobby-Car in Deutschland. Damit konnte ich interessante Eindrücke dieser Zeit gewinnen. Die finale Etappe am nächste Tag nach Prag (82 km) führte durch hügeliges Böhmen mit Feldern, Wäldern und Dörfern, teils über unbefestigte Forstwege. Gegen Abend erreichte ich dankbar die berühmte Karlsbrücke, die ständig, gefühlt 1000 Touristen zu tragen hat“.

Aufenthalt in Prag

Drei Nächte im Hotel „Aller“ (ca. 400 m vom Zentrum, 135.- bis 145.- €/Nacht inkl. Frühstück – teurer als die vorherigen 35–45 €) waren die neue Ausgangsbasis.  Eine geführte Tour mit dem Bus zur Burg, die Besichtigung des Parlaments (mit dem Gebäude, von dem 3 Beamte 17 m in die Tiefe geworfen wurden – dem berühmten Prager-Fenstersturz – was den Dreißigjährigen Krieg auslöste), der Gang durch das Judenviertel mit der ältesten Synagoge Europas und eine Moldau-Schifffahrt waren die ersten Stationen. „Prag gehörte 600 Jahre zu Habsburg-Österreich. Mit dem Rad erkundete ich 30 km in und um die Innenstadt. Da ist man schnell weg von den Touristenmassen. Ein gewisser Höhepunkt waren die Biergärten mit Blasmusik, wo ich mit Kolumbianerinnen (Spanisch) und einer Familie aus Taiwan (Englisch) plauderte – Bayern und Tschechen teilen die Biergarten-Kultur“ – so die weiteren Prag-Eindrücke.

Rückreise und unerwartete Wendung

„Kurz vor der Abreise in Prag versagte mir das Internet durch einen Provider-Wechsel von Vodafone zu Telekom seine Dienste, wodurch ich mein “Radl-Navi Komoot“ nicht mehr zur Verfügung hatte. Im Hotel (mit WLAN) fand ich heraus, dass der nächste Telekom-Shop in Cham (nördlicher Bayerischer Wald) liegt. Deshalb fuhr ich knapp 200 km mit dem Zug über Pilsen nach Cham, um das Problem zu lösen. Die finale Etappe, 158 km von Straubing nach Bad Endorf, führte über Dingolfing, Waldkraiburg und Gars am Inn. Abschließend und rückblickend – bleiben mir besonderes die intensive Wahrnehmung der Natur (z. B. Nationalpark, Biberdämme), die Kultur (historische Stätten, Ausstellungen), sowie die unterschiedlichen Begegnungen trotz Regen und Hügeln in Erinnerung.“

Aufzeichnungen der einzelnen Rad-Etappen von Hans Fritz – Zusammenfassung von Anton Hötzelsperger

 Fotos: Hans Fritz – Eindrücke von der Radtour Bad Endorf – Prag und zurück   


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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