Von Michael Hinterstoißer – Wenn wir von der Almgenossenschaft Samerberg sprechen, meinen wir die Wirtsalm, die direkt an der Grenze zu Tirol liegt. Der Begriff Wirtsalm geht auf den früheren Besitzer, den Wirt Pallauf von Törwang zurück, der die Alm 1899 verkaufte und schon Jahre vorher die gut erreichbare und niedrig gelegene Pallaufalm gleich oberhalb von Grainbach kaufte.
Zur Unterstützung der Pinzgauer Zucht erwarben die Viehzuchtgenossenschaften der damals vier Gemeinden auf dem Samerberg mit finanzieller Unterstützung des Zuchtverbandes Traunstein die Alm mit einem Flächenmaß von 34,53 ha. So konnte heuer am 3. Oktober die Almgenossenschaft das seltene Jubiläum mit 120 Jahren gemeinschaftlichem Almbesitz feiern. Die Bauern hatten extra noch das Vieh oben gelassen an diesem kalten Sonntag, damit auch auf den Weideflächen noch almerisches Leben herrschte. Auf den umliegenden Berggipfel war über Nacht etwas Schnee gefallen. Alle Almgenossen waren mit ihren Familien in die alte Almhütte zu Speis und Trank eingeladen, um gemeinsam das denkwürdige Ereignis zu feiern. Johann Weyerer, z. Guggen, 1. Vorsitzender der Genossenschaft, zeigte sich in seiner Begrüßung erfreut über den guten Besuch. Mit einem Geschenk bedankte er sich bei Sepp Stuffer, Moar in Steinkirchen, der als längst gedientes Vorstandsmitglied seit 40 Jahren die Geschicke der Genossenschaft maßgeblich mitbestimmt. Weyerer schilderte anschließend die sehr gut gelungene Renovierung des alten Almkasers, in die viel Geld und Arbeit gesteckt wurde. Das alte Almgebäude, durch das die deutsch- österreichische Staatsgrenze verläuft, erstrahlt nun im neuen Glanz. Davon konnten sich die geladenen Gäste bei einem Rundgang überzeugen. Damit wurde für das Almpersonal eine zeitgemäße Unterkunft geschaffen, während das übrige Gebäude ganzjährig vermietet ist. Mit den Schwierigkeiten einer Grenzbebauung konnte Weyerer schon internationale Erfahrungen sammeln. Als der Grenzstein direkt in der Mitte der Türschwelle zum früheren Stall im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen etwas versetzt werden musste, nahm die Grenzkommission in Wien das Problem in Augenschein und stimmte schließlich zu.
Für die in Österreich liegende Fläche muss der Vorsitzende zwei Förderanträge stellen, um Zuschüsse aus dem ÖPUL und die Ausgleichszulage zu bekommen. Außerdem erfolgt eine eigene Flächenfeststellung nach österreichischem Förderrecht.
Das langjährige Vorstandsmitglied Sepp Stuffer, z. Moar in Steinkirchen hielt einen kurzen Rückblick über seine Erlebnisse in der Verwaltung der Genossenschaft. Er erinnerte sich, dass ihm als junges Vorstandsmitglied angst und bange wurde, als die Altgedienten Vorstände ihre Auseinandersetzungen austrugen. Dabei ging es zwar laut zu, doch der Streit artete nie in persönlichen Beschimpfungen aus, sondern es ging nur um das Wohl der gemeinsamen Alm. Weiter berichtete er, dass für züchterische Zwecke vor und nach der Almzeit die Tiergewichte festgestellt wurden. Das Ergebnis war ernüchternd, als ein Ochs vom Moar im Verlaufe der Weidesaison Gewicht verloren hatte.
Aus der Chronik der Almgenossenschaft, die beim 100-jährigen Jubiläum von Josef Stuffer vorgetragen wurde, ist zu entnehmen, dass der Wirt von Törwang 1806 im abgeholzten Wieserwald 143 Tagwerk kaufen konnte. 1811 baute er eine Hütte, durch die genau in der Mitte die Landesgrenze verläuft. So konnte man im gleichen Raum in Bayern bayerisches Bier und auf Tiroler Boden Tiroler Wein trinken, ohne mit dem Zoll Schwierigkeiten zu bekommen. Bei der Vorliebe der Tiroler für Bier und der wechselseitigen Liebe der Boarn für Rotwein war das sicher ein gutes Geschäft. Bis 1899 trieb der Wirt sein Vieh auf und verkaufte dann die Alm an die speziell für den Kauf gegründete Pinzgauer Zuchtgenossenschaft Samerberg. Nach den Statuten soll die Alm der rationellen Sömmerung von Kalbinnen dienen zur Erreichung eines größeren Viehschlages, der dem Zuchtziel des Verbandes der Reinzucht des Pinzgauer Rindes entspricht.
An den Schankrechten hatte die Genossenschaft zwar eine Einnahme, aber andererseits hat so eine Grenzalm auch ihre Tücken, da jährlich Viehlisten und Gesundheitsatteste geliefert und die Zollformalitäten erfüllt werden mussten. Es ging sogar soweit, dass der Stacheldraht für die Einzäunung der in Tirol liegenden Flächen verzollt werden musste.
Kritische Jahre musste die Genossenschaft in der Not nach dem ersten Weltkrieg überstehen, als bei vielen Familien Männer gefallen waren oder verwundet wurden und zudem Inflation, Unwetterschäden und Tierseuchen das Interesse an der Alm sinken ließen. Durch Zeichnung von Anteilen von je 100 Mark konnte dann in Verbindung mit einer Satzungsänderung die Genossenschaft saniert werden. Von 121 Genossen blieben noch 32 Bauern übrig, die je einen Anteil von 100 Mark zeichneten. Alle übrigen Bauern schieden aus der Genossenschaft aus.
Von 1936 war die Alm an Andreas Seier aus Gerstland und ab 1940 – 48 an Wolfgang Stuffer von Eiding verpachtet. Nach dem 2. Weltkrieg wurde vom Nachbarland Österreich der dort liegende Grund sowie der Hüttenanteil beschlagnahmt und konnte erst nach langwierigen Verhandlungen wieder zurückgekauft werden. Verkaufsabsichten in der Nachkriegszeit, als mit dem Wirtschaftswunder die Hirtenlöhne stiegen und immer noch eine alte Schuldenlast drückte, verzögerten sich aber, weil einige Pinzgauer Züchter glaubten, ihnen würde die Alm automatisch zufallen, wenn alle übrigen Bauern auf Fleckvieh umgestellt hätten. Im folgenden Rechtsstreit wurde diese Meinung jedoch nicht bestätigt, und die Alm wurde auch nicht verkauft. Die Genossenschaftsanteile können nicht verkauft werden, weil sie direkt mit dem Hof verbunden sind und sogar bei der Hofübergabe dort verbleiben müssen.
Als 1968/69 die Forstverwaltung ihr Wegenetz bis zum Schweiberer Mösl ausbaute, bedeutete das eine wesentliche Erleichterung der Bewirtschaftung der Flächen. War früher eine Tagesreise mit dem Pferd notwendig zum Transport der Güter, konnte man nun mit dem PKW nach Feierabend auf die Alm fahren. Damit war auch die Ausgangsbasis für eine Bewirtschaftung ohne Personal geschaffen. In der Folgezeit erfolgte eine komplette Erschließung der Alm. Auf bayerischer Seite wurde 1970 ein neues Almgebäude mit Boxenlaufstall gebaut, das dann sogar als Mustergebäude für Fachexkursionen ausgesucht wurde. Zu den weiteren Investitionen gehörten 2 km neue Zäune, ein Güllegrubenbau mit 55 m³, Ausbringung von Vorratsdünger, Erneuerung der Wasserleitung, Bau einer 7 m³ großen Wasserreserve, Einbau von drei Weiderosten und Pflanzungsmaßnahmen auf den Waldflächen. In der Chronik sind vor allem die Namen Vitus Dräxl, z. Daxer, Franz Bauer, z. Maurerlinder und Michael Staber, z. Zenz vermerkt, die mit ihrer Begeisterung und ihrem Schwung die übrigen Genossen zu diesen Leistungen motivieren konnten und damit eine Blütezeit der Genossenschaft einleiteten, die bis heute angehalten hat. 1987 konnte die Genossenschaft sogar bei Steinkirchen ein vier Tagwerk großes Waldgrundstück kaufen. Selbstverständlich tragen auch die Mieteinnahmen dazu bei, dass die Kassenlage gut ist.
Die Zusammenarbeit zwischen den Landwirten und den Mitgliedern, die die Landwirtschaft aufgegeben haben, klappt gut. Eine Dividende wird zwar nicht ausbezahlt, dafür kann jeder Genosse mit seiner Familie am jährlich stattfindenden Ausflug teilnehmen, der aus der Genossenschaftskasse bezahlt wird. Wer sich für Almarbeiten zur Verfügung stellt, wird dafür entlohnt. Außerdem ist allen bewusst, dass zur Erhaltung der Alm immer die Weidewirtschaft mit dem Vieh der Almgenossen notwendig .
Bericht: Michael Hinterstoißer, vormals Geschäftsführer vom Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern
Vorstände der Almgenossenschaft
Johann Astner, Schmiedemeister
Michael Stuffer, z. Adler
Johann Weyerer, Oberstuff 1936 – 1938
Josef Huber, Bogenhausen 1938 -1953
Josef Bogenhauser, Oberleiten 1953 – 1969
Vitus Dräxl, z. Daxer 1969 – 1979
Franz Bauer, z. Maurerlinder 1979 – 1988
Hans Estermann, z. Hell 1988 – 2003
Paul Stuffer, z. Glasn 2003 – 2012
Hans Weyerer, z. Guggn seit 2012
Daten der Almgenossenschaft
26 Mitglieder, davon 12 Landwirte mit Viehhaltung
34,53 ha Almfläche, davon 11,10 ha Lichtweide in Bayern und 7,3 ha Futterfläche in Tirol
4 Tagwerk Wald bei Steinkirchen
Bestoß: 28-30 Stück Jungvieh von 3 Bauern aus der Genossenschaft
Personal: Georg Wenleder
Aktuelle Vorstandschaft
Johann Weyerer, z. Guggen, 1. Vorsitzender
Josef Stuffer, z. Moar, 2. Vorsitzender und Kassier
Alois Wohlschlager, z. Lusei, Schriftführer
Paul Stuffer, z. Glasn, Holzmeister
Georg Riedl, z. Taler, Beisitzer
Fotos: Michael Hinterstoißer
Die Vorstandschaft der Almgenossenschaft (v. l.): Paul Stuffer, Georg Riedl, Johann Weyerer, Josef Stuffer und Georg Wohlschlager.
Das alte Almgebäude (l.) liegt zur Hälfte in Tirol. Oberhalb vom Weg baute die Genossenschaft 1970 auf bayerischer Seite das neue Gebäude.






