Natur & Umwelt

WWA TS zur Gletscherschmelze

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Der Weltwassertag am 22. März steht unter dem Motto „Glacier Preservation“: Dazu ein Gespräch mit Bernhard Lederer, Leiter des Traunsteiner Wasserwirtschaftsamtes.

Das Eis der Gletscher schmilzt. Nicht nur in Bayern, sondern weltweit. Es gibt Berechnungen, die davon ausgehen, dass bis zum Jahr 2050 jeder zweite Alpengletscher abgeschmolzen istD. Der Weltwassertag am 22. März unter dem Motto „Glacier Preservation“ (Gletschererhalt). Mit dem Blaueisgletscher und dem Watzmanngletscher liegen zwei der letzten vier verbliebenen Gletscher Bayerns im Amtsbereich des Traunsteiner Wasserwirtschaftsamtes. Für Behördenleiter Bernhard Lederer sind sie Sinnbild einer Entwicklung mit vielfältigen Folgen. Für die Arbeit in der Wasserwirtschaft, aber auch für die Menschen in der Region. Ein Gespräch über das Schmelzen der Gletscher, über sinkende Wasserstände, Berghüttenprogramme und das Glück, in einer Voralpenregion zu leben.

Der Blaueisgletscher und der Watzmanngletscher gehören zum Nationalpark Berchtesgaden und liegen beide im Amtsbezirk Ihrer Behörde. Können Sie uns was zum Zustand der beiden Gletscher sagen?

Bernhard Lederer: Um beide Gletscher steht es sehr schlecht. Bereits 2021 zum Zeitpunkt des zweiten bayerischen Gletscherberichts waren vom Blaueisgletscher nur noch rund 5 Hektar Fläche vorhanden, 1820 waren es noch 25 Hektar. Seitdem ist das Eis noch weniger geworden. Laut Experten werden der Blaueis- und der Watzmanngletscher höchstwahrscheinlich bis 2030 verschwunden sein. 

 Hat das Schmelzen der Gletscher Folgen für unsere Region?

Bernhard Lederer: Natürlich sind wir von den Folgen der anhaltenden Schmelze betroffen. Mit ihnen müssen wir uns auseinandersetzen. Als Amt, aber auch jeder einzelne von uns. Watzmann- und Blaueisgletscher beeinflussen den Gebietswasserhaushalt nicht in riesigem Ausmaß, dafür ist ihr Anteil an den Einzugsgebieten viel zu klein. Anders sieht es da schon mit den Gletschern in den Zentralalpen aus, die großen Einfluss zum Beispiel auf die Situation von Salzach und Inn haben. Insgesamt steht das Abschmelzen der Gletscher dafür, dass sich das Klima verändert. Langsam, aber unaufhörlich. Hier wird der Klimawandel für uns alle sichtbar. Schmilzt das Eis, hat dies unter anderem Auswirkungen aufs Wasser, oberirdisch wie unterirdisch. Und das ist natürlich ein Thema der Wasserwirtschaft.

 Veränderungen im Klima hat es immer schon gegeben, könnte man dagegensetzen.

Bernhard Lederer: Das ist richtig. Aber die Veränderungen vollziehen sich in immer kürzer Zeit und fallen immer heftiger aus. Nehmen Sie Starkregenereignisse: Ereignisse wie in Simbach 2016 oder in Berchtesgaden 2021 werden immer häufiger und extremer. Oft mit verheerenden Folgen für Häuser, Infrastruktur und auch für Menschenleben. Umgekehrt gibt es zunehmend trockene Perioden, in denen es zu wenig regnet. Tage mit extremer Hitze nehmen zu. Grundwasserstände gehen zurück. Ganz deutlich lässt sich das im Holzland, nördlich des Inns, beobachten. Hier konnten wir bereits über viele Jahre hinweg ein stetiges Absinken des Grundwasserstandes feststellen. Erst mit dem überdurchschnittlich feuchten Jahr 2024 hat sich die Situation wieder etwas entspannt, wobei das das Defizit der letzten Jahre nicht ausgeglichen hat.

 Wenn die Gletscher weiter abschmelzen, was bedeutet das konkret für die Menschen, die hier leben?

Bernhard Lederer: Da muss man differenzieren: Die Alpengletscher insgesamt sind Teil eines weltweiten Gesamtszenarios. Fallen sie als Schmelzwasser-Lieferanten weg, wird man das am niedrigeren Wasserstand bestimmter Gewässer merken. Hier bei uns werden insbesondere der Inn und die Salzach in der heißen, trockenen Jahreszeit von verschiedenen Gletschern gespeist. Grundsätzlich lässt sich sagen: Je niedriger der Wasserstand eines Gewässers ist, umso eher und höher steigt dessen Temperatur. Je wärmer ein Gewässer ist, umso geringer ist sein Sauerstoffgehalt. Das wiederum bringt die Fischfauna in Gefahr. Hinzu kommt: Das Wachstum von Algen wird begünstigt, Wasserpflanzen wachsen schneller, Probleme mit der Wasserqualität nehmen zu. Diese Kausalkette lässt sich fortsetzen: Der Wasserstand in Flüssen hängt mit dem Grundwasserspiegel zusammen. In Folge ist ein Absinken der Grundwasserstände zu befürchten.

 Das ist keine gute Nachricht, denn in Bayern basiert die Wasserversorgung vor allem auf dem Grundwasser.

Bernhard Lederer: Ja, so ist es. Zum Glück ist die Situation bei uns noch nicht kritisch. Noch gibt es genügend Trinkwasser. Nichtsdestotrotz: Es gibt bereits heute Anfragen, Brunnen an Alternativstandorten und etwas tiefer anzulegen, weil die Grundwasserstände zurückgehen. Dabei gilt es auch an die Landwirte zu denken: Starkregen und Überschwemmungen auf der einen Seite, Trockenheit und niedrige Grundwasserstände auf der anderen Seite machen es ihnen und ihrer Produktion von Lebensmitteln schwer. Um die Ernährung der Menschen sicherzustellen, werden Bewässerung und eine sichere Wasserversorgung die großen Themen der Zukunft sein.

 Wie sind Sie am Wasserwirtschaftsamt Traunstein davon betroffen?

Wenn es zum Beispiel um die Trinkwasserversorgung auf Berghütten geht, sind wir involviert. Oft ist diese in Menge und Qualität nicht mehr ausreichend vorhanden. Wenn eine Gemeinde einen Anschluss einer Berghütte für eine sichere Trinkwasserversorgung plant und baut, dann können wir das als Vertreter des Freistaat Bayern teilweise finanziell fördern. Dafür gibt es das Sonderförderprogramm „Berghütten“ für Regionen in über 1000 Meter Höhe.

 Was kann die Wasserwirtschaft positiv beitragen?

Bernhard Lederer: Eine nachhaltige, zukunftssichere Wasserwirtschaft ist unerlässlich. Denn wir machen die Zustände sichtbar: Wir liefern Messdaten, beispielsweise zu Wassertemperaturen, Grundwasserständen und Abflüssen bei Hochwasser. Viele dieser Daten sind online abrufbar, etwa beim Hochwassernachrichtendienst oder dem Niedrigwasser-Informationsdienst Bayern. Gerade mit Blick auf die Zukunft muss man wissen, dass wir die Wasserentnahmen durch Wasserversorger, Privatpersonen, Landwirtschaft und Gewerbe in unserem Amtsbezirk im Rahmen von Genehmigungsverfahren begutachten. Nur wenn Balance herrscht zwischen Entnahme und Neubildung, bleiben die Grundwasserstände stabil. Natürlich passen wir unsere Arbeit an die veränderten Bedingungen an. So planen wir bei unseren ökologischen Projekten, beispielsweise beim Umbau des Wehres an der Isen in Winhöring in eine fischdurchgängige Sohlgleite stets eine Niedrigwasserrinne im Gewässer ein. Das ist wichtig, damit die Anlage funktionsfähig bleibt, wenn es wenig Wasser gibt. Nur so ist das Überleben von Fischen und anderen Lebewesen gesichert. Ein anderes Beispiel ist die Verschattung unserer Flüsse durch Bäume. Baumpflanzungen spielen eine immer größere Rolle bei unseren Maßnahmen.

Die Folgen des Klimawandels haben sicher auch Einfluss auf die Hochwasserschutz-Projekte?

Bernhard Lederer: Ganz klar. In ganz Bayern werden Maßnahmen zum Hochwasserschutz schon jetzt mit einem sogenannten Klima-Zuschlag von 15 Prozent gebaut. Das bedeutet, dass wir unserer Hochwasserschutzanlagen nicht nur auf ein hundertjährliches Hochwasser auslegen, sondern nochmal 15 % oben draufpacken. Damit berücksichtigen wir zukünftige Änderungen und stärkere Hochwasser bereits heute.

 Wagen Sie einen Ausblick in diese Zukunft?

Bernhard Lederer: Wassersicherheit, Trinkwasserversorgung und der Umgang mit einer steigenden Zahl von wetterbedingten Schadensereignissen gewinnen weiter an Bedeutung. Die Programme der bayerischen Wasserwirtschaft wie die „Wasserzukunft Bayern 2050“ zeigen uns den Weg, wie wir unsere Arbeit an die Phänomene des Klimawandels anpassen können und müssen. Es muss uns allen bewusst sein: Wasser ist Leben. Dass es nicht unendlich verfügbar ist, zeigt sich wie im Brennglas an der Gletscherschmelze. Wo es gelingt, müssen wir die Gletscher schützen und bewahren. Wie unser Wasser.

Bericht: WWA Traunstein

Blaueisgletscher: Der Blaueisgletscher ist der nördlichste Gletscher der Alpen. Er liegt in der Kernzone des Nationalparks Berchtesgaden. In wenigen Jahren wird er verschwunden sein. Foto: Nationalpark Berchtesgaden

Watzmanngletscher: Auch der Watzmanngletscher liegt im Gebiet des Nationalparks Berchtesgaden. Schon heute ist er kaum mehr als Gletscher zu erkennen – und sein Abschmelzen schreitet weiter voran. Foto: Professor Dr. Wilfried Hagg

Behördenleiter Bernhard Lederer / WWA

 


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