Mit der elektronischen Patientenakte (ePA) beginnt eine neue Ära in der Gesundheitsversorgung. Auf Einladung der Breitbrunner Senioren-Beauftragten Martina Wagner informierte Judith Häusl, Direktorin einer großen Allgemeinen Krankenkasse, interessierte Bürger in der Chiemseehalle über das bundesweite Einführungsprojekt.
Die Veranstaltung von Arbeiterwohlfahrt (AWO) und einer großen Krankenkasse stieß auf reges Interesse und lockte zahlreiche Besucher in die Chiemseehalle. „Die ePA soll für Betroffene mehr Durchblick in der Versorgung sowie eine Stärkung der Patientensouveränität bringen“, erklärte Häusl gleich zu Beginn ihres Vortrags. Mit der ePA können künftig zum Beispiel Hinterlegung von Befunden, Abrechnungsdaten der Krankenkassen, Zugriffskontrolle und Berechtigungsmanagement sowie e-Rezept und e-Medikation zentral gespeichert und von den behandelnden Ärzten eingesehen werden – sofern die Patienten dem zustimmen. Ziel sei es, Doppeluntersuchungen zu vermeiden, Therapien besser abzustimmen und die Sicherheit der Medikation zu erhöhen.
Freiwilligkeit und Datensouveränität im Zentrum
Ein wichtiger Aspekt der Einführung sei das sogenannte Opt-out-Verfahren: Die Krankenkassen haben inzwischen für alle ihre Versicherten eine elektronische Patientenakte angelegt. Wer keine Nutzung wünschte, konnte dem widersprechen – und könne dies auch weiterhin jederzeit tun. Bei ihrem Arbeitgeber lag die Widerspruchsquote bei lediglich knapp unter fünf Prozent. „Das zeige, dass viele Versicherte den Nutzen der ePA erkennen und bereit sind, sich auf die neue digitale Infrastruktur einzulassen“, so die Direktorin. Zwar behalten der Versicherte die volle Kontrolle über die Nutzung der ePA – wer auf welche Daten zugreifen darf, bestimme er selbst –, doch die technische Entwicklung steht noch am Anfang, erklärte Häusl den Zuhörern. Die Möglichkeit, einzelne Dokumente gezielt zu sperren, gar zu löschen oder für sich selbst zurückzuhalten, ist derzeit noch nicht umgesetzt, solle aber in einer späteren Ausbaustufe folgen, so ein Fazit der Referentin.
Verzögerungen in der Umsetzung: Wo es noch hakt
Es werde noch einige Zeit dauern, bis sich die neuen Prozesse in den Arztpraxen und Kliniken eingespielt haben, erklärt Häusl. „Es sei bedauerlich, so die Direktorin, dass die Nutzung der ePA durch die Ärzteschaft – trotz gesetzlichem Startschuss – weiterhin freiwillig sei“. Ein Grund dafür sei unter anderem, dass verschiedene Hersteller von Praxisverwaltungssystemen die dazu notwendige technische Anbindung an die ePA noch nicht umgesetzt haben, so ein Wermutstropfen. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, appelliert Häusl. Alle Akteure im Gesundheitswesen – von IT-Anbietern über Praxisteams bis hin zu Krankenkassen – müssten jetzt zügig und lösungsorientiert zusammenarbeiten, damit möglichst bald alle gesetzlich Versicherten von den Vorteilen der ePA profitieren können“,schlägt die Referentin vor.
Unterstützung für Versicherte vor Ort
Natürlich sei die Nutzung der ePA für viele Menschen Neuland, ist sich Häusl bewusst. „Aber, wir lassen unsere Versicherten mit der neuen Technik nicht allein“, betonte die Direktorin. Betroffene, welche die App nicht selbst bedienen können oder auch wollen, dürfen eine Vertrauensperson – etwa zum Beispiel Angehörige – zur Verwaltung ihrer ePA bevollmächtigen. Zudem unterstützt der Krankenversicherer mit kompetenter Beratung in rund 200 Geschäftsstellen. Dort erhalten Interessierte persönliche Hilfe und Informationen zur Handhabung.
Offene Fragen und große Resonanz
Im Anschluss an den Vortrag wurde lebhaft diskutiert. Viele Fragen zielten auf konkrete Anwendungsszenarien und Datenschutzaspekte ab. Der Vorsitzende des AWO-Ortsvereins, Lorenz Ganterer, auch er war unter den Gästen, zeigte sich im Gespräch mit der Chiemgau-Zeitung zufrieden. „Die Veranstaltung habe deutlich gemacht, wie groß der Informationsbedarf zur ePA sei. Umso wichtiger ist es, mit seriöser Aufklärung Vertrauen zu schaffen.“
Bericht und Bild: Tschali Wastl – Senioren-Beauftragte Martina Wagner (links) überreicht an Krankenkassen-Direktorin Judith Häusl zum Dank ein kleines Präsent.




