Leitartikel

Trachten-Gipfeltreffen in Südtirol

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Vallarsa/Ostallgäu/Füssen  – Tracht und Mundart: unnützer Ballast oder wertvolles Privileg? Beim „Ersten Gipfeltreffen der Trachtenvereine des Alpenraums“ trafen sich Spitzenrepräsentanten der vier Verbände aus Bayern, Tirol, Südtirol und dem angrenzenden Trentino. Bei diesem zweitägigen Symposium tauschten die Vertreter der Landesverbände im Trientiner Vallarsa (zu Deutsch Brandtal) ihre Erfahrungen aus und diskutierten Zukunftsperspektiven. Die Südtiroler sollen zum nächsten Treffen eingeladen werden, die Bayern und Tirol veranstalten.

Eingeladen hatte Hugo-Daniel Stoffella. Der Jurist, Betriebswirtschaftler, Journalist und Historiker ist Leiter des Dokumentations- und Kommunikationszentrums der Sprachminderheiten in den Alpen (DoKoSA) und Vorstand des Kultur- und Trachtenvereins der Laimpachtaler Zimbarn. Sie pflegen eine der letzten altbaierischen Sprachen in diesem Seitental, das sich 20 Kilometer östlich von Rovereto entlang des Laimbachs in die Berge hinaufschlängelt. Dort erreicht man am Fuße des Kaiserjägerberges den Berg Pasubio, der an der im Jahr 1916 heftig umkämpften alten Grenze des historischen Tirols zur Provinz Trentino liegt. Die Laimpachtaler Zimbarn pflegen seit Jahren eine Partnerschaft mit dem Füssener Trachtenverein Almrausch. Zu dem Symposium hatte Stoffella die Füssener eingeladen, die mit einer achtköpfigen Abordnung die Veranstaltung in Vallarsa wie auch das dortige traditionelle, zimbrische Holzhackerfest „Ganzega“ mit packenden Einlagen begleiteten.

Empfangen wurden die Tagungsteilnehmer im historischen Hauptort Pleif der Gemeinde Brandtal im Sitzungssaal des DoKoSA, der ehemaligen Dorfschule. Unmittelbar nach der Begrüßung durch Vizebürgermeister Massimo Plazzer kam Christian Ferstl zum Thema. In seinem Impulsreferat „Tracht und Mundart – unnützer Ballast oder wertvolles Privileg?“ belegte Ferstl, Vorsitzender der „Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft zur Pflege der Mundart und zur Förderung der bayerischen und deutschen Dialektforschung“ die mannigfache Werthaltigkeit von Tracht und Mundart (siehe eigener Kasten).

Beim anschließenden Runden Tisch appellierte die Vorsitzende des Trientiner Trachtenverbandes „FederReti‘“, Marina Mattarei, sowohl die Tracht als auch die Mundart weiter zu pflegen: „Wichtig ist, das Feuer wach zu halten, nicht die Asche anzubeten!“ Hermann Kurz, Mitglied im Vorstand des Tiroler Landestrachtenverbandes, pries das Fotobuch an „Die Trachten Tirols“. Es zeige mit reicher Bebilderung die Tracht als Ausdruck Tiroler Identität. Der Bayerische Trachtenverband war mit zwei Chefs angetreten. Landesvorsitzender Günter Frey aus dem Marktoberdorfer Ortsteil Sulzschneid betonte, ganz wichtig sei für die Vereine ihre Tracht, aber auch die Mundart. „Das ist nichts für alle Leit, es ist aber kein Ballast, wir müssen das jeden Tag leben, anziehen, sprechen“. Landes-Ehrenvorsitzender Max Bertl aus Wildsteig im Pfaffenwinkel erinnerte sich an seinen früheren Besuch hier bereits im Jahr 2013. Die Jugend, zeigte sich Bertl überzeugt, sei begeisterungsfähig, „man muss es nur richtig angehen“.

Hugo-Daniel Stoffella bekräftigte, dass auch die Südtiroler Arbeitsgemeinschaft „Lebendige Tracht“ die Mundart als wichtigen Faktor ansehe. Dass Tracht wie auch Mundart durchaus auch bei jungen Menschen angesagt seien und im Trend liegen, zeige das Beispiel des 19-jährigen Almrausch-Vorplattlers Tom Dill. Er stellte die 115-Jahr-Vereinschronik vor, die er in Form eines reich bebilderten Buches im Vorjahr veröffentlicht hatte. Nach der feierlichen Übergabe der Partnerschafts-Fahnenschleife durch Stoffella an Almrausch-Chef Richard Dill rissen gegen Samstagnachmittag und bis in die Nachtstunden hinein die Füssener Almrauschtrachtler mit Tänzen, Löfflern und Schuhplattlern die einheimische Bevölkerung zu begeistertem, aktivem Mitmachen hin. Das bereits 34. Holzhackerfest im Ortsteil Camposilvano am Sonntag rundete dieses erste Gipfeltreffen ab.

Vom Impulsreferat Ferstl:

Identitätsstiftend sind Tracht als optisches Kriterium und Dialekt als akustisches Kriterium, meint Ferstl. „Tracht und Mundart reichen sich sozusagen die Hand“. Aufgrund der Globalisierung hat sich eine Einheitssprache ergeben, der allerdings die Chancen der Vielfalt gegenüberstehen. Mundart stellt einen Mehrwert zur Standartsprache dar. Die Trachten- und Heimatvereine seien gefordert, das Gespür für echte Tracht und reinen Dialekt zu fördern und wachzuhalten.

Bericht und Fotos : Anton Reichart  

– Runder Tisch alpenländischer Trachtenverbände beim Ersten Gipfeltreffen in Vallarsa/Trentino mit (von links) Vallarsas Vizebürgermeister Massimo Plazzer, Dialektforscher Christian Ferstl, Südtirols Gastgeber Hugo-Daniel Stoffella, Trentiner Trachtenverbandschefin Marina Mattarei, Hermann Kurz vom Tiroler Verbandsvorstand, Bayerischer Landesvorsitzender Günter Frey und dessen Vorgänger und Ehrenvorsitzender Max Bertl.

– Die Chefs der alpenländischen Trachtenvereine (von links): Max Bertl, Marina Mattarei, Hugo-Daniel Stoffella, Hermann Kurz, Günter Frey.

– Tracht und Mundart auch bei jungen Menschen angesagt:  Der 19-jährige Tom Dill vom Almrausch Füssen und die ebenfalls 19-jährige Anita von den Laimpachtaler Zimbarn pflegen gemeinsam den gemütlichen wie auch kommunikativen Tanz auf dem Dorfplatz in Vallarsa.

 


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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