Kultur

Tauriska: Ausstellung in der Berchtoldvilla

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Wenn das Große zu groß wird – Gedanken zur Ausstellung „8 Milliarden“ in der Berchtoldvilla

Wie macht man acht Milliarden Menschen erfahrbar? Die aktuelle Ausstellung in der Berchtoldsvilla findet dafür ungewöhnliche und poetische Wege: Fingerabdrücke, Hirsekörner, Tränen, Körperhaare oder auch Pfefferkörner – jedes Objekt ein Symbol für die unvorstellbare Zahl, die unsere globale Gegenwart prägt.

Kuratiert wurde die Ausstellung mit großer Sensibilität und künstlerischem Gespür von Andrea Lacher-Bryk und Rupert Gredler, die den Raum nicht nur mit Werken, sondern mit Gedanken und Fragen gefüllt haben. Unterstützt werden sie dabei von Renate Lukasser, Präsidentin der Berchtoldsvilla, die mit viel Engagement dieses kulturelle Juwel Salzburgs leitet und kontinuierlich mit Leben erfüllt. Im Rahmen der Ausstellung sprachen Susanna und Christian von der Leopold Kohr Akademie und dem Kulturverein TAURISKA über die Verbindung von Kunst, Gesellschaft und der Philosophie Leopold Kohrs – und spannten dabei einen weiten, ebenso inspirierenden wie nachdenklich stimmenden Bogen.

Bereits beim Betreten der Ausstellung wurde den beiden klar: Diese Werke sind keine bloße Ästhetik, sie sind Stellungnahmen. Die zentrale Frage lautet: Wie viel Mensch verträgt die Welt? Und wie kann das Individuum in einer Welt mit acht Milliarden Seelen sichtbar und gehört bleiben? Kohrs Philosophie vom „menschlichen Maß“, sein Credo „Small is beautiful“, wurde dabei zum roten Faden. Kohr – gebürtig aus Oberndorf bei Salzburg, ein Denker mit Welterfahrung und feinem Humor – warnte früh vor den Risiken von Überdimensionierung. Sein Gegenvorschlag: überschaubare Strukturen, regionale Verantwortung, entschleunigtes Leben – und vor allem: Vertrauen in das Potenzial kleiner Einheiten.

Wie gelebte Regionalität heute aussehen kann, zeigten die Vortragenden anhand konkreter Beispiele aus dem Pinzgau: etwa die Bramberger Obstpresse, bei der jeder sein eigenes Obst verarbeiten lassen kann – transparent, nachhaltig und gemeinschaftlich. Oder ein Schulprojekt, bei dem Schüler:innen eigene Obstbäume pflanzen und pflegen – und damit buchstäblich Wurzeln schlagen. Auch das Kohr-Café, ein modernes Pendant zum „akademischen Wirtshaus“, bringt Menschen regelmäßig zusammen – nicht hinter Professorentischen, sondern an Stammtischen, in Museen, Wirtshäusern oder bei einer Knödelrunde. Ein Raum für Austausch, Bildung und gegenseitiges Zuhören – ganz im Sinne Kohrs.

Zurück zur Ausstellung: Besonders eindrücklich wurde das Werk „UnGleichheit“ beschrieben – zehn Elefantenkühe, gefangen im Stacheldraht, ihr Gewicht entspricht der Zahl acht Milliarden. Ihnen gegenüber: eine zarte Feder. Ein berührendes Bild für die Überfrachtung unserer Systeme, das Eingeschlossensein im Übermaß – und für das, was auf der Strecke bleibt, wenn das Gleichgewicht verloren geht.

Doch der Vortrag endete nicht düster, sondern mit einem klaren Appell: Mut zur Reduktion, zur richtigen Größe, zur Rückbesinnung auf das Wesentliche. „Wo immer etwas zu groß ist – zerbricht es“, zitierte Christian Vötter den Philosophen Kohr. In Zeiten von Klimakrise, Ressourcenmangel und gesellschaftlicher Überforderung sei dies keine romantische Träumerei, sondern ein realistischer Weg in eine nachhaltigere Zukunft.

Fazit:
Die Ausstellung „8 Milliarden“ in der Berchtoldsvilla – sorgfältig kuratiert von Andrea Lacher-Bryk und Rupert Gredler und getragen von der beherzten Arbeit von Renate Lukasser – ist mehr als ein Kunstprojekt. Sie ist ein Denkraum. Der begleitende Vortrag von der Leopold Kohr-Akademie/TAURISKA machte eindrucksvoll deutlich: Die Antwort auf die Komplexität unserer Zeit liegt vielleicht nicht im Größerwerden, sondern im bewussten Verkleinern. Ein stiller, starker Impuls – aus dem Herzen der Kultur für eine Welt im Wandel.

Bericht und Fotos: Verein Tauriska, Leopold Kohr-Akademie


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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