Hollywood-Star Christoph Waltz erzählt im Großen Festspielhaus den Ödipus-Mythos – Strawinskys „Oedipus Rex“ und Berlioz‘ „Symphonie fantastique“ bei den Festspielen als Publikumsmagnen – Von Daniella Rieger-Böhm
Es war das erste Konzert der Wiener Philharmoniker, und gemeinsam mit den Salzburger Festspielen widmeten sie dieses Eröffnungskonzert dem am 17. Juni 2025 verstorbenen österreichischen Pianisten und Essayisten Alfred Brendel (geb.1931). Das monumentale Opern-Oratorium „Oedipus Rex“ nach der antiken Tragödie Oidipus tyrannos von Sophokles, komponiert von Igor Strawinsky (1882-1971), setzte im ausverkauften Großen Festspielhaus konzertant neue Maßstäbe. Wie bei „Kassandra“, ebenfalls bei den diesjährigen Salzburger Festspielen aufgeführt (wir berichteten), geht es um Macht und Unglauben dem Orakel gegenüber, welches folgendes voraussagt: Königssohn Ödipus wird, ahnungslos, seinen Vater Laios töten und dann seine Mutter Jokaste heiraten.
Strawinsky und sein Librettist, der französische Dramatiker Jean Cocteau, ließen die Gesangstexte von dem Theologen Jean Daniélou ins Lateinische übersetzen. Der Komponist wollte damit dem Werk einen religiös-monumentalen Charakter verleihen. Wissend, das den meisten Zuhörern diese Sprache fremd ist, schaffte er damit eine Distanz, die er durch die Rolle des Erzählers wieder minimierte. Der Sprecher erklärt in der jeweiligen Landessprache die Handlung im Voraus.
Diese Aufgabe übernahm am Sonntagvormittag der gebürtige Wiener und Oscar-Preisträger (Inglourious Basterds (2009) und Django Unchained (2012), jeweils unter der Regie von Querentin Tarantino) Christoph Waltz. Er begann mit den Worten: „Verehrte Zuseher, Sie hören nun eine lateinische Fassung von König Ödipus. Damit Sie ihre Ohren und Ihr Gedächtnis jedoch nicht zu sehr anstrengen, werde ich Ihnen die Tragödie nach und nach in Erinnerung rufen.“ Mit gewollt „teilnahmsloser“ Stimme verkündete er die Handlung der jeweils kommenden Szene. Man hätte sich mehr von Waltz‘ stimmlicher Wandelbarkeit gewünscht, doch ist seine Rolle durch Strawinsky und Cocteau auf eine „neutrale“ Haltung festgelegt.
Die Sänger Allan Clayton (Tenor) als Ödipus, Marina Viotti (Mezzosopran) als Jokaste (Ödipus‘ Mutter), Michael Volle (Bass-Bariton) als Ödipus‘ Schwager Kreon und Bote, Antonin Rondepierre (Tenor) als Hirte und Albert Dohmen (Bass) als Seher Teiresias gingen in ihren Rollen stimmlich und darstellerisch vollends auf. Ein Hochgenuss! Hervorragend auch die „Kommentare“ des Chors: Achtzig Herren des Wiener Singvereins (Einstudierung: Johannes Prinz) gestalteten sie sprachlich wie musikalisch überaus eindrucksvoll. Die rhythmisierende Verwendung des Lateinischen in „Oedipus Rex“ mag manche Konzertbesucher an Carl Orffs „Carmina Burana“ erinnert haben, doch entstanden diese zehn Jahre nach Strawinskys Werk.
Für den erkrankten Schweizer Dirigenten Lorenzo Viotti (35) war kurzfristig der Finne Esa-Pekka Salonen (67) eingesprungen und meisterte seine Aufgabe bravourös. Gemeinsam mit den Wiener Philharmonikern schuf er magische Momente voller Intensität, sowohl mit Strawinskys „Oedipus Rex“ als auch bei der „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz. Die fünf Sätze der Sinfonie erzählen fiktive Stationen im Leben eines Künstlers, dessen unerfüllte Liebe zu einer Frau, ihre Ermordung und seine Bestrafung: „Träumereien, Leidenschaften“, „Ein Ball“, „Szene auf dem Land“, „Gang zum Richtplatz“, „Hexensabbat“. Berlioz verarbeitete die Gefühle für die Geliebte als „idée fixe“.
Farbenreich und präzise folgten die Wiener Philharmoniker und ihre Orchester-Solisten (Oboe, Klarinette und Flöte) dem feinen und geschmeidigen Dirigat von Salonen. Das Publikum bedachte die Interpretation beider Werke mit enthusiastischem Beifall, Bravo-Rufen und stehenden Ovationen.
Fotos: Marco Borrelli – Salzburger Festspiele – Christoph Waltz fungierte als erzählender Sprecher an der Seite der Wiener Philharmoniker






