„Der Tod probt mit“ – Erste Einblicke in den Bayerischen Jedermann auf dem Neubeurer Marktplatz
Die Mittagssonne brennt auf den historischen Marktplatz von Neubeuern, doch niemand denkt ans Aufgeben: Über hundert Mitwirkende – in Seide, Samt und Lederhosn – proben mit vollem Einsatz für ein ganz besonderes Theaterereignis: „Der Bayerische Jedermann“ kehrt zurück nach Neubeuern. Bereits zum sechsten Mal bringt die Theatergemeinschaft das preisgekrönte Mysterienspiel auf die Bühne – lebendig, bayerisch, mitreißend.
(Karten im Vorverkauf über München Ticket).

„Mia g’frein uns narrisch!“ Mit einem Strahlen im Gesicht präsentieren drei Mitwirkende das offizielle Plakat zur diesjährigen Freilichtaufführung von Der Bayerische Jedermann. Die Vorfreude ist greifbar – nicht nur bei den Darstellerinnen, sondern im ganzen Ort. Ab dem 29. Juli wird der Neubeurer Marktplatz wieder zur großen Bühne für ein außergewöhnliches Theatererlebnis, das Herz, Tiefe und bairischen Humor vereint.
Heinz Baumgartner hat die Gesamtleitung und die Regisseure Andreas Wiedermann und Sophie Binder stehen mitten im Trubel, zwischen Spitzentanz, Blasmusik und dem blanken Tod. „Jedermann“ Bernd Eutermoser – sonst als Dirigent der Musikkapelle Neubeuern bekannt – ringt auf der Bühne um sein Leben, seine Buhlschaft (gespielt von Susanne Schörghuber, Internatsleiterin auf Schloss Neubeuern) wirft sich ihm mit großer Geste an die Brust, während der Teufel in Lack und Lederstiefeln auf dem Podium tobt. Johanna Krinninger spielt ihn wild, bedrohlich, mit spürbarem Vergnügen. Auf der Gegenseite: Engel in barfüßiger Anmut – eindringlich still und von Kindern flankiert.

Große Gefühle auf offener Bühne: In einer emotionalen Schlüsselszene umarmt die Buhlschaft (Susanne Schörghuber) ihren Jedermann (Bernd Eutermoser) mit leidenschaftlicher Geste – mitten auf dem Neubeurer Marktplatz. Während um sie herum das bunte Treiben der Gesellschaft tobt, verdichtet sich zwischen den beiden die ganze Tragik und Schönheit des Lebens. Ein Moment, der erahnen lässt, wie intensiv der „Bayerische Jedermann“ 2025 das Publikum berühren wird.
Zwischen den Szenen wird gelacht, korrigiert, geschwitzt. Der Tod hat Durst, der Teufel lacht in der Pause, ein Tubist stimmt noch einmal leise sein Instrument. Doch sobald der Regisseur die Hand hebt, wird es ernst – die Bühne wird zum Leben. Was sich hier gerade erst formt, hat das Potenzial, das Publikum zu überwältigen.

Zwischen Wirtshausrausch und Lebensbilanz: Während sich „Jedermann“ (Bernd Eutermoser) im Zentrum der Szene mit dem Gesellen auseinandersetzt, füllen Bläser in Lederhosen und Darsteller an reich gedeckten Tischen den Marktplatz mit bayerischem Leben. Diese Szene zeigt eindrucksvoll, wie Musik, Mundart und Schauspiel beim „Bayerischen Jedermann“ zu einem mitreißenden Gesamtkunstwerk verschmelzen.
Das Spiel basiert auf Hofmannsthals „Jedermann“, wurde jedoch von Oskar Weber bayerisch gefärbt und regional verwurzelt. Es verwebt große Fragen mit bairischer Lebensart, Dramatik mit Komik, Moral mit Musik. Besonders: Der Schauplatz ist keine Bühne, sondern der Marktplatz selbst. Die Kulisse – eine gemalte Schlossfassade – verschmilzt mit dem Ort, dem Dorf, den Menschen.

Wut in Lackstiefeln: Der Teufel (Johanna Krinninger) tritt das rote Gewand mit Verachtung davon – der Glaube (Miriam Thoma) bleibt ungerührt. Ein Moment purer Konfrontation. Zwischen Verdammnis und Erlösung – Der Teufel tobt über den Marktplatz. Wenn der Teufel auftritt, bleibt kein Zweifel: Der „Bayerische Jedermann“ in Neubeuern ist kein braves Freilichttheater, sondern ein packendes Spektakel. In knallrotem Korsett, mit Stiefeln wie aus der Unterwelt und wilder Mimik fegt Johanna Krinninger als personifizierte Versuchung über die Bühne – ein wütender, zynischer Gegenpol zum klaren Licht der göttlichen Ordnung. In einer eindrucksvollen Szene stellt sie sich der Gestalt des Glaubens entgegen – weiß gewandet, ruhig, unbeirrbar. Das kraftvolle Wechselspiel zwischen den beiden Darstellerinnen gehört zu den intensivsten Momenten der gesamten Aufführung. Hier geht es nicht nur um das Seelenheil des Jedermann, sondern um den uralten Kampf zwischen Gut und Böse, Versuchung und Vergebung, Hochmut und Demut. Hinter den Darstellern: Ministranten, Engel, Kinder – eine ganze Gemeinschaft, die mitspielt, mitfühlt, mitträgt. Diese Mischung aus tiefem Ernst und barocker Übertreibung ist es, die dem Mysterienspiel seinen unverwechselbaren Charakter verleiht. Man spürt: Die Geschichte ist alt – aber das, worum es geht, ist aktueller denn je.
Heinz „Klarei“ Baumgartner, Motor der Inszenierung, schwärmt: „Des is koa Theaterverein, des is a Gemeinschaftsleistung von Neubeuern – vom Bühnenmaler bis zur Bläserin.“ Das merkt man. Die ganze Dorfgemeinschaft ist eingebunden, mit Herz, Hirn und Hand. Auch Bürgermeister Christoph Schneider, der die Schirmherrschaft übernommen hat, ist mittendrin – samt dem augenzwinkernden Versprechen, sich „bei den oberen Behörden“ für gutes Wetter einzusetzen.

Höllenwut trifft Himmelslicht: Vor den Augen betender Kinder schleudert der Teufel seine Anklage in die Welt. Doch das Licht schweigt – und bleibt standhaft.
Wer den Jedermann 2018 im Münchner Brunnenhof gesehen hat, weiß, was Neubeuern kann. Nun kehrt das Werk dorthin zurück, wo es hingehört: auf den Neubeurer Marktplatz, zwischen Kirche, Gasthaus und Geschichte. Es wird gespielt, was alle angeht: das Leben, das Sterben, das Hoffen.

Kurze Verschnaufpause – großes Strahlen: In der Rolle der Buhlschaft bringt Susanne Schörghuber nicht nur Glanz auf die Bühne des Neubeurer Marktplatzes, sondern auch Charme und Tiefe ins Spiel. Hier zeigt sich die Hauptdarstellerin in einer seltenen ruhigen Minute – mitten im Trubel der Proben, aber mit spürbarer Vorfreude auf die Premiere des Bayerischen Jedermann.
Spieltermine & Tickets:
29. Juli bis 7. August 2025
Bei schlechtem Wetter gibt es Ersatztermine. Karten im Vorverkauf über München Ticket und in der Gästeinfo am Marktplatz Neubeuern.
Kartenbestellung hier bei München Ticket
Theaterbesuch für Menschen mit Behinderung
Ein Behindertenparkplatz am Münchner Tor, weitere auf dem Parkplatz P1 Schlossstraße 4. Von dort etwa 300 m zum Marktplatz. Wenn Sie keinen Parkplatz benötigen, können Sie direkt am Salzburger Tor aussteigen.
Aufführungstermine
Insgesamt werden 6 Aufführungen durchgeführt.
29. / 31. Juli sowie 1. / 4. / 5. und 7. August
Sollte die Vorstellung aufgrund schlechten Wetters ausfallen, sind die Ersatztermine jeweils am nächsten veranstaltungsfreien Tag.
Tagesaktuelle Informationen sind an den Spieltagen online einzusehen oder unter der Rufnummer 0152 28212558 zu erfragen.
Vorstellungsbeginn / Einlass
Die Vorstellungen beginnen jeweils um 20:30 Uhr, Einlass erfolgt ab 18:30 Uhr.
Weitere Informationen auf der Webseite der Theatergemeinschaft Neubeuern.
Text & Fotos: Rainer Nitzsche




















