Anton Cajetan Adlgasser neu entdeckt – Johanni-Konzert von der Gregorianik bis heute
Verbindet man die gegenwärtige Definitionslinie des Musiksommers „Musik, Architektur, Landschaft“ mit der (musik-)geschichtlichen des Programms, dann ergibt sich die Form eines Kreuzes, das das Johanni-Konzert in der Pfarrkirche St. Michael in Inzell unter der Leitung von Patrick Pföß symbolisiert. Am Schnittpunkt der beiden gedachten Balken können die drei Werke von Anton Cajetan Adlgasser (1729-1777) als Widmungsträger des Konzerts gelten. Seine dreisätzige Sinfonia in G-Dur für zwei Hörner und Streicher werde seit ihrer Entstehung vermutlich zum ersten Mal wieder aufgeführt, erklärte Musikwissenschaftler Bernhard Kübler in seiner Einführung. Delikate Streicherklänge umschmeichelten hier die Hörner (Josef Schillinger und Kuan-Ling Lin) mit ihren dunklen Klängen in den Ecksätzen.
Beim würdigen Anfang machte der Kirchenchor Siegsdorf die Bitte in Adlgassers Hymnus „Du großer Himmel, gib mir Stärke“ eindrucksvoll zum Motto des Konzerts. Begleitet wurde der Chor von Violoncello (Isabella Egri), Kontrabass (Ingo Nagel) und Truhenorgel (Elke Michel-Blagrave). Auch an das Ende des Konzerts hatte Pföß ein Werk von Adlgasser gestellt: „Geschichten langer Zeit“ für Sopran, Hörner und Streicher, gesungen von Anna Willerding – strahlend, kristallklar und berührend.
Willerding bot auch die beiden koloraturreichen Arien der Salome „Si cadrà“ („Der Kopf wird fallen“) und „Festivi, Giulivi“ („Fröhliche Feierlichkeiten“) aus der Oper „La decollazione di San Giovanni Battista“ („Die Enthauptung des Johannes des Täufers“) von Antonio Maria Bononcini (1677-1726) mit bemerkenswert klarer Höhe und klangschöner Sopranstimme dar. Ebenfalls am senkrechten Holm des gedachten Kreuzes können die beiden Orgelwerke, „Voluntary“ und „Passacaille“, beide g-moll, von Georg F. Händel eingeordnet werden (1685-1759), die Elke Michel-Blagrave auf der Emporen-Orgel mit feinsinnig ausgewählten Registern darbot. Als frühes Werk aus dem Mittelalter – also bildlich ganz unten am Kreuzesholm – stand der gregorianische Choral (um 750) „Ut queant laxis“, ein Hymnus auf Johannes den Täufer und zugleich auf den Gesang. Anna Willerding fing mit ihrer Interpretation den Klang des Mittelalters ein und versetzte die Zuhörer in die Atmosphäre eines romanischen Klosters.
Das Thema um Johannes in der instrumentalen Version im „Agnus Dei“ von Patrick Pföß (*1981) nimmt Bezug auf den Ausruf des Johannes bei seiner Taufe im Jordan: „Seht das Lamm Gottes“. Die Klangsymbolik dieser Uraufführung ging unter die Haut, besonders als die Streicher mit dem Bogenholz auf die Instrumente klopften und das Einschlagen der Nägel in das Kreuz und mit dem folgenden Glissando das Strömen des Blutes assoziierten. Ebenfalls ganz oben auf dem Kreuzesholm: eine Uraufführung von Walther Prokop (*1946) mit dem Titel „noch bin ich bei dir“ aus Psalm 139 für Sopran, Hörner, Streicher und Orgel – wieder höchst beeindruckend mit Anna Willerding. Der Dank des Komponisten an die Sängerin krönte den Beifall.
Berichte und Fotos: Brigitte Janoschka
8420: Viel Applaus gab es für alle Mitwirkenden, hier (von links) die Sopranistin Anna Willerding, den Dirigenten und Komponisten Patrick Pföß, sowie das Orchester aus Musikern der Region.
8411: Der Komponist Walther Prokop gratuliert der Sängerin für die großartige Darbietung seiner Psalmvertonung.
8387: Der Kirchenchor Siegsdorf sang „Du großer Himmel, gib mir Stärke“ von Anton C. Adlgasser und wurde begleitet von einem eigens mit Musikern aus der Region zusammengestellten Orchester.
Hintergründe eines Konzerts
Wenn ein Konzertprogramm nach einer thematischen Idee oder nach musikwissenschaftlichen Gesichtspunkten zusammengestellt ist, dann wirkt dies auf die Zuhörer inspirierend, besonders dann, wenn im Vorfeld entweder im Programm oder in einleitenden Worten auf die Werke hingeführt wird – so geschehen im Konzert des Musiksommers zwischen Inn und Salzach in der Pfarrkirche St. Michael (siehe auch Bericht im Feuilleton vom 15.07.25). Zunächst dgratulierte Inzells Bürgermeister Michael Lorenz in seiner Begrüßung der Veranstaltungsreihe des Musiksommers zum 50. Jubiläum. „Was so lange hält, muss hochwertig sein“, war er überzeugt. Die drei Aspekte der Architektur der Kirche mit ihrer guten Akustik, eingebettet in die schöne Alpenlandschaft, sowie die Musik seien die Grundpfeiler des Kulturfestivals des Musiksommers. In seinem Grußwort vertiefte Musikwissenschaftler Bernhard Kübler die Gedanken des Rathauschefs zum Komponisten Anton Cajetan Adlgasser (1729-1777), der in Inzell geboren ist und in Salzburg als Vorgänger Mozarts am Dom gewirkt hat. Kübler wurde von der Gemeinde Inzell vor fünf Jahren beauftragt, jedes Jahr ein bis zwei von Adlgassers Werken aus den erhaltenen Handschriften zu übertragen und – so, wie in diesem Konzert – zur Aufführung zu bringen.
Eine der drei noch fehlenden Sinfonien Adlgassers – diejenige in G-Dur für zwei Hörner und Streicher WV 15.02 – hatte Kübler nun aus der Handschrift aus dem Kloster Michaelbeuern im Flachgau übertragen. Er erwähnte auch den führenden Experten, wenn es um die Werke Adlgassers geht, nämlich Hofrat Dr. Werner Rainer aus Salzburg, der bereits sieben seiner Sinfonien veröffentlicht hat. Die Autographen der beiden anderen Werke Adlgassers, die zur Aufführung kamen – „Du großer Himmel, gib mir Stärke“ und „Geschichten langer Zeit“ – liegen in der Stiftsbibliothek St. Peter in Salzburg.
Diese Informationen geben dem Zuhören eine tiefere Qualität, da sie innere Bilder zur Entstehung der Kompositionen vermitteln können. Kübler erklärte auch das Thema dieses Johanni-Konzerts, das ja nicht nur in zeitlicher Nähe zum Namensfest des Johannes stattfand, sondern auch andere Werke mit Bezug zu Johannes dem Täufer enthielt, wie zum Beispiel Arien aus einer barocken Oper über die Enthauptung des Johannes des Täufers von Antonio M. Bononcini (1677-1726) oder der gregorianische Hymnus auf Johannes „Ut queant laxis“ aus dem 8. Jahrhundert.
Auch die beiden Uraufführungen von Patrick Pföß (*1981) und Walther Prokop (*1946) berufen sich auf Johannes, den Täufer. „Agnus Dei“ von Pföß greift einen Aspekt aus dem Neuen Testament heraus (Johannes 1. Kap.) und Prokop schrieb sein Werk über den Psalm 139 aus dem Alten Testament mit dem tröstlichen Ende „noch bin ich bei dir“. Der Kernsatz des Psalms lautet:
„Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da…. Wenn ich aufwache, bin ich noch immer bei dir“. Dieser Psalm wird in der Liturgie des Johanni-Tags zwischen der ersten und zweiten Lesung vorgetragen. Nicht nur diese tiefgreifenden Zusammenhänge auf verschiedenen Ebenen machte dieses Konzert zu etwas Besonderem, sondern auch die Zugabe: Der Chor des Publikums sang spontan unter dem Dirigat des musikalischen Leiters des gesamten Konzerts, Patrick Pföß, dem Geburtstagskind, der Organistin Elke Michel-Blagrave den Kanon „Viel Glück und viel Segen“.







