Seit 45 Jahren wird das Exter-Kunsthaus in Übersee, Feldwies, das ehemalige Wohnhaus des Malers Julius Exter (1863 bis 1939), von Monika Kretzmer-Diepold betreut, die auch erste Vorsitzende des 1980 gegründeten Kunstvereins „Kunsthaus Übersee-Feldwies e.V.“ ist. Nach der diesjährigen Ausstellungssaison, die bis zum 14. September läuft, verlässt „Monika Exter“, wie sie viele immer wieder nennen, das Exterhaus mit seinem wunderschönen Garten, den sie nach den Bildern Exters angelegt und 45 Jahre lang gepflegt hat.
Haus und Garten am Blumenweg 5 in Übersee-Feldwies werden vollständig in die Hände des Eigentümers, der Staatlichen Schlösserverwaltung übergehen und von dort verwaltet werden.
„Ich freue mich auf die neue Freiheit“, sagt Monika Kretzmer. Seit über einem halben Jahrhundert arbeitet sie als freie Journalistin für die Printmedien in der Region und darüber hinaus, vor allem als Gerichtsreporterin. Das wird sie auch von ihrem neuen Wohnort in Traunstein aus beibehalten, aber „auch mal Ferien machen“ mit Tochter und Enkelin, freut sie sich. In den letzten 20 Jahren waren Ferien nicht mehr möglich, weil sie wegen der großen Verantwortung für das Exterhaus nicht mehr über Nacht wegbleiben wollte. Ihre Mutter, die 2010 starb, hatte sie bis dahin in vielen Belangen oft unterstützt, so dass sie auch mal kurz wegfahren konnte.
Judith Exter und Monika Diepold
Wie kam Monika Kretzmer-Diepold überhaupt zum Exterhaus?
Nur einige hundert Meter von Monikas Elternhaus lag das Haus, das Judith Exter (1900 bis 1975) bewohnte. „Sie war geheimnisvoll, spannend-anziehend, hager, Respekt einflößend“ erzählt Monika Kretzmer. Aber sie sei freundlich und geduldig genug gewesen, einem kleinen, neugierigen, fantasievollen Mädchen aus der Nachbarschaft zuzuhören, so Monika. Die für ihre damaligen Begriffe uralte Frau mit Dutt, Mittelscheitel und strengen, langen, dunklen Schürzenkleidern sagte zu ihr, „Monika, du redest so viel. Du musst Journalistin werden“, erinnert sie sich. „Fräulein Exter“, die mit vielen Katzen in dem Haus lebte, habe sie nie rausgeworfen, aber auch nie in ihr „Allerheiligstes“ gelassen, das große Atelier mit Hunderten von Exter-Gemälden. Davon erfuhr Monika erst 20 Jahre später.
Julius Exter (1863 bis 1939) und seine Frau Judith Anna Exter, geborene Köhler (1870 bis 1952), hatten das frühere „Bauernsachl“, das „Haus Nr. 36“, später Blumenstraße 5, im Jahr 1902 erworben.
Das Anwesen wird erstmals 1554 in Urkunden des Bistums Salzburg als „ain ainfachs erzimerts guets Heusl, Städl und Stallung, ain clains Gärtl umbß Hauß…“ beschrieben. Der Hausname war „Schwabenhäusl“ oder „Stricker“, denn Eigentümer war damals ein „Georg Schwab“, 1584 eine Familie Pemler und ab 1772 lebten die Familien vom Stricken. Julius Exter kaufte es 1902 von Walburga Jrdetzberger, Zimmermannswitwe von Frauenchiemsee für 5700 Mark. Der „Königliche Professor Julius Exter“ war zur damaligen Zeit ein berühmter Künstler der Dachauer und Münchner Szene. Er ließ das Haus nach seinen Bedürfnissen umbauen. Der alte Heuboden wurde zum großen Atelier umgebaut, ein neues Treppenhaus eingebaut, dazu ein Salettl. Schließlich hatte der Künstler vier Ateliers für sich und seine Malschule. Die Ostseite des Hauses diente vor allem zu Wohnzwecken. Besonders wichtig war dem Künstler – nach dem Vorbild anderer Künstler des Jahrhunderts – die Anlage eines Gartens, um zu malen. Monika Kretzmer legte den Garten so an, wie er zu Exters Zeiten wohl aussah: im Mittelpunkt steht ein weit über 200 Quadratmeter großer Staudengarten. Der historische „Blumenweg“, dessen Reste bei Bauarbeiten gefunden worden waren, so dass der Verlauf noch bestimmt werden konnte, durchzieht den Blumengarten vor dem Salettl nach Süden. Dieser Blumenweg mit den beidseitigen Rabatten und Bildern vom Haus zählen zu den wichtigsten und beliebtesten Motiven bei Exters Ölbildern, wie es heute bei allen Ausstellungen im Haus zu sehen ist.
Der Kunstmaler Julius Exter, 1863 in Ludwigshafen hatte seine Frau Judith Anna Exter, geborene Köhler aus Darmstadt, am 13. Juli 1898 in München geheiratet. Auch sie war Künstlerin und wurde damals auf Kosten der Großherzogin von Hessen in München zur Malerin ausgebildet. Frauen war der Zutritt zur Kunstakademie verwehrt. Deshalb kamen später auch so viele junge Frauen zur Sommerakademie von Julius Exter nach Übersee, um das Malen zu studieren.
Das junge Ehepaar Exter verbrachte die Winter in der bayerischen Landeshauptstadt, die Sommer am Chiemsee. Anfang Dezember 1900 wurde das erste Kind, die Tochter Judith, Anna Wilhelmine geboren, im Oktober 1902 Sohn Karl. Die Geschwister wuchsen in einer schöngeistigen Welt auf – die Mutter mit klassisch schönen Zügen, auch begabte Pianistin, und der gestrenge „Herr Vater“, die die Kinder immer mit „Sie“ ansprechen mussten. Die Mutter verewigte Julius Exter nur selten in seinen Gemälden, sehr häufig dagegen seine geliebte Tochter mit den dunklen Augen und ihrem Ausdrucksvollen Mund – Judith als Kind und Puppenmutter, als junge Frau im Liegestuhl, beim Blumenpflücken im Garten des Hauses. Künstlergärten nach Vorbild des Monet-Gartens in Giverny kamen mit der Plein-Air-Malerei, der Freilichtmalerei zu der Zeit sehr in Mode. Ziel war, die Atmosphäre, Emotionen ins Bild zu bringen. Dafür wurde der „Farbenfürst“ Julius Exter berühmt.
In dem farbenprächtigen Garten empfingen er und seine Frau Freunde wie Richard Strauss und seine Frau Pauline, geborene De Ahna, und den Malerkollegen Anton Müller-Wischin aus Marquartstein, und viele andere. In dieser musisch – heiteren Welt mit großen Künstlerfesten am Chiemsee-Strand entwickelte sich Judith Exter zu einem selbstbewussten, bildhübschen Mädchen mit langen Zöpfen, wie die Bilder zeigen.
Katastrophe des ersten Weltkriegs
Dann änderte der Erste Weltkrieg alles für die Familie. 1914 wurden seine Malschüler in ihren Heimatländern eingezogen, 1916 musste er die Malschule deshalb endgültig schließen. Da er sich im Jahr darauf weder eine Wohnung noch ein Atelier in München mehr leisten konnte, zog sich Exter ganz in sein Sommerhaus in Feldwies zurück.
Die wachsende Verbitterung brachte auch schwere psychische Folgen mit sich. Wie Sohn Karl Monika Kretzmer- Diepold in den 1980er Jahren erzählte, war sein Vater schon früher eine schwierige Künstlerpersönlichkeit. Das verstärkte sich im und nach dem Krieg noch. Tochter Judith, die Zeit ihres Lebens unverheiratet blieb, wurde immer mehr zu seiner Seelenfreundin und Vertrauten. Ehefrau Anna ließ sich 1917 scheiden und zog auf ein Gut der Familie Maffei. Später kehrte sie aus wirtschaftlicher Not ins Haus in der Feldwies zurück, heiratete Exter aber nicht wieder.
Um das Anwesen vor der Versteigerung zu retten, musste er seine wertvollen übrigen Grundstücke verschleudern, darunter sein geliebtes „Seefleckl“, wo heute der Chiemgauhof steht. Dafür konnten Fleischlieferungen eines Metzgers bezahlt werden. Im Künstlergarten baute die Familie statt Rosen und Dahlien Kraut, Erbsen, Bohnen, Zwiebeln und Kartoffeln an, um zu überleben. Gerade in der Zeit malte Exter wie besessen – ein farbenprächtigeres Bild nach dem anderen. Da es kaum Material gab, malte er oft auf Pappe, manchmal vorne und hinten ein anderes Bild. Für Rahmen fehlte das Geld, so dass die Bilder in alten Koffern verstaut wurden.
Nach dem Krieg
Nach dem Krieg durfte Tochter Judith die Kunstgewerbeschule in München besuchen. Das Wintersemester 1918/19 beendete sie im Fach Bildhauerei bei Professor Heinrich Waderé mit der Note 1,5 und dem Vermerk „Arbeitet sehr zielbewusst und hat große Fortschritte aufzuweisen“. Auch nach Abschluss der Ausbildung 1926 saß sie immer wieder ihrem Vater Modell und baute einen kleinen erlesenen Kreis an Freundinnen auf. Sohn Karl war Malschüler seines Vaters. Nach kurzer Krankheit starb Julius Exter am 16. Oktober in Feldwies, wenige Wochen nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs an Herzschwäche. Tochter Judith wurde Haupterbin. Ihr Bruder erhielt lediglich ein Wohnrecht in zwei Räumen. Karl war schon lange ausgezogen, denn er war selten glücklich in seinem Elternhaus gewesen, wie er Monika Kretzmer verriet.
Judiths Lebensziel war es, den Nachlass ihres Vaters in seiner Gesamtheit für die Nachwelt zu bewahren und eine Gedenkstätte für ihren Vater zu sichern. So vermachte sie das Anwesen zusammen mit der dort verwahrten Bildersammlung dem Freistaat Bayern, der Bayerischen Schlösserverwaltung. 1969 nahm die Künstlertochter Kontakt mit dem Freistaat auf und wollte im Gegenzug für den Besitz eine Leibrente, wofür sie allerdings elf Jahre lange kämpfen musste. Erst im Herbst 1973 kam die erlösende Nachricht der Einigung mit dem Freistaat Bayern. Die Schlösserverwaltung holte einen Großteil der Gemälde in Feldwies ab. Etwa 120 Gemälde verblieben im Exterhaus, von denen viele bis heute das Große Atelier zieren.
Judith Exter hatte nicht lange etwas von dieser Leibrente,denn Ende Oktober 1975 starb sie im Alter von 75 Jahren. So konnte sie die Wiedereröffnung des Exterhauses 1980 nicht mehr erleben. Ihr Bruder, der Maler Karl Exter, überlebte sie um 20 Jahre und kam mit seiner Frau Änny und drei Kindern immer wieder auf Besuch, bis er 1987 starb. Judith Exter hatte ihr Leben ganz ihrem Vater und seinem Lebenswerk gewidmet. Auf jeden Fall würde sie sich freuen, dass sie mit dem kleinen, neugierigen, fantasievollen Mädchen aus der Nachbarschaft eine würdige Nachfolgerin und Hüterin des Exter-Schatzes gefunden hat.
Wertvolle Helfer in 45 Jahren
Sehr dankbar ist Monika Kretzmer-Diepold, dass sie im Laufe der 45 Jahre, in der sie nun das Exterhaus betreut, so viele ehrenamtliche und andere Helfer gefunden hat, die sich ebenso wie sie selbst für die wunderbaren Bilder Exters, Haus und Garten – ein Gesamtkunstwerk begeistern konnten. Vor allem Museumsdirektor Dr. Elmar Schmid von der Bayerischen Schlösserverwaltung und nach ihm Dr. Thorsten Marr sorgten dafür, dass die Bilder gereinigt, restauriert und die alten „Notrahmen“ aus brauner Pappe durch passende Holzrahmen aus Exters Zeit ersetzt wurden. Das Haus konnte dazu über viele Jahre hinweg wieder so hergestellt werden, wie es zu Zeiten des Professors aussah. Dafür gebührt großer Dank Regierungsbaumeister Matthias Ferwagner (1943 bis 2017), Behördenleiter der Staatlichen Bauämter Traunstein und später Rosenheim, „der sich viele Jahre hinweg unbürokratisch für die Restaurierung einsetzte und auch Kämpfe mit dem Finanzministerium nicht scheute“, wie Monika Kretzmer sagt.
Nie führte sie das Haus wie ein typisches Museum, sondern sie vermittelte jedem Besucher das Gefühl als privater Gast im Haus und Garten des Künstlers willkommen zu sein, versuchte Schwellenängste zu nehmen. Die zahllosen Gästebücher beweisen, wie begeistert die tausende von Besuchern über die Jahre waren. Durch die vielen Ausstellungen und folgende Publikationen wurde Julius Exter nach und nach immer bekannter. Sehr viele Besucher von nah und fern kamen jedes Jahr wieder. Monika Kretzmer führte unzählige Gruppen durch das Haus, besonders gerne Kinder und Jugendliche, die sie geschickt an die besondere Kunst des Farbenfürsten heranzuführte. Spontan sagte eine Besucherin bei der Nachricht von ihrem Abschied, „sie hätte einen Orden verdient“. Das würde sie nicht wollen, wurden ihr im Laufe der Jahre doch immer wieder Ehrungen angetragen. Aber ob sie jegliche Auszeichnung vermeiden kann, bleibt abzuwarten…
Die Ausstellung zum 45jährigen Jubiläum „Julius Exter –Licht und Schatten“ ist noch bis 14. September von Dienstag bis Sonntag jeweils von 17 bis 19 Uhr geöffnet oder für größere Gruppen gegen telefonische Voranmeldung unter der Telefonnummer 08642/895083.
Bericht und Bilder: Christiane Giesen
– Das Exter-Kunsthaus in Übersee-Feldwies und weitere Eindrücke











