Tourismus

Mit Hans Fritz vom Chiemsee in die USA – Bericht 6-1

Veröffentlicht von Claus Linke

„Jonas“, der größte landwirtschaftliche Lohnunternehmer in Britisch Kolumbien – ein gebürtiger Rimstinger

Mein nächster Flug von Rapid City in South Dakota, mit Zwischenlandung in Denver Colorado, führte mich nach Vancouver, der Hauptstadt Britisch Kolumbiens in Kanada.
Jonas holte mich am Flughafen ab. Was ich nicht wusste, zur Einreise nach Kanada braucht man neuerdings ein Visum. Nach langen Verhandlungen über Telefon mit dem wartenden Jonas vor dem Flughafengebäude und dem Grenzpolizisten, ließ er mich mit dem Versprechen, das Visum innerhalb von 2 Stunden per Mail nachzureichen, dann doch einreisen. Bis Mitternacht hatten wir dann das Visum beschafft.
Jonas ist vor 32 Jahren auf meinem Hof in Stetten bei Rimsting geboren. Seine Eltern versorgten über den Winter 1986/87, unseren Hof und melkten die Kühe, als ich mit meiner Familie in Kanada am Eriesee für ein halbes Jahr auf meiner Farm lebte. Und weil es mit seinen Eltern sehr harmonisch war und das Zusammenarbeiten gut klappte, bauten wir eine Direktvermarktung auf und sie blieben weiter am Hof und heirateten.
Ihr erstes Kind Jonas, war als Heranwachsender so traktorbegeistert, dass er jede freie Minute auf dem Beifahrersitz und, sobald er die Kupplung treten konnte, auf dem Fahrersitz saß. Heute lebt er im Speckgürtel von Vancouver, einem ca. 120 x 50 km großem, sehr fruchtbaren Tal entlang der Amerikanischen Grenze, vom Pazifik in Richtung Osten und betreibt mit seinem 40 Jahre älteren Geschäftspartner, das größte landwirtschaftliche Lohnunternehmen in ganz Britisch Kolumbien.
Für mich als ehemaliger Bauer, war das sehr interessant, ihn ein paar Tage bei seinen Einsätzen zu begleiten. Dabei erzählte er mir seinen Werdegang.
Nachdem er die Waldorfschule in Prien beendete, ging er in Rosenheim in das Berufsgrundschuljahr für Landwirtschaft und war anschließend bei der Bundeswehr. Bevor er jedoch eine praktische Ausbildung als Landwirt antrat, reiste er 2009 nach Kanada und lernte seinen jetzigen Geschäftspartner Jim kennen.
Jim war früher im Mienengeschäft und wurde dadurch sehr reich, führt aber ein relativ einfaches Leben. Jonas heuerte, um sein Taschengeld aufzubessern, auf Jims 25 ha Hobbyfarm an – natürlich als Traktorfahrer! Jim erkannte schnell das Potential das in Jonas steckt und bot ihm einen Job als Farmmanager, bei uns Verwalter, an. Seitdem lebt er in Kanada. Zwei Monate nach meiner Abreise wurde sein erstes Kind geboren.
Und weil es Jonas mit nur 25 ha schnell langweilig wurde, fing er an Wiesenflächen zu pachten, darauf Heu zu ernten und es zu verkaufen. Dabei kommt ihm das kanadische Grundsteuergesetz bezüglich Pachtpreise sehr zur Hilfe. Das verlangt von den reichen Kanadiern aus Vancouver, die sich nach und nach hier die Farmen kaufen und im Gegensatz zu Deutschland keine Landwirte sein müssen, sehr hohe Grundsteuern, es sei denn, die Grundstücke werden landwirtschaftlich bewirtschaftet. Oft kann er deshalb 20 bis 30 ha für nur einen Dollar jährlich pachten. Schon bei kleinen Flächen von 2 bis 3 Hektar reduziert sich die Grundsteuer von 4000.- auf 400.- $. Bei größeren Farmen macht das oft über 100 000.- kanadische $ an Reduzierung aus.
Nach und nach vergrößerten sich die Pachtflächen auf heute 250 ha und – dann wurden natürlich, zur großen Freude von Jonas – auch die Maschinen immer größer. Jim unterstützte ihn dabei als Geldgeber nach dem Motto, Fachwissen und Investment zusammenzulegen. Aber leider wurde es wegen der großen teuren Maschinen für „nur 250 Hektar“ zunehmend unrentabel. Es lag dann auf der Hand, wie bei unseren Maschinenringen, die es in dieser Gegend Kanadas aber nicht gibt, zur besseren Auslastung die Maschinen, sie überbetrieblich bei anderen Farmern einzusetzen. Heute zählen 8 Schlepper von 140 bis 480 PS und sämtliche Maschinen zur Bodenbearbeitung, sowie ein Jauchefass mit 27 m³ Fassungsvermögen und einen Miststreuer für 25 m³ Fassungsvermögen, zum Maschinenpark.
Die Milch ist in Kanada kontengiert und sehr gut bezahlt. Die „kleinen“ Milchviehalter beginnen bei 65 Kühen (die bei uns schon zu den Größeren zählen) und die Großen haben bis zu 3.000 Milchkühe. Jonas bekommt viele Aufträge von einem Biobauern mit 1.000 Kühen. Viele Milchbauern nutzen mittlerweile das Angebot des überbetrieblichen Maschinenparks von Jonas und auch sein Wissen als Berater. Und weil die Bauern, hier ebenso wie bei uns, ihre zu großen Güllemengen auf dem eigenen Land nicht mehr unterbringen, bezahlen sie Jonas für das „Entsorgen“. Die Gülle kann er aber auf seinen 250 ha Grünlandflächen gut verwerten und spart sich dadurch jeglichen Kunstdünger und zudem kann er sein Heu sogar als Bio, was auch in Kanada immer populärer wird, gut verkaufen.
Das nächste Problem waren gute Traktorfahrer zu finden. Deshalb macht er Angebote für junge deutsche Landwirte, die dann bei ihm 3 bis 6 Monate arbeiten können. Eine Arbeitserlaubnis bis zu einem Jahr in der Landwirtschaft zu arbeiten, ist leicht zu bekommen. Manche sind schon das zweite oder dritte Mal hier. Er stellt kostenfrei eine Wohnung, bezahlt den Beitrag für die Berufsgenossenschaft und umgerechnet rund 18.- € Netto pro Arbeitsstunde. Da sie, vor allem in der Saison viele Stunden arbeiten, kommen monatlich schon mal bis zu 5.000.- € und auch mehr zusammen.
Und weil es auch Regentage und im Sommer längere Trockenzeiten gibt, galt es etwas zu finden, das für seine Helfer Arbeitslücken füllt. Deshalb begann er mit dem Bau von Rinderzäunen. Zum Einrammen der Pflöcke, baute er eine Rüttelplatte an Stelle einer Baggerschaufel an den Ausleger seines Raupenbaggers. Da kleinere Grundstücke, wie schon erwähnt, von nur ein paar Hektar auf dem Land schon 4.000.- $ an Grundsteuer und in der Stadt oder Stadtnähe, je nach Verkehrswert noch viel mehr kosten, aber für die Heuernte für die großen Maschinen zu klein sind, werden sie eingezäunt und über den Sommer mit ein paar Rindern bestückt, die im Frühjahr gekauft und nach dem Sommer wieder verkauft werden. Da manche Grundbesitzer das nicht selber machen wollen, betreibt Jonas jetzt auch noch eine Mutterkuhhaltung mit 30 Mutterkühen. Und als Organisationstalent, hat er dafür auch wieder Leute gefunden, die sich um seine Rinder kümmern.
Ein weiterer Arbeits-Lückenfüller ist die 6 Tonnen schwere italienische Fräse zum Steine zertrümmern, die er, wie fast alle seine Maschinen auch aus Europa kaufte. Die braucht allerdings viel Kraft und hängt an dem 14 Tonnen schweren deutschen Glas-Traktor mit einem 480 PS Mercedes-Motor.
Außer den Futterpflanzen, wie z. B. Mais und Gras für die Milchwirtschaft, werden die weiteren Flächen fast ausschließlich mit Sonderkulturen bebaut. Getreide kommt aus dem Weizengürtel im Westen, aus dem ca. 2.000km entfernten Alberta und Manitoba, da hier die Böden dafür viel zu wertvoll wären. Die dominierenden Sonderkulturen sind Blaubeeren. Sie wachsen als Sträucher in der Größe wie Johannisbeeren. Im Alter von 30 Jahren mussten sie bisher mühsam gerodet und entsorgt werden. Ältere Sorten sind neuerdings von einem Pilz befallen und müssen deshalb bereits früher gerodet werden. Nachdem der Versuch des Unterfräsens mit der Steinzertrümmerungsfräse auf Anhieb gleich sehr gut funktionierte, hat er mittlerweile sehr viele Aufträge die Stauden zu zerkleinern und unterzufräßen, was für die Neupflanzungen auch gleich den Vorteil hat, dass das zerhäckselte Holz den Boden sauer macht, was die neuen pilzresistenten Blaubeerpflanzen brauchen.
Die Logistik bei diesen Dimensionen ist nicht einfach. Der Glas-Traktor verbraucht bei der schweren Arbeit 1.000 Liter Diesel pro Tag. Der 650 Liter Tank auf dem Pickup wird an der hofeigenen 10.000 Liter Tankstelle befüllt, zum Feld gefahren und dort in den Traktortank umgepumpt. In den Hauptarbeitsspitzen wird der 10.000 Liter Tank jede Woche mit Agrardiesel, den Liter für 60 Eurocent nachgefüllt. (Dürfte vermutlich jetzt auch gestiegen sein.)
Die Ordnung und das Schmieren der Maschinen, ist oberstes Gebot bei Jonas. Alle 8 Stunden werden die Maschinen mit einer motorbetriebenen Akku-Fettpresse nachgeschmiert. Die regelmäßigen Ölwechsel werden an Regentagen durchgeführt. Für jede Maschine gibt es eine eigene beschriftete Schublade mit den wichtigsten Ersatzteilen auf Vorrat. Die Werkzeuge an der Werkstattwand sind alle farblich gekennzeichnet, damit sie nach deren Einsatz wieder an den richtigen Platz zurückkommen und alle neuen Fahrer sie auch sofort finden, vor allem, um den Zeitverlust in der Hauptsaison so niedrig wie möglich zu halten, weil damit viel Geld verloren ginge und vor allen Dingen die Kunden auch terminlich zufrieden gestellt werden müssen.
Auf meine Frage, woher er denn das Kalkulieren und die Büroarbeiten gelernt hat, antwortete er: „In dem Berufsgrundschuljahr in Rosenheim. Zur praktischen Lehre hatte ich aber keine Zeit mehr, da ich bereits hier den Verwalterjob hatte. Praxiserfahrungen machte ich ja bei Dir und auf einem größeren landwirtschaftlichen Betrieb bei Seeon“! Hat mich gefreut, die Saat für dieses Unternehmen hier mit gelegt zu haben.

Am Fährhafen nördlich von Vancouver verabschiedete ich mich von Jonas. Von dort aus fährt das Schiff in 40 Minuten nach Gipsen an der Sunshine Coast. Meine Schwester lebt dort seit 25 Jahren wie auf einer Insel. Die 30.000 Einwohner leben ca. 180 km dem Ufer entlang zwischen Küste und hohen Bergen über die keine Straße führt – und als Wohngegend leider immer beliebter wird, denn auch hier wandelt sich langsam – ebenso wie bei uns – die Landflucht zur Stadtflucht.

Text und Fotos: Hans Fritz – www.hans-fritz.de

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Redaktion

Claus Linke

1939 in Bautzen/Sachsen geboren, Maschinenschlosser-Lehre in Bautzen, 1956 Flucht aus familiären Gründen aus der DDR über Berlin nach München, Maschinenbau-Studium in München, 1969 Erwerb eines Grundstückes in Atzing und beginn mit dem Bau eines Hauses für meine Eltern und den drei Kindern, 1981 Ernennung zum Siemens-Oberingenieur, nach 36 Jahren Beschäftigung bei Siemens in den Ruhestand, 1995 Verlegung des Hauptwohnsitzes nach Prien.

Ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der Chiemseeagenda seit deren Gründung im Jahr 2002 - angesiedelt beim Abwasser- und Umweltverband Chiemsee. Das Aufgabenspektrum (mehr oder weniger involviert) umfasst die Webmeisteraktivitäten für die diversen Agendaseiten; Mitarbeit bei nahezu allen Agendathemen (wie z.B. Chiemseeringlinie, Bürgerbus Chiemsee, Vogelführungen, Chiemsee Rundweg und Chiemsee Radweg); Konzeption und Erstellung der Broschürenreihe "Natur.Erlebnis.Chiemsee"; Betreuung des online-Fotoalbums der Chiemseeagenda. Verleihung der bayerischen Ehrenamstmedaille "Für besondere Verdienste um die bayerische Gastlichkeit" im Jahr 2017.

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