Leitartikel

Geschichte der Weihnachtskrippe

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Die Weihnachtskrippe – ein Beitrag des Bayernbundes und von Pfarrer Ernst Kögler, Bad Feilnbach

Wenn es auch Passions- und Osterkrippen gibt, so ist es doch vor allem die Weihnachtszeit, die bei uns von Krippen geprägt wird. Von daher hat sich auch die Tradition entwickelt, biblische Geschehnisse anschaulich unserem Auge vorzustellen. Von der Krippe zu Betlehem her wurden schließlich auch andere heilsgeschichtliche Ereignisse in Szene gesetzt. Denn hier, in der Menschwerdung seines Sohnes, hat sich Gott anschaubar, anfassbar gemacht.

„Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ“ (Lk 2,15). Die Weihnachtskrippe, jener Futtertrog also, in den Maria und Josef das neugeborene Kind gemäß dem Lukas-Evangelium legten, wurde so auch namensgebend für alle anderen szenischen Darstellungen der Heilsgeschichte.

Geschichte der Krippe

Diese Tradition beginnt in der Mitternacht des 24. auf den 25. Dezember 1223, als der hl. Franziskus (1182-1226) seine Brüder zur Feier der Christmette in eine Höhle in der Nähe von Greccio (ca. 90 km nördlich von Rom) eingeladen hat. Er wollte allen das Geheimnis der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus anschaulich und begreifbar machen, indem er in dieser Heiligen Nacht das Jesuskind in eine Krippe mit Stroh legte und Gottes Sohn anbetete. Ganz so selbstverständlich, wie es uns scheint, ist dies nicht: für gewöhnlich wird in mittelalterlichen Darstellungen (wie in der Kathedrale von Chartres) das Kind auf einen kleinen sarkophag-ähnlichen Altar gelegt und damit schon die Linie gezogen von Menschwerdung zu Erlösungstod-Auferstehung bis hin zu dessen eucharistischer Vergegenwärtigung im hl. Messopfer.

Das Aufstellen von weihnachtlichen Krippen im uns bekannten Sinne beginnt allerdings erst Mitte des 16. Jahrhunderts. Es war maßgeblich der junge Orden der „Societas Jesu“, der die Weihnachtskrippe zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Verkündigung machte; bestärkt wurde dies durch die positive Bewertung der Bilderverehrung durch das Konzil von Trient (1546-1563). In seinem Exerzitienbüchlein lädt der Ordensgründer Ignatius von Loyola (1491-1556) ein, in der Betrachtung der in den Evangelien geschilderten Heilsereignisse zunächst einmal sozusagen die Bühne zu bereiten, um sich sodann in den Sinngehalt zu vertiefen: wir sollen im Geiste die geschilderte Szenerie aufbauen mit ihren beteiligten Figuren inmitten von Landschaft oder Gebäuden, um sie uns so besser vorstellen zu können. Er leitete seine Exerzitanden an, das Geschehen mit allen Sinnen aufzunehmen und so schließlich selbst einbezogen zu werden. Eben dieses wollen die Krippen bewirken. Wir können uns einbeziehen lassen ist dieses staunenswerte Geschehen von Weihnachten, da der Sohn Gottes herabsteigt und die Natur seines Geschöpfes annimmt, also uns. „Die ersten Weihnachtskrippen sind historisch bezeugt: 1560 in Coimbra in Portugal und 1562 in Prag“ (Voderholzer, in: Friede soll uns werden, S. 3). „Zunächst wurden Krippen vor allem für Kirchen und Fürstenhöfe gestaltet. Nach ihrer Verbannung aus den Kirchen in der Zeit der Aufklärung wurde die beim Volk so beliebte Weihnachtskrippe eben in den Häusern und Wohnstuben heimisch, bis sie im 19. Jahrhundert auch als Kirchenkrippe wieder Akzeptanz fand“ (ebd. S. 4).

Vielfalt der Krippe

Die jahrhundertelange Geschichte der Krippe und insbesondere ihre mittlerweile weltweite Verbreitung zeugen nicht nur von ihrer Beliebtheit, sondern hatte auch eine schier unglaubliche Fülle an Formen und Typen, an Größen sowie verwendeten Materialien zur Folge. Weil der Sohn Gottes zwar in eine bestimmte Zeit an einem konkreten Ort (also real und nicht mythisch) Mensch geworden ist und unser Menschsein angenommen und erlöst hat (Typ der orientalischen Krippe), dies aber eben jedem Menschen zu jeder Zeit an jedem Ort gilt und zugute kommen soll und so viele davon sich ansprechen ließen, darum holten die Christen das weihnachtliche Geschehen immer auch in die je eigene Gegenwart und Heimat herein (Typ der Heimatkrippe).

Elemente der Krippe

Jeder Gestalter einer Krippe transponiert dabei den biblischen Text in das ganz andere Medium des zwei- oder dreidimensionalen Bildes. Jede Übersetzung aus einem Medium in ein anderes aber muß etwas weglassen und anderes hinzufügen: Gesichter und Farben etwa oder die Art der Kleidung und der Lokalität. Einige wenige dieser Elemente möchte ich Ihnen nun in ihrer Bedeutungstiefe erschließen.

Tiere: Ochs und Esel

Als Hochschulpfarrer hatte ich der Alten Pinakothek in München mit Studenten einen Besuch abgestattet, um einige Weihnachtsbilder zu betrachten. Zuvor aber, um sie für den Medienwechsel von Text auf Bild zu sensibilisieren, hatte ich Ihnen den Text des Lukas-Evangeliums gereicht und ihnen die Aufgabe gestellt zu malen, was sie dort gelesen hatten. Tatsächlich hatten fast alle mehr gezeichnet, als sie lesen konnten. So sehr sind wir in unserer Vorstellung von den Krippen geprägt! Bei Lukas aber lesen und hören wir nichts von einem Esel noch von einem Ochsen! Auch hier führt die Bilderwelt, die den Stall ausgestalten möchte, einen „Mehrwert“ ein; und zwar wiederum durch einen Abgleich von Neuem und Altem Testament. Der Bezug zum Alten ist schon im Neuen Testament angelegt, und die Theologen der frühen Kirche haben diese Einheit der Heiligen Schrift vielfältig ausgearbeitet. Auf diese Weise bezeugen Ochs und Esel unserer Weihnachtskrippen auch: Jesus ist Jude und ist die Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen Gottes.

Beim Propheten Jesaja lesen wir: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe des Herrn. Israel aber hat keine Erkenntnis; mein Volk hat keine Einsicht“ (Jes 1,3). Die Hirten aber kommen auf Geheiß der Engel und bringen auch ihre Schafe mit.

Die Besucher: Die Hirten und ihre Schafe

„In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen …: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. … Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. … So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.“ (Lk 2,8-16)

Sie fehlen in keiner Krippe und in keinem Krippenspiel und rühren uns besonders an: die Hirten von Betlehem, die kommen, um den göttlichen Hirten (Joh 10: der Gute Hirte) anzubeten, der in ihre Armut gekommen ist (in Menschwerdung und Passion-Kreuzestod steigt Gott herab in unsere Existenz). Sie können ihm keine wertvollen Gaben bringen wie die Weisen aus dem Morgenland. Sie haben nichts anderes als ihr Herz zu bringen – und die Schafe, die sie zu hüten haben. Auch diese dürfen in den Krippen nicht fehlen. Dabei können wir nicht selten beobachten, wie ein Lamm mit gebundenen Beinen zum Kind getragen wird. Dies ist ein christologisches Zeichen: es wird damit am Anfang schon auf das Ziel des Lebensweges Jesu hingewiesen, Jesu Sühneopfer am Kreuz („Seht, das Lamm Gottes“, Joh 1,29). Deshalb auch finden wir nicht selten am Ort der Geburt Jesu kleine Hinweise auf seinen Kreuzestod.

Die Behausung: Stall, Höhle oder Haus

„Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ (Lk 2,6-7)

„Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.“ (Mt 2,11)

Meist wird die Heilige Familie in einen Stall, was das Lukas-Evangelium nahelegt, oder nach betlehemitischer Ortstradition in eine Höhle versetzt. Matthäus hingegen situiert die Geburt in einem Haus. Das ist mehr wie bloße Kulisse. Es hat seinen Tiefengrund. Sehr oft finden wir, ob nun Stall oder Haus, die Behausung in einem armseligen Zustand. Dies spielt auf die Verheißung des Propheten Amos an, die „verfallene Hütte Davids“ werde wieder aufgerichtet werden (Amos 9,11-12): (Vers 11) „An jenem Tag richte ich die zerfallene Hütte Davids wieder auf und bessere ihre Risse aus, ich richte ihre Trümmer auf und stelle alles wieder her wie in den Tagen der Vorzeit“, woraufhin im Vers 12 das Ziel von Gottes Handeln benannt wird (hier zitiert nach der griechischen Übersetzung, der Septuaginta): „so dass die Übriggebliebenen der Menschen und alle Völker, über denen mein Name ausgerufen ist, sie aufsuchen werden, spricht der Herr, der dies macht“.

Auch dies sehen wir in unseren Krippen: Die Hirten werden kommen als die Erstberufenen der Juden, die Weisen (später: die drei Könige) aus dem Morgenland als die Erstberufenen der Heiden.

Gerne wird darum aus dem Haus ein Palast, denn David wohnte als Israels König natürlich in einem solchen. Dieser aber verfällt, bis Jesus, der von Gott zum Priester, König und Propheten Gesalbte (griech.: christos), ihn wieder aufbaut (gemeint: das Königtum Davids in sich selbst erneuert und die Verheißungen Gottes erfüllt). Jesus wird es vor seinem Opfertod gegenüber Pilatus bekennen: „Du sagst es: Ich bin ein König. … Doch mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ (vgl. Joh 18,36).

Der Volksbrauch unserer Weihnachtskrippen führt uns tief in den christlichen Glauben. Mögen sie auch dieses Weihnachten wieder unsere Herzen berühren und uns das Geheimnis Jesu Christi, unseres Heilands, und der Liebe Gottes enthüllen.

Bericht und Bilder: Pfarrer Ernst Köngler – Entnommen der Weiß-Blauen Rundschau –  Zu den Fotos:

Die Krippendarstellungen sind mit freundlicher Genehmigung dem reichhaltigen Buch „Krippenschauen. Eine kleine Hinführung zum Christentum“ des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer entnommen, der eine bemerkenswerte Krippensammlung aufgebaut hat (Fotografien i.R. von Richter Fotoagentur Regensburg und Steck Fotodesign Schäftlarn).

Zur Entstehung und zum Sinn seiner Sammlung schreibt Bischof Voderholzer selbst (in: Krippenschauen, S. 7-9):

„Den Beginn machte die Weihnachtskrippe des Bischofs, die er sich anlässlich seiner Bischofsweihe 2013 von seiner Familie und allen, die ihm etwas zu diesem Ereignis schenken wollten, gewünscht hatte.“ Bei Führungen stellte er noch kleine Krippen, z.T. aus aller Welt, hinzu. „Schnell kamen durch Schenkungen, Erbschaften und Ankäufe weitere Krippen hinzu.“ „Und so entwickelte sich schon bald ein reges Krippenschauen“, „angereichert durch das Erschließen von geschichtlichen und theologischen Hintergründen“, woraus schließlich besagtes Buch entstanden ist. „Die ursprüngliche Bedeutung der Weihnachtskrippe als Medium der Verkündigung zeigte sich als ungebrochen wirksam.“

„Mit den Verantwortlichen des Diözesanmuseums verständigte ich mich, dass der Auftrag zur Sammlung, Pflege und Vermittlung bezüglich der religiösen Volkskunst auch auf Bistumsebene noch ausgebaut werden sollte. … Für die Zukunft ist die Einrichtung des »Instituts für religiöse Alltagskultur« in der Schwarzen-Bären-Straße in Regensburg als Ort der Aufbewahrung und Erforschung vorgesehen und auf den Weg gebracht. Ein Förderverein unterstützt das Vorhaben ideell und materiell.“

Literatur:

(1) Friede soll uns werden. Weihnachtskrippen vieler Völker (Hrsg.: Kunstsammlungen des Bistums Regensburg), mit einem Geleitwort von Bischof Rudolf Voderholzer, Regensburg. (ISBN 978-3-96018-058-6).

(2) Rudolf Voderholzer, Krippenschauen. Eine kleine Hinführung zum Christentum (Verlag Schnell+Steiner).

(3) Michael Karger u. Rudolf Voderholzer, Weihnachtslichterlust und Kinderaugenglanz. Geschichte und Deutung der Krippenfeier des Heiligen Franziskus in Greccio 1223 (ISBN 978-3-96018-118-7).

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Greccio-Krippe, Figuren Paolo Fattore, Landschaft Richard Kohlhäufl, 2021.

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Kathedrale von Chartres, Tympanon der linken Seite der Nordportalanlage (Foto: Kögler).

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Kathedrale von Chartres, Glasfenster der Westfassade (Foto: Kögler).

2019_8475_Krippen_DSC2385-e:
Die Heimatkrippe: Oberpfälzer Bauernstube – Weihnachten Dahoam, Alois und Rosa Amann, 1970er Jahre, wurde Bischof Voderholzer geschenkt von der Tochter der Künstler Annemarie Amann, Mitarbeiterin im Bischöflichen Ordinariat Regensburg, Detail.

0042-Krippen_DS16294-WEB:
Vielfalt: Erdnuss-Krippe, von einem evangelischen Christen und seinen dreijährigen Zwillingsbuben, 2018.

0231-Krippen_DS15481-WEB:
Vielfalt: Krippenfiguren in Bergkristall

2019-8411-Krippen_DS15831-e:
Weihnachts-Retablo, Maximiano Ochante (* 1959 in Peru), Krippe als Haus- oder Reisealtar.

(8.) (6) Kri-122:  Ochs und Esel (und ein gebundenes Lamm): Detail aus Kalkstein-Krippe, Andreas Prucker (*1966), Regensburg.

Kri-097:  das gebundene Lamm: Anbetung der Hirten, Sebastian Osterrieder, Krippenstall original mit Ergänzungen von Richard Kohlhäufl, um 1907/1920 (Ergänzungen: 2019)

0074-Krippen_DS19541-WEB:  der Stall: Schwedische Filzkrippe

0011-Krippen_DS16347-WEB: an einer Grotte:
Tonkrippenfiguren aus Peru, Landschaft von Richard Kohlhäufl.

Kri-096: die „verfallene Hütte Davids“: Anbetung der Hirten, Sebastian Osterrieder, Krippenstall original mit Ergänzungen von Richard Kohlhäufl, um 1907/1920 (Ergänzungen: 2019)

(13.) (10) 0157-Krippen_DS13542-WEB_bearbGW.jpg:
die „verfallene Hütte Davids“: Zinnkrippe, Figuren aus der Zinngießerei Babette Schweizer in Dießen am Ammersee, entworfen von Anni Schweizer Anfang der 1920er Jahre, Kleidung und Kulisse von Franz und Elisabeth Karl, Straubing-Alburg.

Kri-003:
die „verfallene Hütte Davids“: Führich-Gruppe und Anbetung der Könige, persönliche Jahreskrippe von Bischof Voderholzer, Figuren und Landschaft von Klaus Porten, seit 2013, Detail.

Kri-100:
die „verfallene Hütte Davids“: Anbetung der Könige, Sebastian Osterrieder, um 1907/1920, Ruine von Richard Kohlhäufl, 2019

 


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Toni Hötzelsperger

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