Traditioneller Jahrtag der Fischereigenossenschaft Chiemsee mit Kirchenzug, Messe, Totengedenken und Versammlung – 2024 wurden 91281 Kilogramm Fisch gefangen – Die sich schnell im See ausbreitende Quagga-Muschel bereitet den Fischern Sorgen
Im Beisein zahlreicher Ehrengäste hat die Fischereigenossenschaft Chiemsee ihren 126. Fischerjahrtag auf der Fraueninsel abgehalten. Das offizielle Programm begann traditionell mit dem Kirchenzug, der von der Blaskapelle Prien und den Fahnenabordnungen der Fischereigenossenschaft und des Anglerbundes Chiemsee angeführt wurde. „Es ist schön, dass sie ihren Fischerjahrtag immer mit einem Gottesdienst und dem Gedenken an die verstorbenen Mitglieder beginnen“, so Pfarrer Andreas Przybylski zu Beginn der Messe im Münster. Im festen Glauben an Gott würden die Fischer auch in Zukunft alle Herausforderungen und Schwierigkeiten meistern. In den Fürbitten baten die Fischer unter anderem um den Segen für ihre Arbeit und dafür, dass Gott den Menschen ein gutes Gespür für die Schöpfung und die Wunder der Natur gebe. Das Totengedenken fand wetterbedingt in der Kirche statt. 1. Vorsitzender Florian Kirchmeier verlas dabei die Namen der verstorbenen Chiemsee-Berufsfischer, die sich um die Fischerei und die Genossenschaft verdient gemacht hatten. Man gedachte auch den Förderern und Söhnen der hiesigen Fischerfamilien, die in den Weltkriegen starben. „Frieden und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeiten, sondern sie sind wertvolle Güter, die wir täglich schützen und bewahren müssen“, mahnte Kirchmeier an.
In der mit feiner Blasmusik umrahmten Versammlung im Gasthof und Hotel „Zur Linde“ ließ der 1. Vorsitzende Florian Kirchmeier das vergangene Fischereijahr Revue passieren. Ihm zufolge hatten die 16 Chiemsee-Berufsfischer 2024 91281 Kilogramm Fisch gefangen, was einem Gesamtertrag von 11,41 Kilogramm pro Hektar entspricht. 71840 Kilogramm entfielen dabei allein auf die Renke als wichtigsten Wirtschaftsfisch. „Nach dem Pfingsthochwasser ist der Renkenfang konstant angestiegen“, erinnerte Kirchmeier. Das Herbsthochwasser habe diese erfreuliche Entwicklung noch verstärkt. Am Ende verzeichnete man eine Steigerung des Renkenertrags gegenüber 2023 um 18274 Kilogramm. Mit 3400 Kilogramm „gut gewesen“ sei der Hechtfang. Der Hecht sei für ihn und seine Kollegen ein wichtiger Wirtschaftsfisch, der die Produktpalette erweitere, so der Vorsitzende. Die beiden Hochwässer hätten auch die Fangergebnisse beim Aal begünstigt. „Der Brachsenbestand hat sich Gott sei Dank wieder gut erholt“, freute sich Kirchmeier. Auf einem guten und stabilen Niveau befinde sich der Zanderfang. Auch Schratzen (Barsche) seien genügend im See vorhanden und die Nachfrage sehr hoch. Seeforellenbrut und Eimaterial bezog man für 10.000 Euro aus Scharfling am Mondsee und setzte es an den früheren Laichplätzen an der Tiroler Ache bis Schleching aus. „Ich hoffe, dass wir dies auch im nächsten Jahr fortsetzen können und wir bald einen Erfolg der Maßnahmen feststellen“, so Kirchmeier. Eine Erfolgsgeschichte ist ihm zufolge die Renkenlaichfischerei: „Wir bekamen 780 Liter Renkenlaich zusammen und daraus sind zirka 660 Liter oder 46 Millionen Renkenbrut geschlüpft“. 2,5 Millionen Renken habe man dann in den eigenen Netzgehegen vorgestreckt und den Rest großflächig im See verteilt. Auch zirka 1,2 Millionen Hechtbrut wurden ausgesetzt. Bei den Züchtern kaufte man 2024 für 72.000 Euro Glasaale, Zander, Maränen und Seeforellen als Besatzmaterial. Kirchmeier sprach am Ende seines Berichts von „immer größer und vielfältiger werdenden Herausforderungen“ für den eigenen Berufstand. „Erst der Kormoran, dann der Fischotter, der besonders unseren Kollegen in der Teichwirtschaft zusetzt, und jetzt auch noch die Quagga-Muschel“. Im Herbst 2024 erstmals am Chiemsee nachgewiesen, bereitet diese den Fischern zunehmend Sorgen.
Laut Prof. Dr. Herwig Stibor vom Limnologischen Institut Seeon der LMU München handelt es sich dabei um eine „invasive Muschelart aus der Schwarzmeerregion“, die sich in den letzten Jahren in Bayern rasant ausgebreitet habe. Die Quagga-Muschel, benannt nach der ausgestorbenen Zebra-Form Quagga, verdränge zunehmend die verwandte Zebramuschel, da sie sich nicht nur an harten Substraten ansiedeln könne, sondern auch weiche Böden bewohne. „Dadurch kann sich die Muschel auch in tiefen Bereichen von Seen ansiedeln, wo sie keinen Fressfeinden ausgesetzt ist“, so Stibor. Die Muschel entziehe durch Filtration dem Wasser große Mengen Plankton, was wiederum Auswirkungen auf Zooplankton und Fische hat, die darauf angewiesen seien. In befallenen Gewässern wie dem Lake Michigan in den USA mache die Quagga-Muschel bis zu 90 Prozent der Gesamtbiomasse aus, so der Biologe. Vergleichbare Entwicklungen gebe es mittlerweile leider auch im Bodensee. Laut Stibor erfolgte die Besiedelung am Chiemsee vom Südwesten des Sees in Richtung Norden. „Sie bereitet sich zurzeit rasant aus und bewächst Hartsubstrat in flachen Seenbereichen als auch weiche Böden in größeren Wassertiefen“. Neben den ökologischen Folgen könne die Muschel auch erhebliche technische und wirtschaftliche Schäden verursachen, gerade mit Blick auf die Trinkwasserversorgung, da die Tiere sich auch gerne in Rohrleitungen und Filteranlagen ansiedelten. Auf die Frage wie man eine weitere Ausbreitung verhindern könne, meinte Stibor, dass man den Schwerpunkt bei der Bekämpfung auf die Prävention legen müsse. So gebe es am Bodensee schon verpflichtende Reinigungsmaßnahmen für Boote, Surfbretter und Tauchausrüstung, um eine weitere Verbreitung der Larven zu verhindern. Eine vollständige Ausrottung sei laut Stibor „nicht mehr möglich“. Die Erfahrung zeige aber: Je früher entsprechende Schutz- und Reinigungsmaßnahmen ergriffen würden, desto besser ließen sich die Auswirkungen begrenzen. Man müsse alle Menschen über die Problematik informieren und entsprechend sensibilisieren, hieß es in einer Wortmeldung. „Die Quagga Muschel kann auch wieder aus Gewässern verschwinden“, machte Stibor ein wenig Hoffnung. Eine Prognose für den Chiemsee sei aber nicht möglich. „Wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken, die Fischerei wird auf alle Fälle weitergehen“, gab sich Kirchmeier optimistisch und wünschte sich weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Neben Professor Stibor sicherte ihm dies auch der Leiter der Fischereifachberatung beim Bezirk Oberbayern Dr. Bernhard Gum zu. Was die Fischpopulationen anbelange, sei der Chiemsee nach seinen Worten im Vergleich zu vielen anderen Seen seit jeher sehr stabil. Dass so viel Jungfisch nachkomme sei ein großer Verdienst der hiesigen Fischer, die ihrem Hegeauftrag bestmöglich nachkämen, lobte er. „Alles Gute, macht‘s so weiter, Petri Heil“, so Gum.
„Wir sind sehr dankbar, dass es die Chiemseefischer gibt, die diesen herrlichen Lebens- und Kulturraum mit Leben erfüllen“, so der Rosenheimer Landrat Otto Lederer. Er lobte die qualitativ hochwertigen Lebensmittel und die sehr nachhaltig betriebene Fischerei. „Kommt‘s zu uns, denn nur zusammen sind wir stark und können politisch was bewegen“, appellierte der Präsident des Landesfischereiverbandes Axel Bartelt. Die Fischereigenossenschaft sei „mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft“, meinte der Bezirkstagspräsident von Oberbayern Thomas Schwarzenberger. Die Chiemseefischer zeigten ihm zufolge vorbildlich, wie moderne Fischerei im Einklang mit der Natur funktioniere. Den Referatsleiter Fischerei und Fischwirtschaft im Landwirtschaftsministerium Dr. Reinhard Reiter vertrat Michael Modlmaier. Der Traunsteiner Landtagsabgeordnete Dr. Martin Brunnhuber, der in Grabenstätt auch Gemeinderat ist, verwies auf die in der Hirschauer Bucht geplante Info- und Naturkundestation, für die der Gemeinde Grabenstätt ein Zuschuss von 459 000 Euro aus den Fraktionsreserven des Bayerischen Landtags in Aussicht stehe. „Wir sind sehr dankbar dafür, weil uns dieser alte Fischerstandort, wo noch eine alte Fischerhütte steht, sehr wichtig ist“, so Kirchmeier. Sein Kollege Florian Lackerschmid bezweifelte, dass es aktuell nur 37 Kormoran-Nester gebe. Gebietsbetreuer Chiemsee Dirk Alfermann schlug ihm vor, sich gemeinsam ein Bild zu machen. Mit Bedauern berichtete Kirchmeier, dass die Netzweberei Vogt ihren Betrieb einstellen werde und man sich nach Alternativen umsehen müsse.
Bericht und Fotos: Markus Müller
Foto 1 (mmü): Zu Beginn des traditionellen Fischerjahrtages der Fischereigenossenschaft Chiemsee auf der Fraueninsel bewegte sich der Kirchenzug zur Klosterkirche. Den von der Blaskapelle Prien untermalten Gottesdienst zelebrierte der Pfarrer Andreas Przybylski. Die Blasmusikanten untermalten auch die Messe und die anschließende Versammlung.
Foto 2 (mmü): Nach dem Kirchenzug gab es im Münster Frauenchiemsee einen Gottesdienst, den Pfarrer Andreas Przybylski zelebrierte. Abschließend gab es dort ein Totengedenken.
Foto 3 (mmü): Nach dem Gottesdienst im Münster Frauenchiemsee begaben sich die Mitglieder der Fischereigenossenschaft Chiemsee in den Gasthof „Zur Linde“, wo im Rahmen des 126. Fischerjahrtags auf der Fraueninsel die Jahresversammlung folgte.
Foto 4 (mmü): Die Chef der Fischereigenossenschaft Chiemsee Florian Kirchmeier, Berufsfischer aus Seebruck, leitete beim 126. Fischerjahrtag auf der Fraueninsel die Versammlung im Gasthof „Zur Linde“ im Beisein zahlreicher Mitglieder und Ehrengäste.
Foto 5 (mmü): Der Leiter der Fischereifachberatung beim Bezirk Oberbayern Dr. Bernhard Gum bedankte sich in der Jahresversammlung der Fischereigenossenschaft Chiemsee für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die man so fortführen werde.
Foto 6 (mmü): Prof. Dr. Herwig Stibor vom Limnologischen Institut Seeon der LMU München informierte die Mitglieder der Fischereigenossenschaft Chiemsee über die sich inflationär ausbreitende Quagga-Muschel. Da eine vollständige Ausrottung „nicht mehr möglich ist“, müsse der Fokus auf Kontrolle, Monitoring und technische Anpassung liegen


















