Im völlig ausverkauften Saal des Kulturforum Klosterkirche eröffneten Traunsteins Oberbürgermeister Dr. Christian Hümmer und Intendant Maximilian Hornung die traditionsreiche 45. Konzertreihe der Traunsteiner Sommerkonzerte. Heuer zieht sich das Element „Feuer“ durch die insgesamt sieben Konzerte, was ein Programm voller Energie, Leidenschaft und Ausdruckskraft bedeute, wie der Intendant versprach.
„Jeden Abend Momente der Verbrennungsgefahr“ meinte Hornung. Der Oberbürgermeister erinnerte an die vor wenigen Tagen verstorbene langjährige dritte Bürgermeisterin der Stadt Traunstein, Sigrid Ackermann, die über Jahrzehnte hinweg eine leidenschaftliche Kämpferin für die Klosterkirche war und der man es mit vielen anderen Ehrenamtlichen zu verdanken habe, dass sich das Kulturforum Klosterkirche jetzt zu einem so unvergleichlichen Ort für Kulturveranstaltungen entwickelt habe. Das weltweit renommierte Hagen Quartett, das seit fast einem halben Jahrhundert zusammenspielt, löst sich als Quartett in dieser Formation heuer offiziell auf. Für dieses sicher letzte Konzert bei den Traunsteiner Sommerkonzerten wählten sie zwei ihrer Lieblingskomponisten aus – Dimitri Schostakowitsch und Franz Schubert, für deren Einspielungen sie in Musikkritiken höchste Maßstäbe setzten.
Einen tatsächlich erschütternden Bezug zur Gegenwart hat das Streichquartett Nr. 3 F-Dur, opus 73, komponiert 1946 von Dimitri Schostakowitsch (1906 bis 1975). Aktueller Bezug ist nicht nur der im August 1975 in Moskau verstorbene russische Komponist, sondern seine Musik erinnert aufwühlend an den derzeit herrschenden Kriegszustand zwischen Russland und der Ukraine, den russischen Angriffskrieg. Das Streichquartett umfasst fünf Sätze, ein folkloristisch anmutendes tänzerisches Allegretto, ein dreiteiliges, witzig pointiertes Moderato con moto, ein Rondo, in dem ein preußischer Parademarsch parodiert wird und im dritten Satz ein Allegro non troppo, bei dem das grauenvolle, böse Treiben des Krieges unverblümt roh dargestellt wird. Die Interpretation von Schostakowitsch` drittem Streichquartett, gespielt von diesen vier begnadeten Musikern ließ keinen Zuhörer unberührt – mit erschütterndem Ernst, tief empfundenem Leid und voller Intensität stellten Lukas Hagen und Rainer Schmidt, Violinen, Veronika Hagen, Viola, und Clemens Hagen auf dem Violoncello die rohe, brachiale Gewalt des Krieges dar. Es flogen buchstäblich die Fetzen, zu sehen auch an den Streicherbögen. Ruhiger, verhaltener wurden die Gefühlsausbrüche dann im Adagio und Moderato, wobei keine wirkliche „Erholung“ stattfinden konnte, weil das Erlebte immer nachhallt. Im Finale greift Schostakowitsch thematisch auf die früheren Sätze zurück, komprimiert sie und steigert die Musik ins Visionäre, Sphärische. Danach herrschte gefühlt längeres Schweigen im Saal, bevor der Applaus losbrach.
Mit Franz Schuberts letztem Streichquartett G-Dur, D 887 folgte nach der Pause ein weiteres großartiges Meisterwerk der Kammermusik. Schubert (1797 bis 1828) schrieb es im Jahr 1826. In diesem letzten und umfangreichsten Werke dieser Gattung herrschen konfliktreiche Gegensätze vor, deren Gewalt den Rahmen der damals gewohnten Kammermusik mehrfach zu sprengen schien. Der solistische Streichersatz, die enorme Klangfülle im Crescendo und bald darauf wieder das Abschwellen, dazu der Wechsel zwischen Dur und Moll, nimmt oftmals orchestrale Züge an. Wie zuvor bei Schostakowitsch gelang es dem Hagen Quartett auch bei Schubert das Publikum vollständig in seinen Bann zu ziehen. Die vier Musiker sind wie eine Einheit unglaublich gut aufeinander eingestimmt, so dass jedes der dargebrachten Werke ein stimmiges, in sich völlig geschlossenes Gesamtkunstwerk ergab. Entsprechend war der Ausdruck der Musik: rein, abgeklärt und ergreifend.
Wieder herrschte anschließend gefühlt mehrere Minuten lang Stille, bevor der ebenso minutenlange Applaus und Bravorufe sich Luft machen konnten.
Bericht und Bilder: Christiane Giesen








