Kultur

Buchtipp: Matthias Meisner & Paul Starzmann, Mut zum Unmut

Veröffentlicht von Günther Freund

Eine Anleitung zur politischen Widerspenstigkeit  und ein Plädoyer, Renitenz nicht den Rechten zu überlassen

Im Vorwort plädiert die Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız für „Ungehorsam sein“. Schon als Kind lernte die türkeistämmige Juristin, sich zu wehren: Als die Versicherung ihrer Eltern deren erstes Auto wegen ihrer Herkunft ablehnte, wandte sie sich an die Ombudsstelle – mit Erfolg. Seitdem lebt sie nach dem Motto „Geht nicht gibt’s nicht“ und kämpft für die Rechte anderer. Diese Haltung führte sie auch zu ihrem Beruf.

In den folgenden 16 Kapiteln zeigen Meisner und Starzmann, wie wichtig es ist, gerade in Zeiten von Resignation und Negativschlagzeilen die „gute Kraft der Renitenz“ zu nutzen – also sich bewusst gegen Ungerechtigkeit, Stillstand und Gleichgültigkeit aufzulehnen. Dabei plädieren sie für eine fröhliche, faire Form des Widerstands: mutig, aber nicht verbittert; entschlossen, aber nicht destruktiv. Mut ist nötig, denn „Quertreiber“ haben hierzulande keinen guten Ruf. Klimaschutzaktivisten etwa zahlen einen hohen Preis, obwohl sie mit ihrem friedlichen Protest für die Einhaltung des Grundgesetzes (Art. 20a: Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen) eintreten. Die Autoren zeigen anhand konkreter Fälle, wie gefährlich es für Demokratie und Zusammenhalt wird, wenn niemand mehr den Mut hat, „Nein!“ zu sagen – weil überall Anpassung verlangt wird. Das Buch ruft dazu auf, Renitenz nicht den Rechten zu überlassen, und zeigt, wie konstruktiver Ungehorsam aussehen kann – ob im Alltag, im Beruf oder auf der Straße. Beispiele reichen von Streiks und Protesten gegen Rechts bis zu propalästinensischen Demonstrationen. Ein historisches Vorbild ist die Hausbesetzerbewegung in Berlin-Kreuzberg: Ohne sie wären viele Altbauten abgerissen worden; stattdessen entstanden moderne Wohnungen und „Safer Spaces“ für von Diskriminierung Betroffene. Auch die Brassband Banda Communale aus Sachsen steht exemplarisch für zivilgesellschaftlichen Widerstand – sie spielt dort, wo rechte Umtriebe laut werden. Besonders aufschlussreich ist zudem die Auseinandersetzung der Autoren mit dem Unterschied zwischen politischer Neutralität und Wertneutralität: Kritik an Parteien sei zulässig, wenn diese Grund- und Menschenrechte missachten – etwa im Fall der AfD. Anhand prominenter Beispiele wie Petra Kelly, Kevin Kühnert, Werner Schulz, Kristina Hänel, Anne Wizorek, Marie von Kuck oder Heidi Reichinnek zeigen Meisner und Starzmann, wie unbequemes Engagement gesellschaftliche Debatten anstoßen kann.

Matthias Meisner, Journalist und Buchautor und Paul Starzmann, Journalist und Afrikanist präsentieren gerade jetzt, wo negative Nachrichten und Resignation alles zu dominieren scheinen, eine hochaktuelle Mischung aus Ratgeber, politischem Sachbuch und Streitschrift. Das Buch ruft dazu auf, Verantwortung zu übernehmen und Zivilcourage zu zeigen – nicht aus blinder Rebellion, sondern aus Bewusstsein, Gerechtigkeitssinn und Gemeinschaftsgefühl. Ein Buch für alle, die mit dem Status quo unzufrieden sind und nach Wegen suchen, Ungehorsam konstruktiv und wirksam zu gestalten.

Buchprofile-Rezension von Günther Freund

Mut zum Unmut, Matthias Meisner & Paul Starzmann, Dietz-Verlag, 246 S., 19,99 Euro

ISBN/EAN:   9783801207076

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Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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