Kultur

Buchtipp: Christine Dwyer Hickey, Alle unsere Leben

Veröffentlicht von Günther Freund

Vier Jahrzehnte umfassende Geschichte zweier irischer Auswanderer in London. 

1979, in einem gnadenlosen, pulsierenden London, begegnen sich zwei irische Außenseiter: Milly, eine junge Ausreißerin, und Pip, ein talentierter Boxer. Milly flieht vor der Enge und dem strengen katholischen Moralkodex ihrer Heimat und stürzt sich Alle unsere Lebenin die aufregende Großstadt, sie findet Arbeit in einem Pub. In dem Lokal kehrt auch Pip, dessen Boxclub gleich daneben ist, gelegentlich ein. Es ist keine Liebe auf den ersten Blick, beide spüren jedoch, dass sie in gewisser Weise füreinander bestimmt sind. Doch es gelingt ihnen nicht, sich fernab ihrer irischen Heimat ein gemeinsames Zuhause zu schaffen. Manchmal treffen sie sich, dann sehen sie sich wieder lange nicht. Dann heiratet Milly den Geschäftsmann Matthew, doch als dieser in Geldprobleme gerät und verschwindet, zieht sie wieder bei Mrs. Oak in dem inzwischen geschlossenen Pub ein und hofft wieder auf Pip. Dieser hat nach seiner Karriere als Boxer diverse Jobs, aber immer wieder Probleme. Er trinkt zu viel, trifft Fehlentscheidungen und muss sogar einmal eine Haftstrafe absitzen. Nach einer Entziehungskur bleibt er trocken und denkt wieder über ein Zusammenleben mit Milly nach, als ihre Wege sich erneut kreuzen..

Die irische Autorin erzählt in ihrem Roman von zwei Iren in London, die mit Familie, Armut, Sucht und Einsamkeit ringen. Mit präzisem Blick fürs Detail, lebendig und zugleich einfühlsam, entwirft sie ein realistisches Bild von gescheiterten Hoffnungen und der schwierigen Suche nach Orientierung. Mit differenziert gezeichneten Figuren und authentischen Umfeldschilderungen thematisiert die Autorin ungeschönt, aber nie übertrieben gefühlsselig soziale Benachteiligung, Isolation und seelische Verletzungen. Die häufigen Wechsel zwischen unterschiedlichen Zeitebenen erschweren allerdings die Lektüre. Insgesamt jedoch berührt die epische Geschichte über Einsamkeit, Freundschaft, Menschlichkeit und die Sehnsucht nach Liebe tief und wird bei sensiblen Leserinnen und Lesern noch lange nachklingen.  (aus dem Englischen von Kathrin Razum)

Buchprofile-Rezension von Günther Freund

Roman, Christine Dwyer Hickey, Unionsverlag (2025), 558 Seiten, ca. 26,00 €

ISBN 978-3-293-00625-6

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Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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