Das seit Jahrzehnten immer neu bestückte Atelierfenster an der Hauptstraße 31 in Staudach-Egerndach, „die kleinste Galerie Deutschlands“, liegt abseits von Städten, Kunstzentren oder anderen touristischen Anziehungspunkten, ebenso das erst seit ein paar Jahren betriebene Atelierhaus G2, Gastätt 2, etwa 500 Meter weiter Richtung Bergen.
Der Bildhauer Carsten Lewerentz, Betreiber beider Kunsthäuser, wollte deshalb die nahen Werke der Bildenden Kunst mal unter dem Aspekt des „Abseits“ betrachten. Denn Positionen des Abseits beinhalten sowohl positive wie negative Standpunkte. So kann das Abseits Räume für Intimität und Geborgenheit bieten, die jemand bewusst sucht, aber auch Orte oder Situationen, in die ein Künstler oder jede andere Person ungewollt gerät oder getrieben wird. Jedes der hier ausgestellten Bildwerke trägt solch positive oder negative Abseitspositionen in sich und erzählt damit Geschichte und Geschichten für den, der sich die Zeit nimmt, sich damit zu befassen.
Beide Seiten des Abseits finden sich vor allem bei Künstlern aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nämlich Willi Geiger, Anton Müller-Wischin, Theodor von Hötzendorff, Käthe Seele, Franz Sales Gebhardt Westerbuchberg (1895 bis 1961) oder Wilhelm Neufeld, die in den Weltkriegen und danach im Chiemgau das Abseits gesucht oder wegen politischer Vorgaben ins Abseits gerieten. Intensiv geben die Bilder von Franz S. Gebhardt-Westerbuchberg Zeugnis von beiden Aspekten des Abseits. Der Maler suchte nach den Erlebnissen des Ersten Weltkriegs Ruhe und Einsamkeit beim Malen wie es die Bilder „Hifel am Westerbuchberg“, „Feldwieser Bucht“ oder „Ein grauer Tag im Chiemgau“ zeigen. Dabei ging es ihm nicht darum, mit sonnigen Chiemgaumotiven zu gefallen, sondern um die Malerei an sich und den Ausdruck seiner Gefühlswelt.
Nach 1945, nachdem er künstlerisch und politisch uneindeutig selbst ins Abseits der Aufmerksamkeit geraten war, wandte er sich auch religiösen Themen zu wie der „Anbetung der Hl. 3 Könige“, auch das ein Geschehen, das damals völlig im Abseits stattfand. Bei den Werken der jüngeren der gezeigten Künstler, darunter mehrere Plastiken von Carsten Lewerentz selbst, geht es ebenso um das gewollte oder ungewollte Abseits in ihrem Leben und Schaffen. So gehört es wohl neben dem Erreichen von Aufmerksamkeit, Gefallen und Verbreitung der eigenen Werke ebenso zum Wesen der Kunst, abseits von Mode, Mainstream und Metropolen, schlicht da zu sein, zu überdauern und Verbindungen zu schaffen. Somit kann der Blick auf Kunst, Künstler und die eigene Situation im Abseits auch zu einem Weitblick werden.
Die kleine sehenswerte Schau „Abseits“ ist bis zum 31. Januar, 2025 zu sehen. Das Atelierfenster ist in den Abendstunden ab 17 Uhr beleuchtet. Es liegt ein Heft für die gern gesehenen Gedanken dazu und Kommentare der Betrachter aus. Auch das Atelierhaus G2 kann nach Anmeldung bis Ende Januar besucht werden.
Bericht und Fotos: Christiane Giesen
– Ein Blick in das– Atelierfenster von Carsten Lewerentz in Staudach Egerndach.
-„Anbetung der Hl. 3 Könige“ von Franz Sales Gebhardt-Westerbuchberg.




