Solidarität & Lichtblicke

BGL: „ECHT FAIR! – im Dialog“

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Veranstaltung setzt Zeichen gegen häusliche Gewalt und beleuchtet Anliegen betroffener Kinder und Jugendlicher

Rund 50 Gäste aus Fachpraxis, Zivilgesellschaft und Politik folgten der Einladung des Präventiven Kinder- und Jugendschutzes zur Veranstaltung „ECHT FAIR! – im Dialog“ ins ReichenhallMuseum. Der Abend fand im Rahmen der interaktiven Ausstellung ECHT FAIR! statt, die von BIG Prävention in Kooperation mit dem PETZE-Institut für Gewaltprävention entwickelt wurde und Gewaltprävention erleb-bar macht. Im Mittelpunkt des Abends standen Fragen, die selten öffentlich diskutiert werden, aber viele Menschen betreffen: Wie erleben Kinder und Jugendliche häusliche Gewalt – und was brauchen sie, um geschützt und gestärkt daraus hervorzugehen?

Häusliche Gewalt als gesellschaftliche Herausforderung

Gleich zu Beginn machte Sarah Conrad, Koordinatorin des Präventiven Kinder- und Jugend-schutzes im Landkreis, in ihrer Eröffnungsrede deutlich: „Häusliche Gewalt ist kein Randphänomen. In nahezu jeder Schulklasse, in jeder Kindergartengruppe, in jedem Verein oder in jeder Nachbarschaft gibt es Kinder und Jugendliche, die miterleben müssen, wie ein Elternteil bedroht, erniedrigt oder verletzt wird – mit oft lebenslangen Folgen. Umso wichtiger ist es, hinzusehen, zu unterstützen und die Zusammenarbeit aller Akteure zu stärken.“

Input aus Wissenschaft, Praxis und Politik

Begleitet wurde der Abend durch fundierte Beiträge ausgewiesener Fachleute:

  • Benedikt Wiesenegger, Leitung Bezirkssozialarbeit
  • Marita Koralewski, Fachbereichsleitung Häusliche Gewalt und Leitung Frauenhaus Rosenheim, SkF Südostbayern
  • Simon Tica, Bereichsleitung Täter*innenarbeit bei häuslicher Gewalt, Diakonie Rosen-heim
  • Andrea Wallner, Leitungsteam, Psychologischen Beratungsstelle der Caritas

Ein besonderes Grußwort sprach Dr. Bärbel Kofler, Bundestagsabgeordnete und Schirmherrin der Veranstaltung. Sie unterstrich, wie notwendig es sei, das Thema aus der Tabuzone zu holen und politisch entschlossen zu handeln – durch mehr Mittel, klare gesetzliche Rahmen-bedingungen und den Ausbau von Schutz- und Hilfeangeboten. Oberbürgermeister Dr. Chris-toph Lung, ebenfalls Schirmherr, konnte an diesem Abend leider nicht dabei sein, wird aber eine Schulklasse im Rahmen der Workshops begleiten.

Was Kinder brauchen

Die Expertinnen und Experten waren sich einig:

  • Kinder müssen früh erfahren, dass Gewalt zuhause nicht normal ist.
  • Schulen und Einrichtungen brauchen Handlungssicherheit, wenn sich ein Kind anver-traut: ernst nehmen, Halt geben, keine falschen Versprechungen machen, Hilfe orga-nisieren.
  • Gesellschaft, Politik und Hilfesysteme müssen gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Ein zentrales Element: Hilfen sichtbar machen. Viele Kinder und Jugendliche schämen sich oder haben Angst, über das Erlebte zu sprechen. Workshops der Ausstellung vermitteln des-halb neben Wissen über Gewalt und Gefühle auch Kommunikations-, Konfliktlösungs- und Hilfekompetenzen, zeigen Anlaufstellen auf und stärken Kinder darin, sich Unterstützung zu holen – auch ohne Wissen der Eltern.

Prävention muss früher beginnen

Eine Publikumsfrage machte deutlich: Reicht Prävention erst ab der weiterführenden Schule? Die klare Antwort der Fachleute: Nein. Prävention muss bereits im Kindergarten, altersgerecht und entwicklungssensibel, beginnen. Prävention bedeute nicht nur, das Thema aus der Tabuzone zu holen und darüber zu sprechen. Sie bedeute auch, Kinder und Jugendliche früh-zeitig dabei zu unterstützen, Gefühle wahrzunehmen, darauf zu vertrauen, zu benennen und zu regulieren, förderliche Formen der Kommunikation zu erlernen und konstruktive Streit- und Konfliktlösestrategien zu entwickeln. Ebenso wichtig sei eine positive Fehler- und Streitkultur, in der Meinungsverschiedenheiten als Chance begriffen werden. Denn – so die Fachleute – fehlende emotionale und kommunikative Kompetenzen begünsti-gen Gewalt. Kinder orientieren sich an den Konfliktlösungsstrategien der Erwachsenen – und diese sind leider oft destruktiv.

Stärkere Unterstützung im Landkreis geplant

Für den Landkreis Berchtesgadener Land gibt es positive Perspektiven. Neben dem Frauen-haus Rosenheim (künftig: „Frauenhaus Rosenheim-Traunstein-Berchtesgadener Land“) und der proaktiven Interventionsstelle entsteht im kommenden Jahr eine neue Beratungsstelle in Bad Reichenhall, die künftig sowohl betroffene Frauen und Kinder als auch Fachkräfte unter-stützen wird.

Gemeinsam Verantwortung übernehmen

Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, wie groß der Bedarf nach Austausch, fachlichem Input und Vernetzung ist. Das starke Interesse der Teilnehmenden war ein klares Zeichen: Häusli-che Gewalt geht alle an – und nur gemeinsam kann der Schutz von Kindern, Jugendlichen und Familien dauerhaft verbessert werden.

Informationen zu Hilfs- und Unterstützungseinrichtungen finden Interessierte unter: www.praevention-bgl.de. Für Fragen steht Sarah Conrad, Koordinatorin Präventiver Kinder-und Jugendschutz gerne zur Verfügung: sarah.conrad@lra-bgl.de oder +49 8651 773-428.

Bericht: Landratsamt Berchtesgadener Land

Bildnachweis: Simon Eder, Büroleiter Wahlkreisbüro Dr. Bärbel Kofler, MdM


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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