Der Gemeinderat hat in seiner öffentlichen Sitzung am 23.9. einstimmig beschlossen, das Pilotprojekt „ROSI-Mobil“ im Gemeindegebiet Aschau i.Chiemgau zum 30.9.2025 einzustellen. Damit beendet der Gemeinderat das Rätselraten um die Kosten für das ROSI-Mobil für die Gemeinde Aschau
„Die Kosten-Situation ist auch nach über drei Jahren immer noch unklar“, kritisiert Simon Frank, 1. Bürgermeister der Gemeinde Aschau im Chiemgau. „Wir haben keinen Überblick über die tatsächlichen Projekt-Ausgaben – es fehlen aktuell Nachtragsrechnungen aus dem abgeschlossenen 3. Betriebsjahr sowie die Rechnungsstellungen für das laufende 4. Betriebsjahr. Es fließt momentan unkontrolliert Geld ab. Der sorgsame Umgang mit dem Geld der Steuerzahler ist eine hohe Verantwortung – der Gemeinderat hat diese Verantwortung hier bewusst wahrgenommen. Die Botschaft ist eindeutig, die Gemeinde wird keinen Blankoscheck für die Zukunft der ROSI ausstellen.“, so Frank weiter.
ROSI-MOBIL, gut gedacht, aber schlecht gemacht
Ein Projekt, dass immer neue Probleme aufwirft und deren finanzielle Anforderung keine Grenzen zu kennen scheint, will die Gemeinde Aschau nicht weiter unterstützen. Die Zweifel an einem professionellen Projektmanagement konnten nicht ausgeräumt werden.
Ausgangslage
Mit der Absicht, den On-Demand-Verkehr im ländlichen Raum zu fördern, hat der Gemeinderat am 19.2.2019 die Projektbeteiligung – damals unter dem Arbeitstitel „IST-Mobil“- mit Mehrheit bewilligt und in einer späteren Sitzung am 15.6.2021 konkretisiert. Auf der Basis der vorgelegten Businessplanung hat die Gemeinde Aschau einen Defizitzuschuss für durchgeführte Fahrten in Höhe von insgesamt 175.000.- € für 6 Betriebsjahre bewilligt und haushaltsrechtlich eingeplant. 11 kreisangehörige Gemeinden waren zu Beginn dabei. Die Gemeinde Samerberg schied im Mai 2025 aus. Nach eigenen Angaben wegen schlechter Verfügbarkeit der Busse und einem hohen Defizitbeitrag von etwa 50.- € pro Fahrt.
Bus auf Bestellung als Konkurrenz zum ÖPNV/ Taxigewerbe?
Ein Rufbussystem im ländlichen Raum ist dem Grunde nach unterstützenswert. Das Angebot ROSI sollte ursprünglich die „letzte Meile“ überbrücken, die vom ÖPNV nicht angefahren wird. Wegen der niedrigen Fahrpreise und der flexiblen Handhabung, wird ROSI aber überwiegend als „preiswertes Taxi“ genutzt, nicht als Zubringer zum ÖPNV (also zur nächsten Bushaltestelle/ zum nächsten Bahnhof). Das ROSI-Projekt steht damit oft in praktischer Konkurrenz zu bestehendem hochsubventioniertem ÖPNV-Angebot. Eine Fehlsteuerung mit gravierenden Folgen! Ausweislich der Presseberichterstattung betrugen die Verluste des Projektes in den ersten beiden Betriebsjahren insgesamt 1,7 Mio. €. Der Verlust des 3. Betriebsjahres, das am 30.4.2025 endete, ist bis heute nicht bekannt. Eine Prüfung der Zahlen ist aufgrund fehlender Informationen nicht möglich. Die Rechnungslegungen aus dem 3. Betriebsjahr sowie für das angelaufene 4. Betriebsjahr, liegt nicht vor. Die Buchführung liefert weiterhin keine seriöse Planungsgrundlage.
Keine Projektorganisation. Keine Steuerung. Keine Verantwortung.
Zu einer Projektorganisation gehören klare Strukturen, definierte Verantwortlichkeiten, effiziente Kommunikation, Flexibilität und Zielorientierung. Bei dem Projekt gibt es wohl nur wenig klare Regelungen. Auch lange bekannte technisch-organisatorische Defizite wurden nicht beseitigt. Diese Systemfehler sorgen auch bei den Fahrgästen immer wieder für Unmut. Nach einem OVB-Artikel vom 14.8.2025 beschreibt das LRA seine Aufgaben selbst wie folgt: „Alle Entscheidungen bezüglich der ROSI werden von den Gemeinden getroffen. Das LRA unterstütze die Gemeinden bei der Umsetzung sowie der Buchhaltung und dem Back Office. Den Gemeinden, die eine vertragliche Fixierung der Zusammenarbeit wünschen, stehe es frei, einen Vertrag zu entwerfen“, so das LRA auf OVB-Nachfrage.
Sektorenkonzept ab dem 4. Betriebsjahr, Auswirkungen unklar
Ende März 2025 teilte das LRA RO mit, dass die Gesellschaft RoVG gelöscht wurde und die Fahrten nunmehr von der DB Regio Bus Bayern GmbH (DRB) durchgeführt/ gemanagt werden. Diese schlagen das sog. Sektorenkonzept vor, mit dessen Umsetzung ab dem 1.5.2025 eine Defizitsenkung durch Fahrtenreduzierung und eine Verdopplung der Fahrpreise erreicht werden soll. Der Fahrpreis liegt bei rd. 1 € pro gefahrene Kilometer. Mit dem Deutschlandticket ist der Preis bei 3 € gedeckelt. Seitens des Landratsamtes wurde die Umsetzung für eine Testphase von einem Jahr (also bis Beendigung der aktuellen Legislaturperiode) empfohlen. Der Gemeinderat nahm diese Information zur Kenntnis. Die jüngsten Auswirkungen nach Einführung des Sektorenmodells auf Kundenverhalten und Wirtschaftlichkeit sind nicht bekannt.
Keine Fördermittel ab dem 4. Betriebsjahr
Anfang Juli 2025 teilt das LRA auf Nachfrage mit, dass die Fördermittel derzeit nur bis zum 3. Betriebsjahr bewilligt sind. Die eingeplanten Fördermittel für die Betriebsjahre 4 bis 6 seien aktuell nicht bewilligt. Der Businessplan und die Geschäftsgrundlage für die Beschlussfassungen stehen allein diesbezüglich in schwerem Zweifel. Übrigens wurde nach Ablauf des ersten Betriebsjahres auf Nachfrage mitgeteilt, dass die staatl. Fördermittel ohnehin nicht 10 Euro pro Einwohner betragen, sondern nur in Höhe von 6 Euro bereitgestellt werden.
Finanzielle Auswirkungen
Bei einem per Gemeinderatsbeschluss genehmigten Projekt-Zuschuss für 6 Betriebsjahre in Höhe von 175.000.- € hat die Gemeinde Aschau bislang einen Defizitzuschuss für durchgeführte Fahrten in Höhe von rd. 100.000.- € gezahlt. Voraussichtlich weitere 50.000.- € (interne Hochrechnung Gemeinde Aschau) sind für die fehlenden Rechnungen für das 3. Betriebsjahr und die ersten Monate des 4. Betriebsjahres 2025 anzusetzen. Ein Ausblick für den Abschluss des 4. Betriebsjahres ergibt rd. 193.000.- €. Damit wird das ursprünglich veranschlagte Gesamt-Budget bereits weit vor dem Ende des lfd. Pilotprojektes überschritten. Eine im Juli 2024 beschlossene Budgeterhöhung auf 225.000 € wurde nicht wirksam, weil die Auszahlungsvoraussetzungen nicht erfüllt wurden.
Fazit
Eine Fortführung des Projektes ROSI unter den festgestellten Bedingungen ist nach Auffassung des Gemeinderates nicht weiter zu verantworten. Die Entscheidung ist sicherlich nicht leichtgefallen. Die anwesenden 18 Gemeinderatsmitglieder fassten einstimmig den Beschluss, das Pilotprojet Rosi-Mobil zum 30.9.25 im Gemeindegebiet Aschau i.Chiemgau zu beenden und die Gesamt-Schlussrechnung beim LRA Rosenheim einzufordern. Unprofessionelles Projektmanagement, Unkalkulierbarkeit und damit einhergehend der unkontrollierte Abfluss von Steuergeldern hat den Aschauer Gemeinderat zu dieser unbequemen und nicht leichtfertig getroffenen Entscheidung bewogen. „Das Projekt war gut gedacht und für den Nutzerkreis sicherlich attraktiv. Es gab nun aber nichts mehr auszusitzen oder hinsichtlich der Kommunalwahl 2026 zu taktieren. Der Gemeinderat hat die rechtliche Situation erkannt, ernstgenommen und rechtzeitig die Reißleine gezogen – auch das gehört zum Verantwortungsbewusstsein im Sinne der treuhändischen Verwaltung der Steuergelder unserer Bürgerinnen und Bürger“, so Bürgermeister Simon Frank resümierend und ergänzt: „Wir werden uns weiter Gedanken zu ÖPNV-Angeboten machen und uns zunächst neu sortieren, selbstverständlich gerne mit unseren Nachbargemeinden.“
Bericht: Gemeinde Aschau i. Chiemgau – Foto: Hötzelsperger






