Seit 26 Jahren bringen Dorothea Steinbacher und Judith Kumpfmüller mit ihrem Altbayerischen Festtags- und Brauchtumskalender allen Lesern die altbayerische Kultur nahe, „auf dass immer mehr Menschen unsere Traditionen kennen, achten und weitergeben“, schreiben die beiden Autorinnen im Vorwort. Auch in der 27. Ausgabe haben sie vom Berchtesgadener Land bis zur Oberpfalz Bräuche „aufgestöbert“ und wollen alle „mit ihrer Begeisterung für die bayerische Brauchtumslandschaft anstecken“.
Traditionell gibt es einen Kalenderteil mit Namens- und Festtagen, sowie Bauernregeln, Hinweise auf Veranstaltungen (wie Märkte, Festspiele, Faschingsumzüge, Passionsspiele, Maibaumfeiern, Sonnwendfeuer oder Christkindlmärkte), einen Mondkalender, einen Aussaat- und Pflanzkalender, oder den Hundertjährigen Kalender. Im Textteil wird über den Ursprung von Bräuchen und Festtagen informiert und mit Traditionsrezepten der Mund wässrig gemacht (zum Beispiel für „Zimtstriezel“). Hausmittel zur schnelleren Genesung lernt man ebenso kennen, wie vergessene Wörter der bairischen Sprache, etwa „okenten“ für „anzünden“ oder „a Hoaglade“ (für eine etwas schwierige Person).
Eine Abendbeschäftigung am Bauernhof im Winter war zum Beispiel das Zerschneiden von zerschlissener Kleidung oder Bettwäsche in lange Bänder, aus denen ein Weber einen Fleckerlteppich entstehen ließ, ist im Januar zu lesen. „Wie der Elefant Solimann im 16. Jahrhundert auf dem Inn fuhr“, darüber kann der interessierte Leser ebenfalls im Januar staunen, genau so wie über einen Schäfflertanz nach Münchner Vorbild in Geiselhöring. Was beim Treiben der Habergoaß passiert, dass Krapfen gegen Falten helfen und die Herrenfastnacht den Geistlichen gilt, ist ebenfalls im Kalender beschrieben. Die Heilige Agatha und die Bräuche, die am 5. Februar mit ihrer Verehrung verbunden sind, das Heilige Grab in Höglwörth vor Ostern oder die Geschichte der Ostereier lassen Traditionen lebendig werden. Die Öffnung im Deckengewölbe vieler Kirchen hatte als „Heilig-Geist-Loch“ Bedeutung, denn am „Auffahrtstag“, wie Christi Himmelfahrt früher hieß, sei die biblische Geschichte „begreiflich“ gemacht worden, indem eine Christusfigur in das Gewölbe hinaufgezogen wurde. Umgekehrt kam bis zur Aufklärung um 1800 während des Pfingsthochamtes durch das „Heilig-Geist-Loch“ eine hölzerne Taube ins Kirchenschiff herab.
Der interessierte Leser lernt Sagengestalten, wie den Bilmesschneider oder die Waldhexe kennen, aber auch den Brauch des „Pfingstls“ und des „Pfingstschwanzes“ oder des „Bluadigen Dammerl“ in der Thomasnacht des 20. Dezember (des blutigen Thomas). Wissenswert ist auch alles rund um das Bergknappenfest in Berchtesgaden im Mai oder über die Kammerwägen, sowie die „Anschieaßa“ und ihre Aufgabe. Und wofür steht eigentlich der Begriff „Kocherl“? Feierlichkeiten an den verschiedenen Orten – die Tutzinger Fischerhochzeit oder der Leonhardiritt in Wonneberg bei Waging am See, der Kirta im kleinen Dorf Handlab in der Nähe von Iggensbach oder das Irmengardfest auf der Fraueninsel – können aufgesucht werden. Wo die Wallfahrtskirche mit dem Beinamen „bayerisches Bethlehem“ steht, ist ebenso spannend, wie die Frage, auf welchem Berg der bayerischen Alpen das höchste Kreuz steht, und welche Besonderheit es aufweist. Und wer hätte gedacht, dass es eine Berufsgruppe gibt, die bereits am 30. September Sylvester feiert? Sankt Wilgefortis – entstanden aus „virgo fortis“ (die tapfere Jungfrau) – sei am Hochaltar in Neufahrn zu bewundern: eine gekreuzigte Jungfrau, der auf eigenen Wunsch ein Bart gewachsen ist, damit sie ihrer Verheiratung entgehen konnte. Die Geschichte des Adventskranzes und des wächsernen Fatschenkindls (von dem lateinischen Wort „fascia“ für Windel oder Band) schließen die Sammlung der, über das Jahr verteilten Traditionen und Bräuche ab. Ein Kalender, der mit einem neuen Blick Heimatverbundenheit mit Wissenswertem und Geschichtlichem verbindet.
Bericht und Repro: Brigitte Janoschka – Titelbild des Altbayerischen Festtags- und Brauchtumskalenders




