Freizeit

Ainringer Märchenwanderung

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Die Märchenfreunde hatten Glück, denn fast pünktlich zur Erzählwanderung hinauf zur Kugelmühle hörte es auf zu regnen. Steffi Schönlinner, die in Ainring geboren ist und nun in Tittmoning lebt, erzählte den Kindern und Erwachsenen Geschichten, von denen alle etwas hatten, denn es gab immer auch eine versteckte Botschaft, über die die Großen nachdenken konnten, während die Kinder noch mit der spannenden Handlung gedanklich beschäftigt waren.

Wie eine Schauspielerin änderte Steffi Schönlinner Stimmfärbung und Mimik und holte die Kinder da ab, wo sie in dem jeweiligen Augenblick waren. Sie stellte ihnen Fragen und regte sie zum Mitdenken an, und wenn sie bemerkte, dass ein Kind unaufmerksam wurde, weil es vielleicht die Geschichte schon kannte, zupfte sie ihr Kalimba-Instrument an und lockte mit diesen Klängen „die richtige Geschichte für diesen Ort“ herbei. An mehreren Stationen wurde Halt gemacht und alles lauschte gebannt ihren Worten – eine schöne Veranstaltungsidee des Kulturvereins.

Die erste Geschichte am Kneipp-Becken handelte von einem weisen blinden Mann, der „mit den Ohren sehen konnte“. So konnte er Dinge wahrnehmen, die anderen verborgen waren, auch dass ihn der Jäger, mit dem er auf der Jagd war, um den wunderschönen Vogel in seiner Käfig-Falle betrog und ihm den unscheinbaren Spatz aus seiner eigenen Falle gab. Auf die Frage des Jägers, warum es so viel Hass und Kriege auf der Welt gebe, antwortete er: „Weil es so viele Menschen gibt wie dich, die Dinge nehmen, die ihnen nicht gehören“. Da gab der Jäger den schönen Vogel an den Blinden als rechtmäßigen Besitzer zurück. Warum es auch so viel Liebe in der Welt gebe, wollte der Jäger von dem weisen Mann wissen. „Weil es viele Menschen gibt wie dich, die aus ihren Fehlern lernen und sie wieder gut machen“.

Weiter ging es auf dem Franziskusweg Richtung Kirche. An den beiden Stationen zum Tod unten und oben an der Friedhofsmauer ging es um eine Prinzessin, die nur den Mann heiraten wollte, der drei Rätsel lösen konnte. Derjenige, der bereit war, seine Brotzeit mit einem Weiblein zu teilen, erhielt von diesem gute Ratschläge, die er auch klug beherzigte und so zum Erfolg kam. So wurde der arme Bauernbursch zum König. Auch in der Geschichte von der zerbrochenen Schüssel am Aufgang zum Kreuzweg wurde das vermeintlich Kaputte am Schluss gelobt, weil durch den Sprung in der Wasserschüssel Blumen am Wegrand gegossen wurden und blühen konnten. „Wenn du nicht so wärst, wie du bist, hätten wir nicht so schöne Blumen“, sagte die Wasserträgerin zur kaputten Schüssel und stärkte so ihr Selbstbewusstsein und damit auch das Selbstvertrauen der Kinder.

An der Kugelmühle entlang des Franziskuswegs angekommen, begrüßten die „Kugelmüller“ Hans Höglauer und Dr. Wolfram Noreisch die Gruppe. Noreisch zeigte den Kindern einen Korallenstein. Das sei der Beweis, dass hier früher ein Meer war. Anschließend erklärte er die Funktionsweise der Kugelmühle, die im Mai 2018 fertiggestellt wurde, sowie den Werdegang der Kugeln. Er ließ mit Hilfe von Hans Höglauer, der im Wasserabfangbecken den Hahn aufdrehte, Wasser durch das Deichel auf die Mühle fließen und zeigte danach, wie die Kugeln „geerntet“ werden können, nachdem sie sechs Stunden in einer Rille im sogenannten Schleifer aus Högler Sandstein im Kreis gedreht und geschliffen worden waren. In den Gängen gehalten werden die Kugeln durch einen oberen beweglichen Teil aus Hartholz, dem Läufer, an dem die „Taufeln“ (Schaufeln) befestigt sind.

In Anlehnung an Salzburg hat Ainring nun auch eine Frau im Fels: Der Steinmetz Stefan Wimmer hatte dafür eine wunderschöne Figur übergeben, die in einer Aussparung der Staumauer hinter der Kugelmühle ihren Platz finden durfte. Ein wunderschönes Kleinod und Aufwertung des Kraftortes an der Kugelmühle. Ein Nachmittag mit Nachhaltigkeit für alle Sinne.

Bericht und Fotos:   Brigitte Janoschka

8366: Mit ihrem Kalimba-Instrument wünscht sie sich die passende Geschichte für diesen Ort herbei: Erzählkünstlerin Steffi Schönlinner.

8377: Stolz zeigt Dr. Wolfram Noreisch die fertigen Kugeln her.

8374: Fasziniert beobachten die Kinder, wie das Wasser aus dem Deichel auf die Kugelmühle herausschießt.

8380: Seit kurzem ziert diese Statue die Staumauer hinter der Kugelmühle.

8360: Alle singen das Lied von den tanzenden Ziegen, das schließlich zur Lösung der drei Rätsel führt.

 


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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