In die Zeit der Renaissance und des Frühbarock entführten die Musiker der Ensembles „Le Nuove Musiche“ aus Bratislava (Leitung Jakob Mitrík, Laute) und „Capella dell’halla“ aus Bad Reichenhall (gegründet von Robert Schlegl) unter der Gesamtleitung von Jörn Andresen die leider nur überschaubare Zahl von Besuchern im Königlichen Kurhaus.
Mit dem Hauptwerk des Programms „Pastori di Bettelemme“ (Die Hirten von Bethlehem) von Giovanni Kapsberger (1580-1651) zeigten sie stimmgewaltig und in einer historisch informierten Aufführung, dass es schon vor Johann Sebastian Bach ein bemerkenswertes Weihnachtsoratorium gegeben hat. In den beiden Ensembles musizieren auf historischen Instrumenten zwei Geiger und drei Barockposaunisten (Capella dell’halla), sowie zwei Viole da Gamba, Barockgitarre, Lira da Gamba, Renaissance-Blockflöte, Sordellina (frühbarocke Sackpfeife), Laute und Orgel, sowie drei Soprane, ein Altus, Tenor und Bass (Le Nuove Musiche). Barockposaunist in der Capella dell’halla und Vorsitzender der Andreas-Hofer-Gesellschaft, Robert Schlegl, stellte die Gäste aus Bratislava vor und führte in das Programm ein, in dem auch Werke des in Reichenhall geborenen Andreas Hofer (1628-1684) erklangen: „Vox in rama“, „Gaudent caeli“ und „Estote fortes“ aus „Ver sacrum seu flores musici“ („Heiliger Frühling oder musikalische Blüten“), sowie „Hymnum cantate“ aus „Salmi e motetti“.
Den Anfang machte „Canzon Bergamasca“ von Samuel Scheidt (1587-1654), und beschlossen wurde das Konzert mit dem gemeinsam gesungenen „Es ist ein Ros’ entsprungen“ von Michael Praetorius (1571-1621). Dem Trauergesang Rahels um ihre Kinder („Vox in rama“) stand unmittelbar der Jubelgesang „Gaudent caeli“ gegenüber, der Johannes, den Täufer und seinen Bezug zum „Wort Gottes“ besingt. Dieses ist Fleisch geworden, „Johannes sah es, nahm es und offenbarte es dem Volk“. Der fromme Geist solle mit diesem Anführer, dem geliebten Jünger Gottes, bis zu den Sternen fliegen, heißt es im Text. Musikalisch ist es einer Opernarie ähnlich, in der die Affekte und Gefühle durch Klang und Rhythmus vermittelt werden, zum Beispiel mit einem tänzerischen Dreiviertel-Takt bei „gaudent caeli“ (Die Himmel jubeln) oder einer Fuge, deren verschiedene Einsätze für die Vielfalt der menschlichen Gebete steht.
Die Verschränkung der vorzüglichen Stimmen, der Koloraturen und Virtuosität, sowie bedeutungsvolles Interpretieren zeichneten die großartigen Darbietungen aus. „Die Hirten von Bethlehem“ begann mit einem gesungenen prophetischen Gebet von Suzana Badárová, in dem das Licht Gottes und seines Sohnes der Dunkelheit der Welt gegenübergestellt wird. Die Sängerin bittet inständig darum, dass der Sohn Gottes auf die Erde kommen möge. „Mache unsere Verfehlungen durch deine Gnade wieder gut“, sang sie und kündigte Hirtenstimmen an. Bevor diese zu Wort kamen, wurde ein „locus amoenus“ besungen, ein lieblicher Ort im Idealzustand des Friedens und der Liebe.
Der erste Hirte, Sopranistin Carly Power, betete, es möge „der Herr aus Himmelshöhen nahen“. Auch der zweite Hirte (Hilda Gulyás) kannte die Verheißung, der dritte (Altus: Yosemeh Adjei), der vierte (Tenor: Itamar Hildesheim) und der fünfte Hirte (Bass: Filippo Turkheimer) zitierten Gedanken aus dem Alten Testament. Diese Hirten wissen, dass der Sohn Gottes geboren werden wird, sie beten zu Gott und wollen – im Sinne des Johannes – umkehren und ihr Leben ändern, um sich würdig zu erweisen. Sie werden also nicht von der Verkündigung des Engels (Suzana Badárová) überrascht, sondern dieser bestätigt ihre Vorahnungen. Nun können sie „in einer ärmlichen Hütte, die zum Paradies geworden ist“ „mitten in der Nacht die Sonne schauen“. Sie machten sich auf den Weg, und die Wirklichkeit bestätigte ihre Vorahnungen. Sie beteten das Kind in der Krippe an.
Der Erzähler (Tenor Itamar Hildesheim) pries dann das goldene Zeitalter, das wie der zuvor besungene „locus amoenus“ durch die Krippe Wirklichkeit wurde. Die drei Soprane erklärten als Engel die Bedeutung der Christgeburt und blickten voraus auf seinen Tod. Mit einem poetischen Wiegenlied sangen sie das Christuskind in den Schlaf und endeten im Pianissimo. In diesem Weihnachtsoratorium empfangen die Hirten nicht nur passiv die Verkündigung, sondern sie bereiten sich durch ihr Gebet auf diese vor und richten ihr Leben aktiv danach aus. Dieses tiefgehende Oratorium beschreibt eine Entwicklung des Geschehens und geht so über die biblische Erzählung hinaus. Großartige Musik und großartiger Vokal- und Instrumentalklang!
Nächstes Konzert im Königlichen Kurhaus am 30.12.25, 17 Uhr: Michelangelo Falvetti, Oratorium Il diluvio universale (Die große Sintflut) mit dem Blick auf die Natur durch die Brille von Kunst und Musik.
Bericht und Fotos: Brigitte Janoschka
4484: Großartig boten die sechs Sänger und die Instrumentalisten mit Jörn Andresen an der Truhenorgel das Geschehen um die Hirten dar: Yosemeh Adjei (Altus, von links), Carly Power, Filippo Turkheimer (Bass), Jörn Andresen, Itamar Hildesheim (Tenor), Suzana Badárová und Hilda Gulyás (alle Sopran).
4493: Musiker der Capella dell’halla mit Barockposaunist Robert Schlegl aus Bad Reichenhall (rechts) und von “Le Nuove Musiche” mit historischen Instrumenten unter der Gesamtleitung von Jörn Andresen an der Truhenorgel
4516: Applaus für “Le Nuove Musique” und die Capella dell’halla unter der Gesamtleitung von Jörn Andresen. Neben ihm Barockposaunist Robert Schlegl






