Brauchtum

Trachtler sein im Wandel der Zeit

Die bayerische Trachtenkultur zeigt sich lebendig und vielfältig und das nicht nur am Oktoberfest. Nachfolgender Bericht beleuchtet die Entwicklung der Trachtenbewegung, ihren Wandel zwischen Tradition und Moderne sowie die Bedeutung gemeinsamer Erlebnisse für kommende Generationen.

„Mir ham fei jetzt net Oktoberfest“ diesen Ausspruch bekamen wir zu hören, als wir im Frühjahr eine Münchner U-Bahn in Dirndl und Lederhosen betraten. Zum Glück ist die bayerische Gwandkultur in den ländlichen Regionen noch nicht auf einen Zeitraum von zwei Wochen im September reduziert. Vielmehr kann man von einer lebendigen Trachtenlandschaft sprechen, die von Trachtenvereinen, Musikkapellen oder Schützen getragen wird.

Entstehung der Trachtenbewegung

Der Lehrer Josef Vogl hatte 1883 die Idee, einen Verein zum Erhalt der „schönen Trachten“ in Bayrischzell zu gründen. Die neuen „Gebirgstrachten-Erhaltungsvereine“ pflegten nicht nur das Gwand, sondern kümmerten sich auch um alte Traditionen, Volksmusik und Gemeinschaft. Nach dem Ersten Weltkrieg schwappte die Trachtenbewegung heraus ins Alpenvorland und so gründeten sich 1921 auch in Kaufbeuren und Westendorf Trachtenvereine.

Die Mobilität der Trachtler

Vom Epfacher Trachtenverein ist eine Anekdote überliefert, als eine Gruppe 1930 zu einem Trachtenaufmarsch nach Rosenheim fuhr. Damals mit einem Holzvergaser-Lastwagen nahmen alle auf der offenen Ladefläche Platz und auf dem Heimweg wurden sie durch ein heftiges Gewitter patschnass. Später wurden Busse genutzt, was bei manchen Vereinen für weitere Strecken zur Trachtenfesten bis heute eingesetzt wird. Der moderne Trachtler fährt am liebsten mit seinem Auto zum Trachtenfest und nimmt maximal eine weitere Person mit, wodurch Auto-Karawanen wie beim Oberen-Lechgaufest in der Wies entstehen. Während für die Epfacher vor 100 Jahren die Fahrt nach Rosenheim etwas Besonderes war, so besuchte die Lechgaukapelle 2019 das Gaufest in Washington oder die Westendorfer Plattlergruppe war in Florida. Überhaupt müssen die Trachtler heute globaler und toleranter sein, denn wenn das Pflegekind einer bayerischen Familie eine schwarze Hautfarbe hat, so darf es trotzdem bei der Plattlerjugend mitmachen.

Laptop und Lederhose

Roman Herzog, Bundespräsident von 1994 bis 1999 definierte den Spruch „Laptop und Lederhose“ und lobte damit Bayern, das den Spagat zwischen Tradition und Fortschritt bewältigte. Diese Aussage war auch eine besondere Ehre für die bayerische Trachtenbewegung, die es trotz der Technisierung schaffte, immer wieder junge Menschen für Tracht und Brauchtum zu gewinnen. Heute müsste man eher sagen „Handy und Lederhose“, denn wenn man die Burschen bei heutigen Trachtenumzügen beobachtet, kann man die Ausbeulung in der Lederhose erkennen, hinter der das Handy steckt. Man sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass sich bei einigen Trachtlerinnen und Trachtlern heute unter dem Gwand ein Tattoo versteckt.

Probentermine per Whatsapp

Es gibt wohl keine Plattlergruppe mehr, die nicht über eine Whatsapp-Gruppe ihre Probentermine weitergibt. Sogar der Vereinsvorstand verschickt seine Ankündigung zum Heimatabend, Versammlung oder Ausflug über Whatsapp und Instagram. Denn wer schaut heute noch an eine dörfliche Anschlagtafel? Auch die Leser einer klassischen Tageszeitung werden immer weniger.

Das Handy ist allgegenwärtig und trotzdem muss uns bewusst sein, dass es in 20 Jahren durch eine revolutionäre Neuerung ersetzt sein könnte. Die Trachtenvereine in Bayern gibt es schon seit 140 Jahren und wird es auch in 20 Jahren noch geben.

Gänsehautmomente erleben

Beim diesjährigen Lechgau-Trachtenfest in Rott fand der Gottesdienst im Freien und vor herrlicher Bergkulisse statt. Wenn zum Abschluss die Bayernhymne aus tausend Kehlen und alle im Trachtengwand erklingt, dann ist das ein besonderer Moment. Nun schließe ich wieder mit einer Anekdote vom Oktoberfest. Die Apfeldorfer Trommler und Trachtenkapelle waren 2022 beim Trachten- und Schützenzug in München dabei. Mit dem Regimentsmarsch zogen sie zum Abschluss in das große Festzelt ein und schafften es, dass die Stimmungsband auf der Bühne abbrechen musste. Die tausenden Besucher auf den Bierbänken stutzten zunächst und waren dann aber so begeistert, dass sie eine Zugabe spielen mussten. Das sind die Gänsehautmomente, die man als Trachtler erleben darf und die wir unbedingt an die Jugend weitergeben müssen.

„Dem guten Neuen sollte man sich nicht verschließen, nur das Herz darf es einem nicht kosten“ lautet ein weiser Spruch. In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass wir Bayern trotz aller Veränderungen unsere tiefe Verwurzelung zu Heimat und Tracht bewahren.

Beitrag und Bildmaterial: Rosi Geiger


Redaktion

Toni Hötzelsperger

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