Kultur

REI: Philharmoniker mit Kantorei Traunstein

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Ökumene mit „protestantischem Programm in der katholischen Hochburg“  – Reformations-Sinfonie und Deutsches Requiem öffneten Klangräume

Bad Reichenhall. Besser hätte es nicht passen können: Die Aufführung der Reformations-Sinfonie von Felix Mendelssohn-Bartholdy am Reformationstag und „Ein Deutsches Requiem“ von Johannes Brahms abgestimmt auf Allerheiligen am darauffolgenden Tag. Diese Verknüpfung von Musik und Jahreszeit in der profanen Gattung der Sinfonie mit geistlichen Inhalten, sowie im Requiem verstärkte die Botschaft beider Kompositionen und ihre Wirkung auf die Zuhörer, die ihrer Begeisterung beim Applaus freien Lauf ließen und zeigten, wie sehr sie sich angesprochen fühlten. Alle Mitwirkenden wuchsen zu einem großen Ganzen zusammen. Die zwei Chöre, der Motettenchor der Evangelischen Stadtkirche Bad Reichenhall (Einstudierung KMD Matthias Roth) und die Kantorei Traunstein (Einstudierung Kantor Matthias Bertelshofer) mit knapp 100 Sängerinnen und Sängern bei Brahms wurden zu einem homogenen Klangkörper, der einem Profi-Chor in nichts nachstand – gesanglich, musikalisch und gestalterisch.

GMD Daniel Spaw dirigierte kraftvoll und energiegeladen – er war Chor- und Orchesterleiter in einer Person, artikulierte den Text stumm mit und dirigierte nicht nur das Orchester, sondern fühlte sich auch deutlich in die Bedürfnisse des Chores ein. Die Sopranistin Francesca Paratore (V. Satz) und der Bariton Seho Chang (III. Und VI. Satz) – beide international gefragt – waren das Sahnehäubchen, die das Deutsche Requiem von Brahms zu einem strahlenden Oratorium machten. Brahms veränderte das Gebet für die Verstorbenen, wie es in der lateinischen Totenmesse (Requiem) üblich war, hin zu Trost für die Hinterbliebenen in der deutschen Sprache. Inhaltlich schlägt er einen Bogen von der Seligpreisung der Trauernden („die da Leid tragen“) hin zu den Toten („die in dem Herrn sterben“). Zu Beginn begrüßte Daniel Spaw zum letzten Konzert der Abo-Reihe, das gleichzeitig die Spielzeit beendet. Er stellte das „protestantische Programm in der katholischen Hochburg“ vor als einen „wichtigen Teil der Kulturgeschichte der deutschen Sprache“. Denn die Reformation habe diese durch Martin Luthers Bibelübersetzung verändert. Die Reformations-Sinfonie beginne mit einem Ton, aus dem zwei und mehr Töne werden, bis ein Choral entsteht, ebenso „wie durch einen Menschen eine ganze Bewegung entstehen kann“, so Spaw, der seine Ergriffenheit in seinem Dirigat deutlich zeigte. Nach dem heiteren, irdisch-tänzerischen Intermezzo im zweiten und der wehmütigen Melodie eines jüdischen Volkslieds im dritten Satz schloss sich der Kreis im vierten Satz mit der Choralbearbeitung von „Ein feste Burg ist unser Gott“. Aus dem Bläserchoral öffnete sich nach und nach mit immer mehr Instrumenten und Variationen der Choralmelodie ein weiter Klangraum mit einer bewegenden Wirkung – musikalisch und spirituell.  Ein bemerkenswertes Konzert mit zwei Chören, einem Klangkörper, zwei hervorragenden Gesangssolisten und dem wunderbaren Orchester der Reichenhaller Philharmoniker mit einem Klasse-Dirigenten, der daraus ein großes Ganzes schuf.

Bericht und Foto: Brigitte Janoschka

2659: Frenetischer Applaus für Matthias Roth (von rechts), Daniel Spaw, Francesca Paratore, Seho Chang und Matthias Bertelshofer, die beiden Chöre, sowie die Bad Reichenhaller Philharmoniker

Kantorei Traunstein und Motettenchor glänzen bei „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms   –   Der Gesang ergriff den ganzen Menschen

Bad Reichenhall. Es war etwas Besonderes, und Chefdirigent Daniel Spaw freute sich in seiner Begrüßung über das „Privileg“, mit anderen Klangkörpern der Region musizieren zu können. Der Motettenchor und die Kantorei Traunstein waren so gut vorbereitet, dass sie gemeinsam mit den Profis der Bad Reichenhaller Philharmoniker und den international tätigen Gesangssolisten Francesca Paratore, Sopran und Seho Chang, Bariton unter der Gesamtleitung von GMD Daniel Spaw Hervorragendes ablieferten (siehe auch Bericht im Feuilleton).

Jede Technik des Chorsingens war beim Deutschen Requiem von Brahms gefragt: ein langer Atem bei „Selig sind“ im ersten und im Trauermarsch „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“ im zweiten Satz, flexible Artikulation in den schnellen Teilen, etwa „Denn es wird die Posaune schallen“ (sechster Satz), Verständnis für die musikalische Struktur in den kontrapunktischen Passagen, Fugati und der Schlussfuge im sechsten Satz. Dass der Lobpreis in der Vernetzung des Stimmengeflechts in jedem Stimmregister immer wieder verständlich zu hören war, ließ die Zuhörer verstehen, dass der Lobpreis aller Menschen zum Ausdruck kam.

Beide Chorleiter haben sich bei der Aufführung unter ihre Sänger gemischt und sangen mit. Die Aufstellung der Männer vorne in der Mitte zwischen den Frauenstimmen – die rechts und links, beziehungsweise dahinter standen -, anstatt wie sonst üblich hinter Sopran und Alt erwies sich vorteilhaft für die Akustik. Alles – jeder Ton, jeder Einsatz – war klar verständlich, sowohl musikalisch, als auch aussprachetechnisch. Der Chor als Träger des Geschehens sorgte inhaltlich für Dramatik, besonders im zweiten Satz („Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“), der die Vergänglichkeit betont und zugleich einen Gegensatz zum sechsten Satz aufbaut, wo es um die Auferstehung oder das ewige Leben geht („Siehe, ich sage euch ein Geheimnis“). Dabei bewegte sich die Melodie in „Tod, wo ist dein Stachel?“ chromatisch in die Höhe, was dem Chor intonationssicher gelang. Dadurch konnte die Symbolik in der Musik großartig zum Ausdruck gebracht werden.

Wenn Clara Schumann an Brahms schrieb, sie empfinde den ganzen reichen Schatz dieses Werkes bis ins Innerste, so traf dies sicherlich auch auf die zahlreichen Besucher der Aufführung im Kurgastzentrum zu. Die Zusammenstellung der biblischen Texte durch Brahms macht dieses Requiem inhaltlich zu einem literarischen Werk mit ernster Tiefe und poetischem Zauber. Da hinein komponierte er den ganzen Schmerz in den entsprechenden Moll-Harmonien, aber auch den Trost und die Zuversicht für die Trauernden – etwa in einem tänzerischen Dreiviertel-Takt („Wie lieblich sind deine Wohnungen“). Diese spannungsvollen Gegensätze authentisch zu interpretieren, war die anspruchsvolle Aufgabe des Chors, die mit Bravour gelang. Die Konzertmeisterin Sophie Ferge hielt den Blumenstrauß, den sie von Daniel Spaw erhalten hat, in die Höhe, als wollte sie sagen: „Eine(r) für alle”. Und dies galt umgekehrt auch für die Aufführung: “Alle für einen”, nämlich für den einen Zweck und das eine Ziel, miteinander gute Musik anzubieten. Eine großartige Aufführung eines großen Werkes.

Bericht und Fotos: Brigitte Janoschka

2659: Frenetischer Applaus für Matthias Roth (von rechts), Daniel Spaw, Francesca Paratore, Seho Chang und Matthias Bertelshofer, die beiden Chöre, sowie die Bad Reichenhaller Philharmoniker

2623: Ein Teil des Chores mit den beiden Chorleitern Matthias Roth (hinten 5. von links) und Matthias Bertelshofer (rechts neben Roth)

2648: Blumen für die Konzertmeisterin Sophie Ferge

 

 

 


Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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