Leitartikel

80 Jahre nach Vertreibung – Vortrag in Prien

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Auf den Tag genau 80 Jahre nachdem das sogenannte Benes-Dekret mit der Nr. 108 am 25. Oktober 1945 verkündet wurde (was die Konfiszierung des gesamten Eigentums aller Sudetendeutschen beinhaltete) und nur wenige Monate nach dem Dekret Nr. 33 (Aberkennung der Staatsbürgerschaft aller Sudetendeutschen in der damaligen Tschechoslowakei) lud die Ortsgruppe Prien der Sudetendeutschen Landsmannschaft in das Priener Pfarrheim zu einem Erinnerungs-Vortrag ein. Referent war der vormalige Studiendirektor des Ludwig-Thoma-Gymnasiums Gerold Schwarzer, der als Kind mit auf der Flucht war und die Geschichte seiner Familie im Buch “Eine sudetendeutsche Familiengeschichte – aus dem Altvatergebirge nach Bayern an den Chiemsee” festgehalten hat.

Gabriele Schleich, die Vorsitzende der Priener Ortsgruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft begrüßte zu Beginn der Veranstaltung die etwa 50 interessierten Zuhörer, unter ihnen waren Ehrenbürger Michael Anner, der langjährige Schulleiter des Ludwig-Thoma-Gymnasiums Günther Madsack,  Prof. Dr. Dieter Benatzky aus Rosenheim als, Vizepräsident a.D. der Technischen Hochschule, der ehemalige Schulleiter der Franziska-Hager-Schule Rainer Wicha und der Vizepräsident der Sudetendeutschen Stiftung Alexander Klein. Schleich erwähnte, dass in den Jahren zwischen 1939 bis 1956 die Bevölkerung Priens von ca. 3.500 auf ca. 5.600 Bürger angewachsen ist. Die neu hinzugekommenen Evakuierten, Flüchtlinge und Heimatvertriebenen haben versucht, sich mit viel Fleiß und Ausdauer möglichst rasch in das Gemeindeleben zu integrieren.  Die Politik anerkannte die vielen Leistungen der neuen Bürger. 1954 erklärte Bayerns Ministerpräsident Hans Ehard die „Sudetendeutschen“ zum 4. Stamm Bayerns.

Die Geschichte der Sudetendeutschen in den vergangenen zirka 100 Jahren mit Krieg, Heimatvertreibung und Nachkriegszeit waren das Thema des Bildervortrags von Gerold Schwarzer. „Vor zirka 80 Jahren begann die Vertreibung der etwa drei Millionen Sudetendeutschen aus ihrer angestammten Heimat. Darunter betroffen war auch meine gesamte Familie, und ich am Arm meiner Mutter …“ – so der Referent und er fügte hinzu: „In Bayern fanden über eine Million Menschen eine neue Heimat, viele auch im Chiemgau.   Es gibt dazu auch eine Schrift von Mathias Heider (ehemaliger LTG-Schüler, jetzt am Sudetendeutschen Haus in München), in der die Geschichte der Menschen aus dem Sudetenland in Prien und Umgebung nach Krieg und Heimatvertreibung dokumentiert wird.  Interessant, dass auch in den Lehrer- und Schülerlisten am LTG in den Gründerjahren auffallend viele Sudetendeutsche genannt werden. Die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge konnten ihren Kindern ja keine Besitztümer bieten – es blieb nur die Hoffnung auf eine gute Bildung“.

 Repros / Fotos: 1.    Folie Sudetendeutsch – mit den Bildern (im Kreis rechtsrum) Verladung im Viehwaggon – Armbinde mit “N” für némec (deutsch) – Barackenlager in Haidholzen für viele sudetendeutsche Flüchtlinge/Heimatvertriebene – Bauernhof der Familie Bürger in Weng bei Griesstätt – “Neue Heimat” = Straße mit Neubauten in der Erlenau (Rosenheim), ca. 1959 – Hausbau der Familie Karl und Elisabeth Schwarzer in Haidholzen.

2. Gabi Schleich (Vorsitzende Sudetendeutsche Landsmannschaft Prien), Gerold  Schwarzer, Sascha Klein (Stellvertretender Vorstand der Sudetendeutschen Stiftung).

 Kurzfassung des Berichts

Die Ortsgruppe Prien der Sudetendeutschen Landsmannschaft unter der Leitung von Gabi Schleich und Gerold Schwarzer (StD a.D.) luden zum Thema Flucht und Vertreibung am vergangenen Samstagnachmittag ein. Rund 50 Teilnehmer folgten im Priener Pfarrsaal dem bebilderten Vortrag von Gerold Schwarzer. Er erzählte von der Vertreibung seiner Familie aus Sudetenschlesien (Zuckmantel) vor 80 Jahren. Er, als Baby, auf dem Arm der Mutter. Schwarzer bettete seine persönliche Familiengeschichte, die er bereits in Buchform herausgegeben hat, in die allgemeine Geschichte Böhmens und Mährens und in die weltpolitische Lage bei Kriegsende. Die Schlesischen Kriege 1740-1763 spielten beispielsweise ebenso eine Rolle wie die Potsdamer Konferenz 1945. Und das Ende der Vertreibung aus dem Altvatergebiet (Gebirgszug in Nordmähren und Sudetenschlesien) endete mit einem Neuanfang am Fuße der Chiemgauer Alpen.

Schlussfolgerungen von Gerold Schwarzer bei seinem Vortrag :

  1. Trotz der Vertreibung ein gutes Leben geführt: Der Referent betont, dass er und andere Sudetendeutsche trotz der Entwurzelung und der damit verbundenen Einschränkungen ein „ganz gutes Leben“ führen konnten. ​
  2. Wert von Fleiß und Anpassungsfähigkeit: Die Sudetendeutschen haben sich durch Fleiß, Sparsamkeit, Ausdauer, gute Schulbildung und handwerkliches Können eine neue Existenz in der neuen Heimat aufgebaut. ​
  3. Solidarität und Einschränkungen: Auch die einheimische Bevölkerung musste sich einschränken und teilweise Wohnraum abtreten, insbesondere in den ersten Nachkriegsjahren. ​
  4. Unrecht der Vertreibung: Gerold Schwarzer thematisiert die Vertreibung der Sudetendeutschen und die damit verbundenen Dekrete, die zu Enteignung und Ausbürgerung führten. ​ Er hebt hervor, dass diese Maßnahmen viel Leid und Unrecht verursacht haben. ​
  5. Versöhnung und Bedauern: Schwarzer verweist auf die deutsch-tschechische Erklärung von 1997, in der beide Seiten das erlittene Leid und Unrecht bedauern und zur Versöhnung aufrufen. ​
  6. Menschliche Stärke: Trotz der schwierigen Umstände zeigt der Referent, wie die Vertriebenen und die Einheimischen durch Solidarität und Anpassungsfähigkeit eine neue Lebensgrundlage schaffen konnten.

Erhältlich ist das im Selbstverlag erschienene Buch bei Gerold Schwarzer in der Lärchenstraße 14 in Rimsting (gschwarzer@gmx.de). Der gesamte Inhalt des Buches ist auch im pdf-Format erhältlich.

 


Redaktion

Toni Hötzelsperger

Beiträge und Fotos sind urheberrechtlich geschützt!