Ein Beirag von Prof. Dr. Klaus Wolf, Präsident der Bayerischen Einigung und Professor an der Universität Augsburg – zur Verfügung gestellt vom Bayernbund und dessen Mitgliederzeitung Weiß-Blaue Rundschau.
Wer über den sommerlichen Rathausplatz Augsburgs schlendert, wähnt sich auf einer italienischen Piazza. Schon das monumentale Rathaus im Stil der Renaissance weist nach Italien. Noch mehr deutet der Prachtbrunnen mit der überlebensgroßen Statue des Kaisers Augustus auf die römische Antike. Tatsächlich wurde Augusta Vindelicorum im Jahre 15 v. Chr. unter der Herrschaft des aus dem Weihnachtsevangelium bekannten Imperators gegründet. Augsburg ist damit über 2000 Jahre alt und hat in seiner gesamten Geschichte bis heute seine Wurzeln auf der italienischen Halbinsel nie durchschnitten.
Denn schon die antike Via Claudia Augusta transportierte Wein und andere Produkte aus dem sonnigen Süden in die „nördlichste Stadt Italiens“, wie touristisch um Augsburg geworben wird. Tatsächlich machen nicht nur der Rathausplatz, sondern auch die Maximilianstraße als Prachtboulevard sowie andere Straßen und Gassen mit ihrer Außengastronomie einen mehr als mediterranen Eindruck. Dies gilt auch für die zahlreichen Kanäle der Unterstadt, die Augsburg den Beinamen „Klein-Venedig“ geben. Dazu trägt auch die von der Renaissance geprägte Stadtarchitektur Augsburgs insgesamt bei.
In einem rund zweistündigen Spaziergang kann man dabei 2000 Jahre Stadtgeschichte durchschlendern. Wir beginnen dabei mit Abgüssen römischer Skulpturen außen vor dem Dom und begeben uns in die toskanische Säulenhalle im renaissancehaften Zeughaus mit originalen antiken Überresten. Dort fällt der bronzene Pferdekopf als Überrest eines einstigen Reiterstandbilds zu Verherrlichung wohl des Kaisers Augustus selbst auf. Ebenso kann man Statuen des Gottes Merkur, ein Gott der Händler, bewundern.
Das Mittelalter erfährt man plastisch im Dom, wo die wohl ältesten bunten Glasfenster Europas zu bewundern sind. Sie zeigen König David und alttestamentliche Propheten und werden in das 11. Jahrhundert datiert. Der ursprünglich ottonische Dom korrespondiert mit dem Heiligen Ulrich in der Ottonenzeit. Vom Dom läuft man nämlich rund zehn Minuten bis zur mächtigen spätgotischen Ulrichsbasilika. Dort liegen die Gebeine des Heiligen Ulrich, der eine wichtige Rolle bei der sogenannten Schlacht auf dem Lechfeld spielte. Heutige Historiker sprechen lieber von der Schlacht um Augsburg, denn der Bistumsheilige Ulrich ließ als Stadtherr und Bischof die Stadt Augsburg vor dem drohenden Ungarnsturm so stark befestigen, dass die Reiterhorden aus dem Osten so lange aufgehalten werden konnten, bis Kaiser Otto der Große mit einem vereinigten Heer aus deutschen Stämmen, darunter auch den Baiern, die Ungarn endgültig besiegen konnte. Seitdem wagten diese sich nie mehr auf Reichsboden.
In der Ulrichsbasilika findet sich die Grablege des Heiligen Bischofs Ulrich. Ebenso wird dort die Grablege der Heiligen Afra, einer Märtyrerin der Diokletianischen Verfolgung, gezeigt. Antike und Mittelalter sind so in einer Kirche vereinigt. Auch die katholisch gebliebenen Angehörigen der Familie Fugger stifteten feine Kunstwerke in der Ulrichsbasilika.
Dem Fuggerischen Stifterwillen kommt man aber besonders durch einen Spaziergang in die Unterstadt nahe. Dort befindet sich mit der Fuggerei eine Sozialstiftung, die seit den Tagen Jakob Fuggers des Reichen bis heute fortbesteht. Es lohnt sich, den nicht übermäßig teuren Eintritt zu bezahlen und diese lebendige Sozialsiedlung zu besichtigen. Ihre Bewohnenden zahlen seit jeher nur eine symbolische Jahresmiete von einem Rheinischen Gulden, was heute als geringfügiger Betrag von wenigen Euros eingezogen wird. Ältere Ehepaare, Alleinstehende, aber auch alleinerziehende Mütter kommen so in den Genuss eines kleinen Häuschens, mitunter mit Garten. Vorbild dieser ältesten Sozialsiedlung waren ähnliche Siedlungskomplexe in den Niederlanden, die der weit gereiste Kaufmann Jakob Fugger der Reiche natürlich kannte. Man kann die ursprüngliche Einrichtung eines solchen Hauses aus der Frühen Neuzeit ebenso besichtigen wie ein modern eingerichtetes Haus heute. Die autofreien und durch Bäume beschatteten kleinen Gassen der Fuggerei laden zum sommerlichen Flanieren ein.
Und wenige Schritte von der Fuggerei entfernt befindet sich das Geburtshaus von Augsburgs berühmtestem Dichter: Bert Brecht. Er war ein waschechter Schwabe, der auch Schwäbisch schwätzte. Sichtbar wird dies bis heute in den ‚Geschichten vom Herrn Keuner‘. Dieser Familienname bedeutet eigentlich ‚Keiner‘: auf Schwäbisch eben Koiner im Gegensatz zum Bairischen Koana.
Obwohl der Satz „Das Beste an Augsburg ist der D-Zug nach München“ dem Dichter Brecht bis heute wohl fälschlich zugeschrieben wird, zog er dann doch bald zum Studium nach München und später als gefeierter Dichter der ‚Dreigroschenoper‘ nach Berlin. Im Exil lebte er in Kalifornien, um seine letzten Lebensjahre als Intendant des Berliner Ensembles in Ostberlin zu verbringen, wo er endgültig zum bedeutendsten deutschen Dramatiker des 20. Jahrhunderts reifte, ja zum Weltliteraten wurde. Geprägt hat ihn aber in seiner literarischen Karriere die Stadt Augsburg in mehrfacher Hinsicht. Als lutherischer Konfirmand in der Stadt der Confessio Augustana saugte er den lutherischen Bibeltext gleichsam in sich auf. Und im Manchester Bayerns – Augsburgs Rolle als führender Standort der bayerischen Textilindustrie bis in die 1970er Jahre ist hier zu nennen – entwickelte sich Brecht auch zum Dichter für die Belange der Arbeiterschaft. In den Kneipen der ärmeren Stadtviertel sammelte der jugendliche Brecht erste Erfahrungen bei Dichterlesungen. Jedenfalls ist in der Summe Bert Brecht ohne Augsburg undenkbar.
Besonders reizvoll ist tatsächlich auch ein Spaziergang durch das Textilviertel Augsburgs, wo monumentale Fabrikbauten aus Backstein und sogar ein sogenanntes Fabrikschloss an die einstige Größe der Augsburger Textilindustrie erinnern. Durch die Globalisierung der Textilindustrie schon im späten 20. Jahrhundert ist die Textilindustrie bis heute völlig aus Augsburg verschwunden. Nur noch das Textilmuseum mitten im Augsburger Textilviertel vermittelt einen Eindruck von Augsburgs einstiger industrieller Größe.
Darüber hinaus lohnen auch Spaziergänge durch die zahlreichen Grünanlagen und Parks der Stadt Augsburg, welche an Hitzetagen angenehmen Schatten spenden. Unmittelbar am Rand des Wittelsbacher Parks befinden sich mit Kongresshalle und Hotelturm zwei moderne Bauten in Beton anlässlich der Olympiade von 1972. Der als „Maiskolben“ im Volksmund titulierte Hotelturm hat sein architektonisches Vorbild sogar in Chicago am Lake Michigan, wo ähnliche Zwillingstürme wie überseeische Zwillinge von Augsburgs Maiskolben anmuten. Und die Olympiastrecke für Wettbewerbe im Wildwasserkajak, der sogenannte Eiskanal, ist bis heute Austragungsort internationaler Wettbewerbe und wird auch als Olympiastandort für die kommende Münchener Olympiabewerbung eine wichtige Funktion haben. Etwas Abkühlung verschafft der Eiskanal an einer anderen Stelle auch den Badenden an heißen Sommertagen.
Bericht und Bilder: Prof. Dr. Klaus Wolf / Bayernbund Landesverband Bayern / WBR / Fritz Lutzenberger – Augsburger Rathausplatz im Sommer https://www.augsburger-stadtsommer.de/playfountain
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Augsburg_Augustusbrunnen_Kaiser_mit_Taube.jpg
Fuggerei https://www.flickr.com/photos/46191841@N00/54090328518
Bert Brecht https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bertolt-Brecht_%28cropped%29.jpg









