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RO: Kinderfreundlichkeit lohnt sich

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Das Wohl von Kindern und Jugendlichen ist ein zentraler Standortfaktor für einen zukunftsfähigen und lebendigen Landkreis Rosenheim. Eine große Mehrheit im Rosenheimer Kreistag sieht das so und beschloss die Teilnahme des Landratsamtes Rosenheim an einem fünfjährigen Zertifizierungsverfahren. An dessen Ende soll der Erwerb des Siegels „Kinderfreundliche Kommune“ stehen.

Der Abstimmung ging eine intensive, teilweise emotional geführte Debatte voraus, an der sich 17 Kreisrätinnen und Kreisräte beteiligten. Landrat Otto Lederer meinte am Ende, „ich habe herausgehört, dass unser Jugendamt gute Arbeit leistet und gut aufgestellt ist.“ Weiter sagte der Landrat, aus dem Jugendamt heraus sei der Wunsch an ihn herangetragen worden, mit Expertise von außen festzustellen, wo man sich noch verbessern könne. „Wir geben über 50 Millionen Euro für Jugendhilfeleistungen aus. Wenn wir es schaffen, unsere Prozesse zu optimieren, effektiver werden, dann hat es sich rentiert.“ Dem schloss sich die Mehrheit der Kreisrätinnen und Kreisräte an uns stimmte mit 49 Ja-Stimmen für den Beschlussvorschlag. Dagegen gab es 11 Stimmen.

Bei dem Zertifizierungsverfahren wird das Landratsamt Rosenheim vom Verein Kinderfreundliche Kommune e.V. begleitet. Als Vertreter des Vereins sprach Programmleiter Sönke Deitlaff im Kreistag. Gemeinsames Ziel soll es sein, die kommunalen Angebote Planungen und Strukturen im Sinne der Kinderrechte zu verbessern. Um dies zu erreichen, sind unter anderem eine Bestandsaufnahme in der Verwaltung, eine Befragung von Kindern und die Erarbeitung und Umsetzung eines Aktionsplanes vorgesehen.

Die Teilnahme an dem Programm bietet dem Landratsamt Rosenheim die Möglichkeit, vorhandene Angebote sach- und fachgereicht zu bewerten, Synergien zu stärken und Fördermöglichkeiten gezielter zu nutzen. Für das Zertifizierungsverfahren fallen pro Jahr Kosten in Höhe von 21.000 Euro an.

Das Siegel „Kinderfreundliche Kommune“ wird seit 2012 vergeben, bisher ausschließlich an Städte und Gemeinden. Für Landkreise besteht diese Möglichkeit erst seit dem vergangenen Jahr. Mit dem Beschluss des Rosenheimer Kreistages ist der Landkreis Rosenheim, nach den Landkreisen Stade und Schaumburg in Niedersachsen, erst der dritte in der Bundesrepublik, der sich dem Zertifizierungsverfahren stellt.

Ob es sich lohnt, wollte 2020 das Institut der deutschen Wirtschaft wissen und befragte 123 Kommunen, welche Auswirkungen durch die Stärkung der Kinderrechte spürbar sind. Wie Sönke Deitlaff vom Verein Kinderfreundliche Kommune e.V. berichtete, wurde unter anderem festgestellt, dass in knapp 86 Prozent der Städte und Gemeinden jüngere Personen bzw. Familien zuziehen. In 70 Prozent der befragten Kommunen nahm die Zahl der Arbeitsplätze zu und in knapp 62 Prozent wurde bei den unter 25-Jährigen ein Rückgang der Arbeitslosenzahlen festgestellt.

Im Landkreis Rosenheim leben 45.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, davon 6.000 Kinder unter sechs Jahren. Sie stellen einen Anteil von 17 Prozent an der Gesamtbevölkerung dar. Zum Vergleich, die Bürgerinnen und Bürger über 65 Jahren stellen 23 Prozent.

Stimmen aus der Debatte im Rosenheimer Kreistag zum Tagesordnungspunkt „Kinderfreundlicher Landkreis – Teilnahme am Zertifizierungsverfahren“:

Franz Bergmüller (AfD): „Unsere Kommunen kümmern sich um Kinderrechte. Sie sind das Non plus ultra. Wir brauchen keine Zertifizierung.“

Josef Lausch (FW): „Das ist das Gegenteil von Bürokratieabbau. Das ist ein Beschäftigungsprogramm für Bürokraten.“

Sepp Hofer (FW): (Mit Blick auf die Finanzlage der Kommunen und dem Bezirkshaushalt 2026) „Ich warne davor, für alles Geld auszugeben.“

Dieter Kannengießer (Parteifreie/ÜWG): „Es geht nicht um das Siegel. Es geht darum, wo man im Jugendamt noch Potentiale hat.“

Josef Fortner (ÖDP): „Ich habe mit Zertifizierungen ein Problem und sehe keinen Mehrwert.“

Felix Schwaller (CSU): „Ich bin überrascht, dass man bei Kindern mit dem Bürokratieabbau beginnen will. Es ist ein toller Aspekt, Kinder an Demokratie heranzuführen.“

Michaela Eglseer (WerteUnion): „Mir fehlt die Einbindung der Eltern. Der Staat sollte nicht die Hoheit über die Kinder haben.“

Sebastian Friesinger (CSU): „Die Gemeinden sollen bei der Kinderbefragung eingebunden werden.“

Georg Reinthaler (Bündnis 90/Die Grünen): „Ich komme aus einer kleinen Gemeinde, ich bin froh, wenn ich vom Landkreis profitieren kann. Es gibt einen Nutzen für alle Kommunen und das steht im Mittelpunkt.“

Werner Gartner (SPD): „Alles was der Förderung der Kinder dient, kann ich nur begrüßen.“

Hans Loy (CSU): „Wesentlich ist, dass man schauen will, was die Verwaltung besser machen kann.“

August Voit (CSU): „Es geht nicht um ein Siegel, es geht um einen Prozess für unsere Jüngsten.“

Andreas Winhart (AfD): „So ein Schmarrn, dass Fachleute nach einem Siegel schauen. Das Ganze ist ein Beispiel für Steuerverschwendung.“

Alexandra Burgmaier (SPD): „Kinder sind die Bürgerinnen und Bürger von morgen. Da gilt es, sich zu kümmern. Wenn eine Verwaltung sagt, wir wollen besser werden, dann kann man das nur begrüßen.“

Anita Fuchs (Bündnis 90/Die Grünen): „Wir können nicht genug tun, unsere Kinder und Jugendlichen zu stärken, angesichts der Zukunftsherausforderungen.“

Christian Demmel (AfD): „Die Stärkung der Kinderrechte geht einher mit der Entmündigung der Eltern.“

Dr. Klaus Rosellen (Die Linke): „Es ist bedauerlich, dass es ein Zertifikat braucht, um als kinderfreundlich zu gelten.“

Bericht: LRA Rosenheim – Foto: Hötzelsperger


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