„Wussten Sie, dass Richard Wagner 1861 und Gustav Mahler 1887 in Bad Reichenhall waren, um jeweils eine verehrte Herzensdame zu besuchen?“, fragte Scott Brahier anlässlich seines Vortrags im Saal im Alten Feuerhaus. Brahier zeigte die biografischen Verflechtungen dieser Komponisten auf und richtete seinen Fokus vor allem auf Gustav Mahler, dessen Leben er unter den Aspekten der musikalischen Karriere, der Liebe und des Todes Revue passieren ließ.
Für die Bedeutung Reichenhalls waren vor allem die beiden Besuche Gustav Mahlers wissenswert, ebenso wie der Aufenthalt Richard Wagners. War es für diesen im Jahr 1861 Cosima, die Tochter von Franz Liszt, die damals mit Hans von Bülow verheiratet war und in Karlstein zur Molkekur weilte, ging es bei Mahler um Virginia Naumann-Gung’l (1848-1915), die Tocher von Josef Gung’l, dem Orchestergründer der Bad Reichenhaller Philharmoniker,.
Brahier blickte auf die Beziehung zwischen Gustav Mahler und Richard Wagner, dessen Werke im Leben und Schaffen Mahlers eine besondere Bedeutung hatten. Zum Beispiel zitierte Mahler Themen aus Wagner-Opern in seinen Werken, wie etwa eines aus dem Siegfried-Idyll – bekannt unter dem Namen „Ewigkeits-Motiv“ – in seiner zweiten Sinfonie. Unter den vielen Stationen, an denen Mahler als Kapellmeister wirkte, war für die Besucher wohl Bad Reichenhall am wichtigsten, wenngleich er hier eher zur Erholung, denn beruflich weilte. Dennoch ist auch sein Aufenthalt am Theater in Kassel ab 1883 von Bedeutung, denn dort lernte er Virginia Naumann-Gung’l kennen. Sie war von 1882-1885 am Hoftheater in Kassel engagiert und bereits Witwe. Wegen der strengen Vorschriften am Theater – während einer Klavierprobe mit einer Frau musste eine dritte Person als „Anstandswauwau“ anwesend sein – ergab sich zu dieser Zeit keine Beziehung zu ihr und auch nicht mit Johanna Richter, ebenfalls Sopranistin am Theater in Kassel. Verzweifelt verließ Mahler Kassel 1885. Die Gefühle der unerwiderten Liebe verarbeitete er in den „Liedern eines fahrenden Gesellen“. Nach seiner darauf folgenden, ersten Leipziger Saison reiste Mahler 1887 nach Bad Reichenhall, da er dringend Erholung brauchte. Dort blieb er einige Tage und unternahm Bergtouren, sowie einen Ausflug zum Thumsee.
Aber in Bad Reichenhall in der Villa Sonntagshorn in der Kurfürstenstraße 5 wohnte der Schwiegersohn von Josef Gung’l, Gustav Paepke, mit seiner Frau Cajetana und drei Kindern. Gung’ls Tochter Virginia war zu Besuch bei ihrer Schwester Cajetana und ihrem Schwager Gustav Paepke. Ob Josef Gung’l auch anwesend war, vielleicht um seine Enkelkinder zu sehen, ist nicht bekannt. Es ist auch nicht belegt, ob es zu einem Besuch Mahlers bei Virginia kam. Es ist aber durchaus möglich, dass er nach seinen Enttäuschungen mit Johanna Richter eine Liebe zu Virginia neu erwogen hat. Er war jedoch vom 26. bis zum 29. Juli nur kurz in der Kurstadt und logierte im “Münchner Hof“ in der Poststraße, wo heute das griechische Restaurant ist. Eine Postkarte an seine Eltern belegt seinen Aufenthalt.
Mahlers zweiter Ausflug nach Bad Reichenhall fand 1892 statt. Von London, wo er am Drury Lane Theatre und an der Covent Garden Opera dirigierte, reiste er mit seinen Schwestern Justine und Emma am 23. Juli 1892 nach Berchtesgaden. Er erinnerte sich an die schönen Tage in Bad Reichenhall von 1887 und wollte mit Justine und Emma, sowie mit dem Freund Fritz Löhr, dessen Gattin und der Hamburger Freundin Adele Marcus einen Ausflug nach Bad Reichenhall unternehmen. Auf einem überlieferten Foto ist Mahler mit den Schwestern und den Freunden zu sehen: Ganz rechts könnte Adele Marcus sein, leider kopflos, weil sie sich wohl im falschen Moment bewegt hat – „ein Schnappschuss eben“, so Brahier.
Am 27. August war Mahler unterwegs von Berchtesgaden nach Hamburg. Als er in Berlin von der schweren Cholera-Pandemie in Hamburg hörte, kehrte er um und blieb bis zum 10. September in Berchtesgaden. So beflügelten Begegnungen und Freundschaften unter den Komponisten Wagner und Mahler einerseits neue Kompositionen, andererseits führten Liebesgeschichten die großen Komponisten nach Bad Reichenhall und bereicherten seine Stadt-Geschichte.
Bericht und Bilder/Repros: Brigitte Janoschka
8429: Scott Brahier, Vorsitzender des Wagnerverbandes, gab einen musikgeschichtlichen Einblick in die Biografien von Gustav Mahler und Richard Wagner.
8441: Gustav Mahler
8443: Foto von Gustav Mahlers zweitem Besuch in Bad Reichenhall: links unten Fritz Löhr, hinter ihm dessen Frau Uta, in der Mitte Gustav Mahler, 31 Jahre alt, neben ihm seine Schwester Justine. Hinten stehend von links Toni Marcus, 16 Jahre alt, die Tochter von Adele Marcus, einer Freundin von Justine und Gustav, dann Emma Mahler, 17 Jahre alt. Ganz rechts könnte es Adele Marcus sein, kopflos, weil sie sich gerade im falschen Moment bewegt hat.







