Tourismus

Werner-Herzog-Kino in Sachrang

Veröffentlicht von Toni Hötzelsperger

Am ersten Freitag und Samstag dieses Julis veranstalteten der Verein „Lebendiges Sachrang“ und der „Heimat- und Geschichtsverein Aschau i.Ch.“ gemeinschaftlich ein Werner Herzog Open Air-Kino. Titel: „Fitzcarraldo in Sachrang“, benannt nach einem der berühmtesten Werner Herzog-Filme überhaupt und dem Ort seiner Kindheit, dem Bergsteigerdorf Sachrang. Es wurden zwei magische und wohl unvergessliche Abende mit begeisterten Zuschauern. Denn vor den Filmaufführungen durften sie sich über ebenso entspannte wie interessante Gespräche mit Menschen freuen, die beim Entstehen der Filme „Radical Dreamer“ und „Fitzcarraldo“ wesentlich mitwirkten.

Am Freitagabend stand „Radical Dreamer“ auf dem Programm. Dieser Dokumentarfilm von 2022 ist das bislang einzige filmische Portrait über Werner Herzog. Vorab moderierte Georg Antretter, Ideengeber aus dem Priental und TV-Journalist beim Bayerischen Rundfunk, ein Gespräch mit dem Regisseur Thomas von Steinaecker sowie dem Cutter Volker Schaner. In diesem Gespräch und dem anschließenden Film wurde klar, welchen enormen Einfluss auf das Werk von Werner Herzog dessen Kindheit in Sachrang hatte. Der nach dem Krieg bettelarme, abgelegene und zugleich wunderschöne Ort hat den Heranwachsenden stark geprägt. Ohne Sachrang wäre Werner Herzog ein anderer.

Am Samstagabend folgte „Fitzcarraldo“, für viele Cineasten der Werner Herzog-Film schlechthin. Dieses Mal ging dem Film ein Talk mit Lucki Stipetić und Henning von Gierke voran. Stipetić ist Werner Herzogs Bruder und Produzent vieler seiner Filme. Ein zurückhaltender Mann, der lieber im Hintergrund steht – aber ohne den vieles ganz anders gelaufen wäre. Henning von Gierke war Ausstatter bei „Fitzcarraldo“ sowie bei vielen anderen Filmen von Werner Herzog. Sie plauderten überaus unterhaltsam über die Arbeit mit Werner Herzog und speziell an „Fitzcarraldo“. Man konnte spüren, dass die beiden einiges zusammen erlebt haben.

Absolut außergewöhnlich war die Location der beiden Abende: Die Terrasse der Kaiserblickstub’n war die Bühne, die Zuschauer saßen im Auslauf der kleinen Skipiste des Kaiserblick-Lifts in Sachrang. Umgeben von Wäldern, Wiesen, Bergen und den im Abendrot leuchtenden Felswänden des Zahmen Kaiser herrschte eine friedliche, fast mystische Atmosphäre. Als Überraschung sang Enrico Caruso zwischen Talk und Film aus einem alten Grammophon und wie aus dem Nichts schwebte plötzlich ätherische Musik durch die Luft. Max Schellenberger und fünf weitere Hornisten spielten live ein kurzes Ständchen und warben somit gleichzeitig für ihr Konzert der „Sachranger Hornconnection“ am folgenden Tag.

Die Vorführung von „Fitzcarraldo“ passte dann zum Film selbst: Zwei kurze, aber heftige Regengüsse und ein Stromausfall forderten von Zuschauern und Veranstaltern alles. Die meisten der rund 150 Cineasten ließen sich selbst davon nicht schrecken und schauten „Fitzcarraldo“ bis zum Ende an – bis weit nach Mitternacht. Auch das zeigt, wie gut das Programm angenommen wurde.

Lilo Trappmann, 1. Vorsitzende des „Lebendiges Sachrang e.V.“, sagte nach dem Event: „Zuvor waren wir natürlich etwas unsicher, ob die Idee eines Werner Herzog Open Air-Kinos angenommen werden und wie alles klappen würde. Jetzt sind wir begeistert und mehr als zufrieden.“ Sie betonte ausdrücklich ihren Dank an die Filmemacher: „Dass sie als viel beschäftigte Medienschaffende, für die diese Art von Veranstaltung eigentlich „Job“ und damit Broterwerb ist, ihre Zeit opfern und unsere Idee eines von Idealismus geprägten Mini-Open-Air-Kinos unterstützen, ist einfach großartig!“

Thomas Bauer, stellvertretender Vorsitzender des „Heimat- und Geschichtsvereins Aschau i.Ch.“, ergänzte: „Was für ein einzigartiger und wunderschöner Abend! Das Bergsteigerdorf Sachrang bietet nicht nur wunderschöne Natur, sondern auch einen reichen Kulturschatz. Das reicht vom historischen Müllner Peter über den traditionsreichen Trachtenverein sowie das Musikforum mit klassischer Musik auf höchstem Niveau bis hin zu Werner Herzog, einer der bedeutendsten Filmemacher der Welt. Und es ist einfach großartig, dass eine Gruppe engagierter Bürgern ein solches Programm auf die Beine stellt, um Werner Herzog zu würdigen.“

Das wohl größte Lob kam von Lucki Stipetić: Er will wiederkommen. Es gefiel ihm so gut, dass er anbot, in Zukunft weiterhin Filme von Werner Herzog zu zeigen, an denen seine Firma die Rechte hält. Und er will seinen Bruder Werner Herzog mitbringen. Sachrang darf sich freuen!

Werner Herzog, 83,  gilt als einer der bedeutendsten Filmemacher unserer Zeit. Insgesamt 78 Filme hat er bislang fertiggestellt, jüngst den Dokumentarfilm „Ghost Elephants” in Afrika. Derzeit dreht er in Irland den Spielfilm „Bucking Fastard”. Im September 2025 wird der bis heute unermüdliche Regisseur bei den Filmfestspielen von Venedig den „Goldenen Löwen” für sein Lebenswerk erhalten.

Bis zu seinem 11. Lebensjahr wuchs Herzog im heutigen Bergsteigerdorf Sachrang auf. Seine Mutter war mit ihren Kindern vor den Bombenangriffen auf München geflohen. Aus dem engen Priental zog es Werner Herzog in die Welt. Seit über 50 Jahren sucht er sich seine Themen in den abgelegensten Winkeln der Erde. Werner Herzogs Bedeutung reicht jedoch weit über die Welt des Films hinaus. Die Zeitschrift „Time“ zählte ihn im Jahr 2009 zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt.

Über den Lebendiges Sachrang e.V.

Den Verein „Lebendiges Sachrang e. V“. gibt es seit 2009. Er sieht sich als „Zukunftsverein“ und will Impulse für eine lebendige Dorfkultur geben. Das Bewusstsein für das Naturschutzgebiet Geigelstein sowie die Inhalte des Bergsteigerdorfs Sachrang zu stärken, sind ihm ein großes Anliegen. www.lebendiges-sachrang.de

Über den Heimat- und Geschichtsverein Aschau i.Ch. e.V.

Der HGV Aschau wurde schon 1984 gegründet und gehört mit fast 500 Mitgliedern zu den größten Vereinen von Aschau im Chiemgau. Er hat in seiner Arbeit wichtige Meilensteine in der regionalen Kulturarbeit gesetzt, mit Projekten vom Auferstehungsspiel über die Bayerische Landesausstellung bis zur einzigartigen 25-bändigen Ortschronik. www.geschichtsverein-aschau.de, www.facebook.com/profile.php?id=100068832828223.

Bericht: Till Gottbrath – Fotos: Lebendiges Sachrang e.V.

 

 

 


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