Natur & Umwelt

Geburtstagsparty in den Bergen

Veröffentlicht von Günther Freund

Ausgewilderte Bartgeier kehren in den Nationalpark Berchtesgaden zurück

LBV und Nationalpark beobachten fünf Geier im Auswilderungsgebiet – Wilder Bartgeier ebenfalls gesichtet

Passend zum fünften Jahr des gemeinsamen Auswilderungsprojekts des bayerischen Naturschutzverbands LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und des Nationalparks Berchtesgaden ist aktuell der Großteil der bayerischen Bartgeier wieder im unmittelbaren Umfeld des Nationalparks versammelt. „Fünf von sieben Geiern halten sich seit Anfang März im Umkreis von wenigen Kilometern um den Königssee auf und fliegen gemeinsam in wechselnden Konstellationen durch die Bergwelt“, freut sich LBV-Bartgeierexperte Toni Wegscheider. Mit Bavaria, Recka, Nepomuk, Wiggerl und Vinzenz ist ein Vogel aus jeder bisherigen Auswilderung wieder zurück im Gebiet. „Die Tatsache, dass alle fünf Geier in den ersten Märztagen der verschiedenen Jahre von 2021 bis 2024 geschlüpft sind, lässt das Aufeinandertreffen fast wie eine gemeinsame Geburtstagsparty wirken“, schmunzelt Wegscheider.

In den ersten Lebensjahren haben junge Bartgeier einen ausgeprägten Wandertrieb und fliegen weite Strecken durch den gesamten Alpenraum, um nach Artgenossen und Nahrung zu suchen. „Die meisten der jetzt zeitweilig wieder heimgekehrten Vögel haben bereits entfernte Regionen wie die Schweiz, Südtirol oder Slowenien besucht“, erklärt Nationalparkleiter Dr. Roland Baier. Während der Lebensphase in der Auswilderungsnische entwickeln die Bartgeier eine starke Prägung auf die umliegende Bergwelt. Deshalb kehren etwa 2/3 der Geier nach ihren Wanderungen langfristig wieder in ihre gefühlte Heimatregion zurück.

Der älteste Projekt-Vogel, die 2021 ausgewilderte Bavaria, ist schon länger im an der Südostgrenze des Nationalparks liegenden Salzburger Blühnbachtal sesshaft. Dort leisten ihr nun auch vier der jüngeren ausgewilderten Vögel Gesellschaft, die sich immer wieder neu in Zweier- und Dreierteams für gemeinsame Erkundungsflüge zusammentun. Zudem lockt die Präsenz der Bartgeier auch wandernde, wild geschlüpfte Artgenossen aus anderen Alpenteilen an, die auf ihren Flügen durch die Berge nach anderen Geiern Ausschau halten. Neben den fünf Vögeln aus dem europäischen Erhaltungszuchtprogramm wurde auch ein zweijähriger Wildvogel in der Nähe gesichtet. „Die erhoffte Brückenbildung von unseren Auswilderungen zu Wildpopulationen scheint damit ebenfalls aufzugehen“, freut sich Roland Baier.

Während ältere Bartgeier vor allem in Horstnähe sehr aggressiv auf Artgenossen reagieren, sind junge Vögel noch deutlich sozialer und unterstützen sich gegenseitig, zum Beispiel bei der Nahrungssuche. Auch für spätere Paarbildungen sind solche Kontakte wichtig, um geeignete Artgenossen für Brutversuche kennenzulernen. „Der nun zweijährige Nepomuk lässt bereits Interesse an Recka und Bavaria erkennen, auch wenn alle in Berchtesgaden ausgewilderten Vögel noch zu jung für ernsthafte Verpaarungen sind“, sagt Toni Wegscheider. Mit den bisherigen Erfolgen bei der Auswilderung macht sich das Projektteam berechtigte Hoffnungen, dass sich in naher Zukunft Paare aus ausgewilderten Vögeln und Wildvögeln im Umfeld des Nationalparks Berchtesgaden bilden werden. So könnte in einigen Jahren das erste Küken seit Jahrhunderten in der Region das Licht der Welt erblicken.

Zum Projekt:

Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten, flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 im Alpenraum in enger Zusammenarbeit mit dem in den 1970er Jahren gegründeten EEP (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) der Zoos junge Bartgeier ausgewildert. Das europäische Bartgeier-Zuchtnetzwerk wird von der Vulture Conservation Foundation (VCF) mit Sitz in Zürich geleitet. Während sich die Vögel in den West- und Zentralalpen seit 1997 auch durch Freilandbruten wieder selbstständig vermehren, kommt die natürliche Reproduktion in den Ostalpen nur schleppend voran. Ein vom bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und dem Nationalpark Berchtesgaden gemeinsam initiiertes und betreutes Projekt zur Auswilderung von jungen Bartgeiern im bayerischen Teil der deutschen Alpen greift dies auf und unterstützt in Kooperation mit dem Tiergarten Nürnberg die alpenweite Wiederansiedelung. Dafür werden in den kommenden Jahren im Klausbachtal junge Bartgeier ausgewildert – im Jahr 2021 erstmals in Deutschland. Der Nationalpark Berchtesgaden eignet sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren als idealer Auswilderungsort in den Ostalpen.

Mehr Informationen zum Projekt unter www.lbv.de/bartgeier-auswilderung.

 


Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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