Leitartikel

Erinnerungen und Gedanken zu Allerheiligen und Allerseelen

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Von Rosmarie Anner aus Hohenaschau – „Allerheiligen  und Allerseelen sind fest verwurzelte  Gedenktage an verstorbene Angehörige, an Eltern und Geschwistern und Freunde. In diesen Tagen gehen unsere Gedanken zurück an die Sterbestunden unserer Nächsten. Wer aber hat den Mut und die Kraft, Vorsorge zu treffen und dem Tod offen und gut vorbereitet entgegen zu schauen?“ – Diese Frage hat sich Rosmarie Anner vom Trachtenverein „D´Griabinga“ Hohenaschau immer wieder gestellt, wenn es galt, von einem geliebten und geschätzten Mitmenschen für immer auf Erden Abschied zu nehmen.

Ihre Erinnerungen und Gedanken hat die 79jährige Rosmarie Anner für sich niedergeschrieben und sie gibt diese auch gerne bei Zusammenkünften weiter. Die Notwendigkeit, sich mit dem Ende des irdischen Lebens auseinanderzusetzen bestätigen laut Rosemarie Anner seit Jahrzehnten bekannte oder auch weniger bekannte Redewendungen wie zum Beispiel: „Gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen“ oder „Der Tod ist Dein ständiger Nachbar, das heißt, er ist Dir immer ganz nah und an Deiner Seite“. Empfehlungen, sich persönliche Gedanken zu machen, ergeben sich unter anderem daraus: „Man soll am Abend beim Bettgehen zu den Armen Seelen beten und sie bitten, dass man in der Früh wieder gesund aufwachen darf“ oder „Sollte ein Sterbender eine allzu schwere Sterbestunde haben, sollte man zum Heiligen Rafael beten und ihn um seinen Beistand bitten“.

 Vom „Toten-Weibe“ und „Versehen“

 In Aschau i. Chiemgau gab es um 1957 mit der „Hackl-Pauline“ noch ein „Toten-Weibe“ bzw. eine Leichenfrau, ihre Aufgabe war es, den Verstorbenen anzuziehen und ihn in den Sarg zu heben, ihn „einzusargen“. Ihr zu Hilfe kam bei kräftigen, schweren Verstorbenen ihr Bruder, der „Hackl-Sepp“, beide waren kleine zierliche Leute, die des öfteren zusätzliche starke Männer brauchten.   Viele Begriffe um Sterben und Tod haben sich bis heute erhalten, unter anderem zur Krankensalbung mit dem „Versehen. Das „Verseh-Zeug“ ist in einem Glaskasten aufbewahrt, ebenso zwei Kerzenleuchter, das „Verseh-Kreuz“ und eine gestickte Tischdecke, diese soll früher die erste Handarbeit für junge Mädchen gewesen sein. Ein „Verseh-Schamerl“ (Schemel) ist ein kleines Kniebankerl für den Pfarrer zum Niederknien. „Bei uns ist auch ein Verseh-Schamerl aufbewahrt, es ist mit besticktem Polster bezogen und es sind schöne, rote Rosen auf schwarzem Stramin gestickt.

 Beisetzung, Bet´n geh, Durchläuten und Kreuzlträger

Früher war es in Aschau guter Brauch, dass am Todestag der Leichnam vom Wohnhaus mit dem Leichenwagen abgeholt und bis zur Leichenhalle im Friedhof mit Rosenkranz-Gebet von den Angehörigen und Nachbarn begleitet wurde. Beim sogenannten Kirchenweg wurde der schöne, schwarze, mit Silbereinfassung gestrichene Leichenwagen von zwei stattlichen Rössern gezogen. „Oft hat der Scheich-Bauer von Engerndorf eingespannt, dabei war der Kutscher oder Fuhrmo festlich schwarz angezogen, er hatte einen Zylinder auf und eine schwarze Decke bedeckte seine Knie“ – so Rosmarie Anner, die noch über das „Durchläuten“ von Hohenaschau wie folgt zu berichten weiß: „Bei uns in Hohenaschau haben wir noch einen besonders schönen Brauch gehabt. Wenn in Bach oder Hammerbach Jemand gestorben war und der Leichenwagen auf dem Kirchenweg (in der heutigen Zellerhornstraße) in Sichtweite des Schlosses gefahren ist, haben die Glocken der Schlosskapelle `durchgeläutet`, das heißt  es wurde so lange geläutet, bis der Trauerzug wieder außer Sicht des Schlosses war“. Wenn für die Verstorbenen zum Rosenkranz-Gebet („Seelen-Rosenkranz“) eingeladen wurde, dann hieß es „Bet´n geh“. Leider ist auch ein ehrbarer Brauch abgekommen bei dem der nächste Familienangehörige am Ende des Rosenkranz-Gebetes dankend `Vergelt´s Gott für´s Gebet` sagt. Zum Seelengottesdienst und zur Beerdigung ihrer alten Nachbarin Maria Kiesmüller wurde um das Jahr 1958 Rosmarie Anner mit dem Radl losgeschickt, um Verwandte persönlich einzuladen, das war das sogenannten „Kirchen-Bitten“. Ein besonderes Ehrenamt bei einer Beerdigung ist die Aufgabe des Kreuzlträgers, der dem Sarg auf dem Weg zum Grab vorangeht. In früheren Zeiten war dies ausschließlich ein Nachbar des Verstorbenen oder für eine Frau die Nachbarin. Heute ist es auch ein guter Freund oder Vereinskamerad. „Noch um 1960 war es Brauch, dass der Kreuzlträger in der Nachbarschaft für eine Nachbarschafts-Messe Geld sammelte und an die Trauerfamilie übergab“.

Der Brauch des „Opfergehens“ im Oberland

Im Oberland lernte Rosmarie Anner um 1970 bei einer Beerdigung den Brauch des „Opfergehens“ kennen, dazu: „Während des Gottesdienstes waren in langer Reihe vier verschiedene Körberl aufgestellt für das Opfergeld  einlegen. Dabei musste man darauf achten, dass man genug Kleingeld in der Tasche hat, denn das vierte Körberl stand genau vor der Bank der Verwandten und da wollte man sich ja großzügig zeigen. Nach einer Beerdigung wird für den Kirchgang gedankt, die Einladung zum Wirt heißt denn „Einkehren zum Leichentrunk“, „Leichenschmaus“, „Mahl“ (im Oberland) oder Zehrung (kommt von Wegzehrung für auswärtige Trauergäste, heute noch üblich in Tirol und im Achental). Nach der Bewirtung sagen die Trauergäste „Vergelt´s Gott“ bei der Trauerfamile, weil die ja die gesamte Zeche bezahlt und der Bedienung gebührt ein kleines Trinkgeld. „Ebenso ist es guter Brauch, dass bei Bauern der Hoferbe oder der für die Beerdigung zuständige Angehörige von Tisch zu Tisch geht und sich bei den Verwandten, Freunden und Nachbarn sowie besonders bei den Vereins-Abordnungen bedankt“. Die Einladung zum Leichentrunk sollte jeder Kirch- und Beerdigungs-Teilnehmer annehmen, die Einladung sollte als Ehre betrachtet und als Gelegenheit gesehen werden, den Verstorbenen im guten Gespräch nachklingen zu lassen.

Gedanken und Weissagungen um Sterben und Beerdigungen

„Wenn ein Sterbender für immer seine Augen schließt, sollte man die Fenster weit öffnen, damit die Seele hinauskann und der Verstorbene die stille, ewige Ruhe findet“ – dies bittet Rosmarie Anner zu beherzigen. Und oft – so weiß sie weiter – bewahrheitet sich in Dörfern, dass nach einem Trauerfall noch zwei weitere Bürger sterben werden, stirbt noch ein Vierter dazu, werden es nochmal drei, das sind dann insgesamt sechs Verstorbene. Ebenso sagt man: wenn in einem Friedhofsteil ein frisches Grab ist, kommen in nächster Umgebung noch weitere offene Gräber dazu. Und wenn man in der Nacht einen Kauz schreien hört – so sagt man – da stirbt ein Mensch. Eine weitere Form der Übermittlung eines Todesfalles ist das Sterbe- oder Totenglöckerl. Es läutet –zu jeglicher Uhrzeit-  immer dann, wenn im Pfarrhaus oder bei der Kirche ein Aushang angebracht wird und es soll verkünden, dass ein Mensch aus der Kirchengemeinde verstorben ist. „Gläubige Mitmenschen beten dann für den Verstorbenen still einen Vater-Unser“ – so Rosmarie Anner.

Foto: Herbert Reiter – Rosmarie Anner als Röckefrau vom Trachtenverein „D´Griabinga“ Hohenaschau

Fotos: Hötzelsperger – Gräber- und Friedhofsstimmungen…(Prien, Waldfriedhof München, Grabstätten von Cramer-Klett in Hohenaschau)

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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