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Samerberg: Vortrag Heimatpflege und Baukultur

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

„Nicht nur die Menschen, sondern auch die Häuser sollen miteinander reden“, appellierte Architekt Dr. Ing. Vinzenz Dufter bei einem Besuch am Samerberg. Zusammen mit Martin Wölzmüller, dem obersten bayerischen Heimatpfleger hielt er  einen Vortrag zum Thema Heimatpflege und Baukultur, organisiert von der Bürgerinitiative Zukunft am Samerberg. Es war bereits die dritte Veranstaltung im Rahmen einer Vortragsreihe mit dem Thema “Das Dorf – Heimat mit Zukunft”.

Heimat und Heimatpflege haben in Bayern ein historisches Fundament. Aber was genau ist Heimat? Eine gute Frage, wird der Begriff doch fast inflationär in allen Lebensbereichen verwendet: Auf den Webauftritten der Tourismusverbände, in der Bierwerbung, auf Zeitschriften und sogar in politischen Reden. Heimat scheint ein wichtiges Thema zu sein, vor allem in Bayern. Allerdings hat sich das Heimatverständnis in den letzten Jahren stark verändert.

Der Begriff dient vor allem dazu, Kunden anzuziehen, Heimat entwickelt sich zum Konsumgut. Es entsteht die Illusion, man könne Heimat kaufen, durch einen Restaurantbesuch etwa, oder mit einer Zeitschrift wie Landlust oder Servus. Wie weit dieses Verständnis von der Realität abweicht, zeigt sich auch darin, wie Außenstehende Bayern sehen. Sie reduzieren den Freistaat auf BMW, Oktoberfest, Bierzelt, Blasmusik, Almen und Kühe und denken, dass die Einwohner das ganze Jahr Lederhose und Dirndl tragen. Der Christkindlmarkt verbraucht mehr Strom als die Nachbarn, besinnlich ist er schon lange nicht mehr. “Echte Bräuche” gehen verloren, wohingegen Halloween zu einem modernen Brauch hochgehypt wird.

Heimat in Bayern ist nicht nur Maibaum, Schützenfest, Volkstanz, Trachtengwand, nicht nur Tradition und gute alte Zeit. Heimat in Bayern (und überall anders) ist viel mehr.

Heimat sind die Menschen, die hier leben, arbeiten und ihre Umgebung, ihre Zukunft und die Gemeinschaft mitgestalten. Sie spielen Musik (nicht ausschließlich Blasmusik), treiben Sport, spielen Theater oder gehen auf die Sprachenschule. Heimat ist nicht statisch, sondern entwickelt sich entsprechend der Gesellschaftsbedürfnisse weiter.

Das trifft auch auf die Wohn- und Baukultur zu. Grundsätzlich ist die bayerische Baukultur auf höherem Niveau. Wer aus den Nachbar(bundes)ländern nach Bayern fährt, erkennt kurz nach der Grenze, wo er sich befindet. Der Freistaat hat “eine überdurchschnittliche Dichte an erhaltenen Siedlungs- und Landschaftsstrukturen”, erklärte Wölzmüller. Es gibt viele schöne Städte und Dörfer und einen großen Anteil an der Bevölkerung, dem der Erhalt des Alten und die gute Qualität des neu Entstehenden ein Anliegen ist. Es wurden viele Regeln eingehalten, um die Kulturlandschaft und Ortsbilder zu erhalten: Landes-/Regionalplanung, Bauplanungs-/ Bauordnungsrecht oder Denkmalschutzgesetz. Auch das hat sich in letzter Zeit verändert: “Wir haben in mancher Hinsicht einfach kapituliert vor der schlampigen Gestaltung unserer baulichen Umwelt”, erklärte Wölzmüller, “Genehmigungsbehörden, Gemeinden, Gesetzgeber geben auf vor einem massiv durchgesetzten sogenannten Bürgerwillen.” Das Ausmaß davon ist sichtbar: Häuser, die definitiv vom Stadt- oder Dorfbild abweichen. Ein Toskana-Haus, ein Jodlerhaus im Stil einer Alm – aber ohne Arbeit und Armut – eine kanadische Jagdhütte oder ein Haus mit griechisch-römischen Einfluss. Noch schräger wird es, wenn 3000 Jahre Kulturgeschichte in einem einzigen Bauvorhaben umgesetzt werden und barocke Klostermauern mit ägyptischen Pyramiden als Dachgauben, gekrönt mit einem Burgfähnchen vermischt werden.

Ein weit verbreitetes Phänomen: Mauern und Zäune, die signalisieren: Nachbar lass mich in Ruhe. Vielen ist dabei nicht bewusst, dass der Hausbau eine hohe Wirkung auf den öffentlichen Raum hat. Wie jemand seine Innenräume einrichtet geht keinen was an, das äußere Erscheinungsbild schon. Denn das kann, vielmehr muss jeder sehen. Eigentum verpflichtet, wer ein Haus baut, “möbliert die Lebenswelt von uns allen”. Dementsprechend hat sich die Gemeinschaft ein Mitspracherecht daran gesichert, das auch in Zukunft bestehen bleiben soll. Wölzmüller ist sich sicher, dass gutes Planen und Bauen davon abhängt, ob die Bauherren wissen, “wie sie ihre Entscheidung im Einklang zwischen eigenen Bedürfnissen und öffentlichem Wohl treffen können.” Dafür wichtig seien wiederum Institutionen, Gremien und Personen, die sich darum kümmern, dass Vorgaben und Leitlinien formuliert werden. Am Samerberg wird derartiges Gremium bereits angedacht.

Architekt Vinzenz Dufter zeigte in einem anschließenden Bildervortrag gelungene Beispiele, wie alte Gebäude zeitgemäß, aber nach individuellen Bedürfnissen modernisiert werden können. Eine leere Dorfmitte findet so wieder zu neuem Leben. Ein weiterer Punkt waren Neubauten. Wenn flach geneigte Dächer die Regel sind, wie im südbayerischen Raum sollte der Neubau kein Steildach bekommen. Wenn alle Häuser giebelständig ausgerichtet sind, sollte der Neubau sich auch daran orientieren. Das Ziel ist es, dass sich die Gebäude in den örtlichen und regionalen Kontext einfügen, eine Gemeinschaft bilden. Dufter ist sich sicher, dass wir keine bunten Neubaugebiete brauchen, die weder Thema noch Orientierung haben und wo die Gebäude “nicht miteinander sprechen”. Heimat ist Gemeinschaft und geht alle was an.

Am 21. September findet ein Hausbesuch des bayerischen Landesvereins für Heimatpflege in Tittmoning statt. Weitere Informationen dazu unter www.heimat-bayern.de. Außerdem lädt die Bürgerinitiative Samerberg im Herbst zu einem weiteren Vortrag ein in dem es ums Thema Landwirtschaft, Ökolandbau und Direktvermarktung gehen wird.

Text: Marianne Quelle –  0176 544 328 49, quelle.marianne@gmail.com

Fotos: Haus-Fotos: Landesverein für Heimatpflege/Thomas Lauer – sowie Marianne Quelle

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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