Wirtschaft

Prof. Magel zum Landesentwicklungsprogramm Bayern

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Das neue Landesentwicklungsprogramm  :  Rückwärtsgewandt oder Bayernlike the best in Deutschland ?

Größer konnte der Gegensatz an Bewertungen nicht sein , als am 1. Juni das fortgeschriebene Landesentwicklungsprogramm (LEP) Bayern in Kraft trat: Ludwig Hartmann von den GRÜNEN schalt das LEP rückwärtsgewandt und als Fußtritt für den Klimaschutz ,wogegen der zuständige Landesplanungsminister Hubert Aiwanger  das nach mehrjähriger Bearbeitungsphase erstellte LEP gar als Meilenstein für den Klimaschutz  bezeichnete , womit sich Bayern (wieder einmal) an die Spitze in Deutschland gesetzt habe.

Nachfolgend zieht Prof. Holger Magel , Ehrenpräsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum  und seit 1978 Partner und Kenner der bayerischen  Landesplanung in mehrfachen Rollen und aus verschiedenen Blickwinkeln (Ministerium, Universität, Akademie , Sachverständiger, Mitglied des Landesplanungsbeirats und des Raumentwicklungsbeirats des Bundes ), eine kurze Bilanz zum neuen LEP:

Einige gute Ansätze, aber viel zu wenig Biss

Natürlich entspricht die Teilfortschreibung des LEP  – das  Wort Teil sagt es ja schon – nicht den Forderungen nahezu aller Planungsexperten in Bayern nach einem völligen Neustart . In den Bündnissen „Wege zum besseren LEP“ und „Offener Appell für ein zukunftsfestes Bayern“ haben sich die besten und erfahrensten Köpfe Bayerns aus Architekten – und Ingenieurekammer Bau, Akademien Ländlicher Raum (ALR) , Städtebau und Landesplanung (DASL) , Raumforschung und Landesplanung (ARL)  , dem Bund Deutscher Architekten (BDA) , Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (BDLA) sowie aus Bayerischem Landesverein für Heimatpflege , Bund Naturschutz (BN) , CIPRA, Vereinigung für Stadt-,  Regional- und Landesplanung (SRL) , dem Verband Beratender Ingenieure (VBI) und der Kath Landjugend zusammengeschlossen und leidenschaftlich innovativere  Ideen und Vorgehensweisen wie z.B. regionale , partizipativ erarbeitete Raumbilder angemahnt und vor allem eine Planung von der Landschaft  her , also von den begrenzten und begrenzenden natürlichen Ressourcen . Geholfen hat das alles nicht .  Zu stark waren die Beharrungskräfte und  – wie Stephan Reiß Schmidt , Vertreter der Initiative und der DASL  bei der Landtagsanhörung kritisierte – der Wille zum „Weiter so“. Entsprechend konservativ hat die Staatsregierung ihre alte aus Sicht der Kritiker überholte , weil zu sektorale statt ganzheitlich verwobene LEP Struktur beibehalten , aber gleichwohl  einige bemerkenswerte Akzente gesetzt.  Am erfreulichsten sind die Einführung des in der Enquetekommission Gleichwertige Lebensbedingungen geborenen Begriffes  Räumliche Gerechtigkeit (siehe Abbildung ) als ethisches Mandat und der vorsichtige  Versuch , ihn inhaltlich auszudeuten. Hier darf und muss in Zukunft aber noch mehr kommen! Vor allem muss die räumliche Gerechtigkeit ein verbindliches Ziel werden wie die Gleichwertigen Lebens – und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern . An sie mag allerdings die Staatsregierung nicht so recht glauben , denn warum schränkt sie das Ziel gleich wieder ein durch den Zusatz „ mit möglichst hoher Qualität“? Dieses offensichtliche Zugeständnis an sog. realistische Politik erlaubt damit leider auch ein allzu ehrgeizloses Anstreben der Gleichwertigkeit in Stadt und Land!

Positiv auch , weil übernotwendig , die vielen Festlegungen von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für Landwirtschaft , Energie, Klimaschutz, Naturschutz und  Landschaft , Wasser  etc . – alles Aufgaben der wiedererstarkten regionalen Planungsverbände, die sich jetzt nicht mehr hinter der obersten Ebene verschanzen können. Blass sieht dagegen die von den Freien Wählern versprochene Stärkung des Anbindegebots zur Eindämmung der Aussenbereichszerstörung aus,  ziemlich unergiebig bleiben auch die Regelungen zum Flächensparen (5ha Ziel). Ausser einigen ohnehin schon bekannten Checklisten und viel Gesundbeterei haben der Mut und die Einsicht gefehlt ,wenigstens individuelle Richt- oder Orientierungswerte pro Gemeinde zu etablieren. Mag sein, dass die abschreckende Forderung der GRÜNEN und mancher Experten nach einer gesetzlichen Regelung die politische Bereitschaft der Koalition für diese geschmeidigere Richtwertlösung verstellt hat. Gerade sie aber würde erlauben , die angesichts des ungebremsten Zuzugs nach Bayern nicht unumstößliche und diskussionsfähige Nenngröße 5ha ohne Probleme anzupassen.

Nichts zum Münchenwachstum?

Total enttäuschend sind die (Nicht) Aussagen des LEP zum Problem der überhitzten und überteuerten Metropole München. Die einstmals tapferen oder zumindest markigen  Aussagen der Spitzenpolitiker Seehofer, Söder, Aiwanger und Joachim Herrmann zur Entschleunigung Münchens und einer besseren Balance von Stadt und Land  z.B. durch Ansiedlung von Arbeitsplätzen schaffenden Grossunternehmen im ländlichen Raum sind auf der Strecke geblieben. Das LEP gibt keine Antwort darauf , wie der tägliche Wahnsinn von 500 000 Münchenpendlern reduziert werden soll oder kann. Schlafen draußen in den Gemeinden und  Dörfern der Metropolregion und arbeiten weiter in der ungehindert wachsenden und an Multiproblemen erstickenden Metropole? Das ist keine Zukunft und keine Antwort im Zeichen der politisch so hochgehaltenen gleichwertigen  Lebens- und Arbeitsbedingungen!

Es gibt noch erhebliches zu tun

Die Teilfortschreibung des LEP hat eine breitere Beteiligungsphase als früher durchlaufen ; sogar – das sei positiv hervorgehoben – sog. Young planners waren beteiligt. Gleichwohl war es nach wie vor nicht der state of art: eine echte  offene Diskussion der verschiedenen Standpunkte und eingegangenen Stellungnahmen der verschiedenen Vertreter aus  (Bau-, Land-)Wirtschaft, Handwerk, Tourismus ,Naturschutz, Wasser, Forst , Gemeinden etc  fand nicht statt. Die ministeriellen Landesplaner  wissen natürlich , dass es noch viele Defizite im fortgeschriebenen LEP gibt , die dringend zu schliessen sind , wie die ausgesparte grundsätzliche Revision des Systems der zentralen Orte, die Überarbeitung der Regelungen für den großflächigen Einzelhandel sowie ein übergreifendes Gesamtkonzept für die Erzeugung erneuerbarer Energien. Außerdem wurden die Aspekte der Sicherheit und Resilienz und damit raumbezogene Ziele der Katastrophenvorsorge nicht ausreichend konkret in Leitbild und Zielen des LEP verankert. Die Bedeutung dieses Aspektes zeigen gerade in den letzten Jahren und nicht nur im Alpenraum häufigere Hitzewellen, Starkregenereignisse und andere Naturkatastrophen, aber auch die aktuell unmittelbar spürbaren Folgen des verbrecherischen Angriffs auf die Ukraine für Energie- und Nahrungsmittelversorgung. Hierzu wird insbesondere auf die Bedeutung des UN-Sendai-Rahmenwerks für Katastrophenvorsorge 2015-2030 für die bayerische Landesentwicklung verwiesen. Prof. Gebbeken , der Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer Bau und Mitglied der Initiative für ein Besseres LEP , ist ein hoch renommierter Fachmann auf diesem Gebiet .Er sollte noch viel mehr gefragt werden.

Auch sollten – und das ist wirklich  der gemeinsame dringende Wunsch aller Akademien und ihrer renommierten Partner- beim nächsten LEP Anlauf die ministeriellen Landesplaner endlich moderne Formen der aktiven und co produktiven Beteiligung wählen und ihr hierarchisches top down Verwaltungsverfahren verlassen , bei der sich Verbände und interessierte Öffentlichkeit nur schriftlich zu einem komplett ausgearbeiteten Entwurf der Teilfortschreibung äußern konnten. Die Stellungnahmen wurden nicht veröffentlicht, ein weiterführender Diskussionsprozess oder ein ko-kreative Teilhabe unterschiedlicher Akteure war nicht vorgesehen. Eine transformative Landesplanung neuen Typs kann nach Auffassung des Bündnisses nur in einem Gemeinschaftswerk aller gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure gelingen. Dabei geht es um einen „bottom-up“ organisierten, lernenden Planungsprozess in Form von Runden Tischen, Bürgerräten (siehe dazu Kirchanschöring!!!) , Bürgergutachten, regionale Ideenwerkstätten, Zukunftslaboren, Strategiewettbewerben etc. Eine systematische Einbeziehung von Ko-Kreation und Ko-Produktion, wie sie auf der Ebene der Stadtentwicklung und der Ländlichen Entwicklung in Bayern schon längst selbstverständliche Praxis sind, müssen auch in der Landes- und Regionalplanung zum Standard werden!

Wir wissen es doch längst: Eine intensive Beteiligung der Menschen in den Regionen und die Aktivierung ihres kreativen Potenzials sind zusammen mit integrierten und konkreten Raumbildern und Szenarien die Voraussetzung für die gesellschaftliche Akzeptanz der anstehenden räumlichen Transformationsprozesse. Auch sollten konkrete, positive Zukunftsprojekte für jede Region gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden. Zusammen mit dem Wissen und der Expertise von Wissenschaft, Kommunen undZivilgesellschaft, wie sie auch der Landesplanungsbeirat abbildet, sollte ein erster Entwurf des LEP neuen Typs in einem echten Dialogverfahren entstehen. Die Arbeitsweise und Wirksamkeit des Landesplanungsbeirats müssten dazu dringend weiterentwickelt werden!
Viel liegt aber auch an uns selbst!

Ob die vielbeschworene gleichwertige und nachhaltige Entwicklung Bayerns , das nach MP Söder jetzt schon ein Paradies , ja Glücksland ist, nun besser erreicht wird , wie Ressortchef Hubert Aiwanger meint, wird die Zukunft weisen. Aus fachlicher Sicht bestehen jedenfalls erhebliche  Zweifel, ob mit dieser Teilfortschreibung das selbst gestellte Ziel „ zukunftssichere Weichen für die räumliche Entwicklung Bayerns zu stellen und räumliche Nutzungskonflikte zu vermeiden“ befriedigend erreicht werden kann. Viel liegt aber auch an uns selbst! Wir müssen unsere Werte und Denken ändern, was neu deutsch mindshift heisst!

Bericht und Grafik: Prof. Holger Magel

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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