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Prof. Dr. Franz Joseph Freisleder verlässt kbo-Heckscher-Klinikum

Am kbo-Heckscher-Klinikum brechen neue Zeiten an: Prof. Dr. Franz Joseph Freisleder, langjähriger Ärztlicher Direktor der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik, ist im ­­Feb­ruar in den Ruhestand gegangen und hat sein Amt an seine Nachfolgerin Dr. Katharina Bühren übergeben. Im Interview blickt Freisleder, der ein gefragter Experte für Kinder- und Jugendpsychiatrie ist, auf seine Zeit an der Klinik und die Veränderungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zurück.

Sie waren über 35 Jahre am kbo-Heckscher- Klinikum tätig. In der Rückschau: War und ist die ­­Pandemie die herausforderndste Krise?

Prof. Franz Joseph Freisleder In dieser langen Zeit gab es immer wieder schwierige Phasen, die vor allem dadurch bedingt waren, dass unser Haus rund um die Uhr zur Notfallversorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher in Oberbayern verpflichtet ist, und damit gegebenenfalls auch zur stationären Aufnahme. Aber die Flüchtlings­krise 2015 mit den vielen unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen, die oft schwer traumatisiert waren, war für unser Team besonders herausfordernd. Und aktuell beschäftigt uns natürlich die schon zwei Jahre andauernde Corona-­Pandemie. Ihre vielfältigen Belastungen beeinträchtigen nicht nur die psychische Situation von Kindern und Jugendlichen, die wir behandeln. Sie wirken sich auch auf die Befindlichkeit des gesamten Personals aus. Ich bin aber fest überzeugt davon, dass wir auch diese zweite Krise gemeinsam meistern werden.

Wo sehen Sie – abgesehen von Corona – die größten Umbrüche in der Kinder- und Jugend­psychiatrie in den zurückliegenden Jahrzehnten?

Freisleder Die Situation hat sich in den vergangenen 25 Jahren deutlich verändert. Auch früher litten schon viele Kinder und Jugend­liche unter diversen psychischen Störungen. Doch diese waren noch nicht so bekannt, wurden weniger beachtet und galten bei vielen als stigmatisierend. Während noch vor etwa 25 Jahren 75 Prozent der Patienten in unserer Klinikzentrale einbestellt wurden und nur 25 Prozent als Notfälle kamen, hat sich dieses Zahlenverhältnis schon vor mehreren Jahren umgedreht: Über 80 Prozent der Aufnahmen an der Deisen­hofener Straße sind heute Notfälle.

Worauf führen Sie das zurück?

Freisleder Der Bekanntheitsgrad der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit ihren Hilfsangeboten ist sehr stark gestiegen, und ebenso die Inanspruchnahme und ­die Erwartungen der Gesellschaft an sie. ­Früher war die Kinder- und Jugendpsychiatrie noch ein eher randständiges Orchideen­fach, heute spielt sie eine bedeutende Rolle in der Medizin. Auch in der Öffentlich­keit und in den Medien findet sie ein großes Echo.

Mit welchen Folgen?

Freisleder Die erhebliche Zunahme unserer Patientinnen und Patienten im stationären und ambulanten Bereich und der Wunsch nach wohnortnaher Behandlung machten es erforderlich, neue klinische Dependancen, auch mit Spezialangeboten, in Oberbayern zu eröffnen. Mit unseren vorerst zehn Standorten gehören wir heute zu den größten kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken im deutschsprachigen Raum.

Was muss sich Ihrer Einschätzung nach zum Wohl der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in unserem Land ändern?

Freisleder Gerade die Corona-Pandemie hat uns wieder gezeigt, dass wir in sozialen Krisen die emotionalen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen manchmal erst zu spät erkennen und berücksichtigen. Als Kinder- und Jugendpsychiater habe ich immer wieder versucht, neben der klinischen Arbeit bei meinen Ge­sprächs­partnerinnen und -partnern in der Politik oder den Medien das Interesse und das Engagement für psychisch kranke Kinder und Jugendliche zu wecken und den Blick dafür zu schärfen. Es war mir dabei aber immer auch besonders wichtig, dass wir bei Kindern nicht nur auf Symptome und Risiken schauen, sondern genauso auf die Ressourcen und Chancen, über die jedes Kind verfügt.

Wo konnten Sie maßgeblich etwas bewegen?

Freisleder Ein ganz wichtiger Erfolg für mich war, in den 1990er Jahren daran mitzuwirken, dass die alte und viel zu beengte Heckscher-Klinik nach jahrzehntelanger Vorlaufzeit und mehreren gescheiterten Projekten 2003 endlich aus dem Gründungsgebäude in Schwabing in den Neubau nach Obergiesing umziehen konnte. Und natürlich war es schön, dass in meiner Dienstzeit eine Reihe neuer Standorte eröffnet werden konnte: in Rosenheim, Wolfratshausen, Waldkraiburg, ­Ingolstadt, Landsberg, Wasserburg und zuletzt in Haar. Am schönsten aber war und ist es für mich, wenn ich gelegentlich, manchmal ganz unverhofft, einem Menschen ­begegne, den wir behandelt haben, und dann erfahre, dass er oder sie eine frühere psychiatrische Problematik auch dank unserer Hilfe überwunden hat und gut ­zurechtkommt. Dann kommt vielleicht wirklich ein bisschen Stolz auf.

Prof. Dr. med. Franz Joseph Freisleder geboren 1956, ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie und Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Seit 1986 arbeitete er am kbo-Heckscher-Klinikum für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, seit 1997 leitete er als Ärztlicher Direktor diese Einrichtung, die zum Kommunalunternehmen Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo) gehört. Das Klinikum mit seinem Stammhaus in München und neun weiteren Standorten ist eines der größten Zentren für Kinder- und Jugend­psychiatrie in Deutschland und Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-­Maximilians-Universität.

Interview und Foto: Bezirk Oberbayern

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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