Natur & Umwelt

Kiebitz wird in Bruckmühl  wieder heimisch

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Bayerisches Netzwerk-Projekt  2021 erfolgreich– Landkreis und Markt zeichnen Landwirte aus  – Ohne die Hilfe des Menschen wäre der Kiebitz laut Naturschutzbehörde im Landkreis Rosenheim schon ausgestorben. So steht er zwar noch auf der roten Artenliste, aber die ersten Erfolge  des Bayern-Projektes „Netzwerke für den Kiebitz“  sind sicht- und zählbar. 2021 gab es drei Nester auf den Höglinger und Weihenlindener Feldern,  sechs Jungtiere gingen  – bestätigt – daraus hervor. Denn  vom Schlüpfen bis zum Flügge werden lauern zahlreiche Gefahren auf die jungen Vögel.

Der Kiebitz bevorzugt offenes, flaches und feuchtes Dauergrünland, Wiesen, Weiden und Überschwemmungsflächen. Sein Lebensraum – das Feuchtgrünland – ist in Deutschland jedoch selten geworden. Wo Grünland umgebrochen wurde, kann man den brutplatztreuen Kiebitz auch auf Äckern antreffen. Meist brütet er dort aber ohne oder nur mit geringerem Erfolg. Zudem lauern dort auch für den Bodenbrüter Gefahren in Gestalt von Dachs, Fuchs und Marder.  Überdies können Bussarde und Krähen den Tod für den Kiebitz-Nachwuchs bedeuten.

Gleich vier Bruckmühler Landwirte – Georg Auer,  Richard Fössmeier, Georg Pritzl und Georg Baumann  – wurden jetzt vom Landkreis Rosenheim und dem Markt Bruckmühl  ausgezeichnet und haben jeweils einen Bonus in Höhe von 50 Euro erhalten. „Sie haben sich für den Kiebitz besonders eingesetzt. Nester auf  ihren Feldern entdeckt, gemeldet und  sich um das Wohlergehen der gefiederten Gäste gekümmert“, würdigte Bürgermeister Richard Richter. Margit Böhm von der unteren Naturschutzbehörde im Landkreis Rosenheim schilderte dazu, dass  fünf Nester auf einem Areal von  28,46 Hektar markiert worden waren,  Landwirte ihre Bewirtschaftung der Felder entsprechend ausrichten würden und Nester per Zaun vor Beutegreifern geschützt würden. „Diese Zäune sind 30 auf 30 Meter groß, da der Kiebitz eine Lande- und Abflugfläche benötigt und dann die restlichen Meter zum Nest laufen will. Zudem hat der Zaun vier Litzen“, so Böhm. Elf erwachsene Kiebitze sind  – aktuell in der Gemeinde ansässig beziehungsweise haben hier ihre „Zweitwohnung“, da sie in anderen Gefilden überwintern.

Kiebitze können sich Vielem anpassen, brauchen aber ihre eigene Struktur. Neben der „Start- und Landebahn“ zum Fliegen  wird ein weicher Boden zur Aufzucht des Nachwuchses benötigt. Drei Gelege gab es 2021, 16 Küken sind daraus geschlüpft, „überlebt haben sechs Kiebitze“, so Böhm.  Dabei habe „dankeswerter Weise“ beispielsweise Georg Auer Wasser ausgefahren, damit die Kleinen mit den Schnäbeln besser nach Insekten picken können.“

Bei hartem Boden haben sie keine Chance und verhungern, schildert Bruckmühls Kiebitzbetreuerin Katharina Schlegl-Kofler.  Dafür sowie auch für das Ruhen eines Ackers gebe es staatliche Fördergelder. Beispiel: Wasser für Küken werde mit neun Euro  pro Kubikmeter beziehungsweise 25 Euro pro Fahrt bezuschusst.

Die Bruckmühler Landwirte seien hier vorbildlich.  So habe  beispielsweise Richard Fössmeier seine Wintergetreide später angesät, da Jungtiere noch nicht flügge waren. Zusammen mit Naturschutzwächter Dr. Jochen Seydel  ist Schlegl-Kofler auf Anruf zur Stelle, hilft, vermittelt Zaunbauer und steht mit Rat und Tat zur Seite. Denn eines sei den Kiebitzen wichtig: ein guter Überblick, um nahende Feinde rechtzeitig zu sehen. Dann bräuchte es blühende Säume (Böschung/Einfassung), flache Seigen und Feuchtflächen zur Nahrungssuche und Deckung. Dies hatte sich gerade in Weihenlinden mit einer Wiese, die erst später gemäht wurde, „toll ergeben und es war schön zu sehen, wie dieser Schutz von den Küken angenommen wurde“, so Schlegl-Kofler. Auch eine Freie Zone vor Spaziergängern mit und ohne  Hunde sowie Wanderern und Radfahrern sei ein wichtiger Indikator.

Überhaupt komme diese Fürsorge nicht nur dem Kiebitz zu Gute.  Auch die gefährdeten Feldlerchen und Wachteln profitieren von dem Netzwerk-Projekt.  Laut Margit Böhm  dient das Artenschutz-Projekt der Förderung des Kiebitzes in der Agrarlandschaft.  Projektbeginn  war im Landkreis Rosenheim 2009 mit dem Titel „Schutz der Kiebitze im nördlichen Landkreis Rosenheim“. Seit 2019 heißt das Programm  BayernNetzNatur-Projekt „Netzwerke für den Kiebitz“  und erstreckt sich über die  drei Landkreise Altötting, Rosenheim und Traunstein. Dabei hat sich die Region um Wasserburg  aktuell als Kiebitz-Hochburg entwickelt. „Dort gibt es momentan wieder das größte Vorkommen. Doch auch im Mangfalltal wird der Vogel wieder heimisch. Und: Der Kiebitz ist standorttreu. Er kommt wieder dorthin zurück, wo er selbst geboren und aufgezogen worden ist sowie gute Bedingungen vorgefunden hat“, erklärt Böhm.  Dass das Netzwerk den kontinuierlichen richtigen Wege gehe, untermauerte die Behördenmitarbeiterin anhand der stetig steigenden Zahlen seit 2019: von 245 auf 271 ausgewachsene Kiebitze. Dabei müsste aber die ehrenamtliche (Betreuerin und Naturschutzwächter), wie die amtliche (Naturschutzbehörde im Landkreis) und die berufliche (Landwirte) Ebene so gut ineinander greifen und sich unterstützen – wie in Bruckmühl der Fall.

Für das aktuelle Jahr arbeiten die Ehrenamtlichen und das Landratsamt daran, Drohnen mit Wärmebildkamera einzusetzen, um Gelege und Jungvögel zu entdecken. Hier werde  unter anderem mit dem Landesamt für Umwelt  und der Wildtierhilfe Amerang zusammengearbeitet. Zudem  soll der Lebensraum des Kiebitzes kontinuierlich weiter verbessert werden. In den kommenden Jahren ist dazu beispielsweise angedacht, eine Bachaufweitung in Bruckmühl sowie das Prüfen von Grundstücken im Eigentum von Gemeinden, Bezirk Oberbayern, Landkreis, Kirchen, anderen Behörden. „Denn auch Ausgleichsflächen könnte man für Kiebitze und Co.  attraktiv gestalten. Denn eines ist nachweisbar: Kleingewässer für Lebewesen nehmen mehr und mehr ab.

Der Kiebitz

Der Kiebitz stammt aus der Familie der Regenpfeifer, die zur Ordnung der Wat-, Möwen- und Alkenvögel gehört. Der Kiebitz ist etwa taubengroß (28 bis 32 Zentimetern). Durch den Kontrast zwischen schwarzer Oberseite mit grünlich schimmerndem Metallglanz und weißer Unterseite mit schwarzem Brustband sowie eine abstehende Federholle am Hinterkopf ist die Spezies unverkennbar. Die Kopfseite ist weißlich mit schwarzem Streif unter den großen dunklen Augen.
Der auffällige Vogel ruft seinen Namen in verschiedenen Variationen, zum Beispiel kie-wi als Kontaktlaut und chä-chuit, wit-wit-wit-wit sowie chiu-witt während des Fluges.
Insekten und deren Larven bilden die Hauptnahrung des auffälligen Tieres. Regenwürmer, Samen und Früchte von Wiesenpflanzen, sowie Getreidekörner sind weitere Bestandteile in seinem vielseitigen Nahrungsspektrum.

Foto: So sieht ein markiertes Kiebitznest (rote Fähnchen) innerhalb eines Gelegezauns (weiß) aus. Foto: Landratsamt

Foto2:  Bruckmühls Bürgermeister Richard Richter (Zweiter von rechts) und Margit Böhm vom Landratsamt, Abteilung Naturschutz (Fünfte von links) ehrten für ihren Einsatz  rund um den Kiebitz  (von links): Kiebitzbetreuerin Katharina Schlegl-Kofler, die Landwirte Georg Auer,  Franz Kellerer  (stellvertretend für Georg Baumann), Naturschutzwächter Dr. Jochen Seydel,   und Christine Fössmeier für ihren Mann Richard Fössmeier. Georg Pritzl war verhindert. Foto. Mischi

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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