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Kampenwandkreuz Aschau seit 68 Jahren

Im 68. Jahr der Fertigstellung des Chiemgaukreuzes auf dem Ostgipfel der Kampenwand führt die Gemeinde Grabenstätt am Sonntag, 25. August um 10.30 Uhr die Gedenkveranstaltung an der Gedächtniskapelle „Maria, Königin des Friedens“ oberhalb der Steinlingalm durch. Die Veteranenvereine der Region richten die Gedenkmessen auf der Kampenwand Jahr für Jahr zusammen mit einer der Chiemgau – Gemeinden aus. Inzwischen sind diese längst zu einer Tradition geworden. Rund 100 Fahnenabordnungen aus den Landkreisen Rosenheim und Traunstein begehen jedes Jahr diesen Gedenktag.

Am 26. August jährt sich die Einweihung des Kreuzes zum Gedenken an die aus dem Chiemgau stammenden, im Zweiten Weltkrieg gefallenen oder vermissten Soldaten auf dem Ostgipfel der Kampenwand (1684m) zum 68. Male. Von der Idee bis zur Verwirklichung vergingen drei Jahre. 1948 unternahm der Schreiner Franz Schaffner aus Höslwang nach seiner Rückkehr aus jugoslawischer Kriegsgefangenschaft mit seinen beiden Kindern eine Bergtour auf den Ostgipfel der Kampenwand. Dort fanden sie das hölzerne Gipfelkreuz für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges von 1923 zerbrochen zwischen den Felsen, ein Blitzschlag hatte es zerstört. Das brachte sie auf den Gedanken, dass man das unbrauchbar gewordene Kreuz durch ein neues ersetzen sollte. Daheim in Höslwang erzählte Franz Schaffner seinem Nachbarn, dem Schmied Josef Hell von seinem Vorhaben. Beide beschlossen, ein Denkmal für die Gefallenen der Chiemgau-Gemeinden auf dem Gipfel der Kampenwand zu bauen. Der Schmied, sein Sohn Hermann und dessen Stiefbruder Hans dachten spontan an ein Kreuz aus Eisen, als ihnen Franz Schaffner von der Erneuerung des Kampenwandkreuzes erzählte. Dieser Werkstoff erschien ihnen haltbarer, als das witterungsbeständigste Holz. Die ganze Angelegenheit landete schließlich beim Rosenheimer Landrat Georg Knott, der die 56 Gemeinden des Landkreises über die Errichtung eines Gedenkkreuzes in Kenntnis setzte und um finanzielle Unterstützung für die Aktion bat. Den „Kampf mit den Institutionen“, (gegen heute wohl noch ein „Honigschlecken“), führte in erster Linie Landrat Knott.

Wenn schon ein Mahnmal für die in beiden Weltkriegen Gefallenen des Chiemgaues, dann gleich ein „g‘scheids‘, schien die einhellige Meinung der Initiatoren gewesen zu sein. Der Schmied dachte zunächst an ein Kreuz von etwa vier Metern Höhe. Nach kurzer Zeit und mehreren Gesprächen wurde daraus jedoch ein Kreuz in einem Ausmaß, das es bislang auf den bayerischen Bergen noch nicht gab. Allein sein Stamm mit Sockel sollte nach dem Zusammenbau den Gipfelfelsen noch um zwölf Meter überragen! Dazu bedurfte es einer „Statischen Berechnung für die Verankerung des Gedenkkreuzes auf der Kampenwand“, die vom Höslwanger Martin Bichler, der bei der Firma Heilmann und Littmann Bau in München beschäftigt war, erstellt und vorgelegt wurde.

Im Sommer 1949 waren die Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen. An die 2000 Arbeitsstunden sollen Schmiedemeister Josef Hell und seine Helfer für die Herstellung des überdimensionalen Denkmals gebraucht haben! Als Baumaterial verwendeten sie vorwiegend Alteisen. Die Einzelteile wogen zusammen 36 Zentner! Der Mittelbalken allein etwa zwölf Zentner. Nachdem der Grundstücksbesitzer Ludwig Benedikt Baron von Cramer-Klett seine Einwilligung zur Errichtung des Kreuzes auf dem Ostgipfel erteilt hatte, stand dem Beginn der Aktion nichts mehr im Wege.

Beim Gaufest des Chiemgau-Alpenverbandes 1949 in Prien fuhr das riesige Kreuz als besondere Attraktion beim Festzug mit. Anschließend wurde es am Priener Bahnhof auf einen Güterwagen verladen und mit der Eisenbahn nach Niederaschau transportiert. Dort lagerten die Teile am Verladebahnhof, bis sie Paul Kink, der heutige Seniorwirt im Cafe Pauli, mit seinen beiden Mulis nach Hohenaschau hinauffuhr. Vom Verladebahnhof ging es dann den alten Ziehweg hinauf zur Steinlingalm. Heute kaum mehr vorstellbar, dass ein zehn Meter langes Eisenteil mit seinem enormen Gewicht auf diesem schmalen steilen Bergweg mit seinen vielen Windungen befördert werden konnte. So mussten die Mulis teilweise hintereinander gespannt werden. Mit etlichen Begleitern und Muskelkraft gelang es schließlich, das Material bis zur Latschengrenze oberhalb der Steinlingalm zu schleppen. Das größte Problem war es nun, die Eisenteile den steilen Hang hinaufzubringen und die senkrechten Felsen zu überwinden. Mit einer Seilwinde, viel Improvisation und noch mehr Muskelkraft kamen schließlich alle Teile oben an.

Im Sommer 1950 gingen die Arbeiten weiter. Jeder Zentner Zement, jedes Schalungsbrett, Geräte zum Schweißen, Werkzeug, Baumaterial, Wasser – alles musste per Hand und Rücken auf den Gipfel geschafft werden. 416 Zentner Material sollen es insgesamt gewesen sein. Das dauerte Wochen, denn der Einsatz war freiwillig und jeder half dann, wenn er Zeit hatte. So habe er, erzählte der Schaffner Franz, als oben betoniert wurde, an einem Tage 13 mal von der Steinlingalm jeweils einen halben Zentner Zement zum Gipfel geschleppt; der Hell Hermann sei sogar 14 mal gelaufen. Probleme bereitete der Fels, in den es Fundamente und Befestigungen zu graben galt – ohne Schlagbohrer, Kompressor oder andere mechanische Hilfsmittel! Das Fundament und die Löcher für die Verankerung wurden aus dem Gestein herausgemeißelt und der gewichtige Sockel aus Panzerstahl einbetoniert. Das Kreuz musste an Ort und Stelle zusammengeschweißt werden, erst dann konnte es mit vereinten Kräften in die Senkrechte gebracht werden.
Am Sonntag, 24. September 1950 war es so weit. Das Fundament und die Verankerungen waren betoniert, das Kreuz lag bereit zum Aufstellen. Eine Menge Zuschauer waren auf die Kampenwand gestiegen, um vom Plateau der Steinlingalm aus das „Schauspiel“ in allen Einzelheiten zu verfolgen. Auch der Bayerische Rundfunk war dabei und berichtete vom Geschehen. Schlosskaplan Monsignore Dr. Alois Röck zelebrierte eine feierliche Bergmesse. Pünktlich um 12 Uhr mittags begann die gefährliche Arbeit auf dem schmalen Grat des Ostgipfels. Ohne Unfall wurde das Kreuz in die Senkrechte gebracht. Bei der ganzen Aktion „Gipfelkreuz Kampenwand“ passierte kein einziger nennenswerter Unfall, zu dem ein Arzt hinzugezogen worden wäre.

Natürlich musste das Gipfelkreuz dann noch gestrichen werden. Dazu sind bis hinauf zur Spitze Griffe angeschweißt, an denen sich der Arbeiter hinaufhangeln kann. Trotzdem gehört schon eine Menge Mut dazu auf dem schmalen Felsplateau auf ein zwölf Meter hohes Kreuz zu steigen und dort zu arbeiten. Besonders beeindruckend ist bis heute, dass man das Kreuz beleuchten kann und es dadurch nachts an mehreren Feiertagen im Jahr bis weit hinaus in den Chiemgau zu sehen ist. Der Strom für die Beleuchtung wurde anfangs aus einem kleinen Notstromaggregat am Gipfel bezogen, seit 2003 kommt der Strom aus einer Solaranlage. Das Licht ist auch noch in Höslwang zu sehen.

Am Sonntagvormittag, 26. August 1951 war das seit Jahren verfolgte Ziel der beiden Hauptakteure Josef Hell und Franz Schaffner erreicht: Das Mahnmal auf dem Ostgipfel der Kampenwand wurde der Öffentlichkeit „übergeben“. Der Hohenaschauer Schlosskaplan Monsignore Dr. Alois Röck stieg hinauf zum neuen Kreuz und erteilte ihm feierlich den kirchlichen Segen. Danach trug er sich zusammen mit den Erbauern und etlichen Ehrengästen, darunter Landrat Knott in das neue Gipfelbuch ein. Dann feierte er vor der Steinlingalm einen Gottesdienst, zu dem etwa 3000 Besucher aus dem ganzen Chiemgau auf die Kampenwand gewandert waren. Für die vielen, die während der fast drei Jahre Bauzeit irgendwie mitgeholfen hatten, die Idee zu verwirklichen, war es „ihr Kreuz, das dort oben vom Gipfel herunterblickte“. Und der ganze Chiemgau ehrte mit dem weithin sichtbaren Werk all jene, die nicht mehr aus den unseligen Kriegen in ihre Heimat zurückkamen.

Bericht und Fotos: Heinrich Rehberg

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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