Natur & Umwelt

Insel Schalch: kaum bekannte vierte Chiemsee-Insel

Veröffentlicht von Günther Freund

Auf Spurensuche auf der Fraueninsel.

                    Schalch in der amtlichen Topographischen Karte des LDBV

 

Neben der Herreninsel, der Fraueninsel und der Krautinsel gibt es im Chiemsee noch eine vierte Insel, die kaum jemand kennt: die Insel Schalch. Die Insel ist unbewohnt, absolut ruhig und sogar bewaldet – wenn auch nur mit 1 Baum, einer Trauerweide.

Der erste Anschein, bei der Insel scheine es sich um eine total langweilige Insel zu handeln täuscht.  Denn interessiert man sich näher dafür und erkundigt man sich bei den Bewohnern, den „ Insulanern“, erfährt man neben plausiblen Fakten auch so manche erstaunliche Dinge, die auf der Insel gemunkelt werden.

So sei König Ludwig II auf  Schalch einst leidenschaftlich geküsst worden und zwar von der Kaiserin Sissi. Dabei hat die sogenannte Viererbande, d.h. Ludwigs spätere Mörder, (Bernhard von Gudden, Maximilian Graf Holnstein, Johannes von Lutz und der spätere Prinzregent Luitpold) von der Fraueninsel aus zugeschaut. Die Herren  wollten auch Farb-Fotos schießen, aber das gelang nicht, weil die Farb-Fotographie noch nicht erfunden war. Auch habe es sogar schon Schiessereien auf der Insel gegeben, zwischen wem ist nicht ganz klar. Vielleicht von konkurrierenden Clans, die die Insel in Besitz nehmen wollten? Diverse Mafioso sollen ja im Chiemgau ihr Unwesen treiben.

Wenn man am Chiemsee jemanden nach der Insel Schalch fragt, bekommt man meist die Antwort: kenne ich nicht. Fragt man nach der Insel Sahara, kriegt man schon eher eine positive Antwort. Chiemsee-Kenner wissen von ihr und kennen dieses Kleinod unter dem Namen „Sahara“. In der amtlichen Topographischen Karte des Landesamts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV) ist sie aber unter „Schalch“ eingetragen. Woher der Name „Schalch“ kommt, ist allerdings unklar.

Es gibt verschiedene Theorien, am plausibelsten ist diese: Das Bayerische Flurnamenbuch (Chiemsee) von 1992 meint, dass die Insel als abgespaltener Teil der Fraueninsel aufgefasst werden könnte, denn nach dem „Bayerischen Wörterbuch“ von 1850 des Johann Andreas Schmeller ist “Schalch” wahrscheinlich das bayerische Wort für Schalk und steht für  “in Schalken (Scheite) hauen”. Der Herausgeber des Flurnamenbuchs Dr. Michael Henker konnte aber auf Anfrage trotz intensiver Quellensuche keine präzisierenden Belege zum Hintergrund der Benennung finden.

Zu der Theorie, dass die Insel Schalch nach dem Ortsteil Schalchen benannt wurde, gibt es keine Belege und Nachfragen am Schalchenhof waren ergebnislos.  Der Ortsteil Schalchen kommt zwar auch von “Schalk”,  Schalk aber in der mittelhochdeutschen Bedeutung von Knecht, Sklave.

Der unter den Einheimischen, den „Insulanern“,  gebräuchliche Name „Sahara“  ist ebenfalls im Flurnamenbuch erwähnt und zwar mit folgender Geschichte: Die Insel war ursprünglich wüst und leer. Etwa 1935 wurde sie mit einem Baum bepflanzt, um sie als seichte Stelle für Segler zu markieren. Und damit jeder später weiß, wie sie früher ausgeschaut hat, vergab man ihr den Namen Sahara. Wer den Namen vergab, sei im Dunkel der Geschichte verloren gegangen.

Aber ist das wirklich so? Wenn es schon für den Namensgeber „Schalch“ keine präzisen Belege gibt, so müsste es doch herauszufinden sein, wer den Namen Sahara vergab und das natürlich auf der Fraueninsel. Aber im Zuge unserer Spurensuche zur Insel Schalch waren wir auf der Fraueninsel zunächst wenig erfolgreich. Auch von den befragten „Insulanern“, erfuhren wir vorerst nichts, erst Inselbräu-Wirt Daniel Hagen wusste wenigsten von einem, der was wusste. Er schickte uns zu seinem Nachbarn Fritz Stephan. Der Vater von Fritz sei nämlich der Erbauer und Namensgeber der Insel gewesen.

Wir klingelten im Nachbarhaus vom Inselbräu, dem Haus der Insulaner-Familie Stephan auf einem wunderschönen Grundstück, das direkt bis an den Chiemsee geht und nur durch den Spazierweg, der rund um die Fraueninsel führt,  durchschnitten wird.

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                            Das 400 Jahre alte Haus der Familie Stephan

 

Hertha und Fritz Stephan nahmen uns sehr freundlich auf, baten uns ins Wohnzimmer ihres 400 Jahre alten phantastisch gelegenen Hauses. Wir bewunderten die stilvolle Einrichtung mit zahlreichen Gemälden vom Chiemsee bis zum König Ludwig und die tolle Aussicht auf den See, hinüber zum Alten Schloss auf der Herreninsel, nach Gstadt oder auf den Inseldom.

Die beiden gaben uns bereitwillig Auskunft, hier waren wir endlich an der richtigen Stelle..

 

 

                    Das Ehepaar Hertha und Fritz Stephan in jungen Jahren

                                                                                                

Es stellte sich heraus, dass Fritz Stephan (Jg 1931), der Sohn von Lorenz Stephan ist, dem Erbauer und tatsächlichen Saharanamensgeber der Insel.

 

                                             Fritz Stephan als Segler

 

Fritz Stephan ist wohl der letzte Zeitzeuge der Errichtung der Insel Schalch, da war er im fortgeschrittenen Alter von 4 Jahren.

Er erzählt, sein Vater Lorenz Stephan, sei der Erbauer und Namensgeber der Insel gewesen. Er war der “Seespediteur”, der den Lastverkehr zur Fraueninsel betrieb und hatte 1935 die Insel frisch aufgeschüttet und das Ufer mit gemauerten Steinreihen befestigt, um eine größere Untiefe zu markieren.

Fritz Stephan allein im Boot, Lorenz Stephan mit 2 Touristen im Boot, dahinter                                                Sahara noch baumlos

 Und da gleichzeitig die Zurückgliederung des Saarlands ins Deutsche Reich gelungen war,  war er so begeistert, dass er die von ihm errichtete neue Insel „Sahara“ getauft hat, was wie Saarland klingt.

    Seespediteur Lorenz Stephan, Inselerbauer und Sahara-Namensgeber

 

Später ist dann, um die Insel besser sichtbar zu machen, der Inselbaum gepflanzt worden, der aber bei einem Unwetter im Spätsommer 2000 geknickt wurde und abgeholzt werden musste. Die heutige Weide wurde am 29.März 2001 von Bayerischen Umweltminister Schnappauf gepflanzt. Wie der Name Schalch in die Karten kam, können sich die Stephans nicht erklären.

 

                                                               Schalch

Dass die damalige Chiemsee-Künstlergemeinde den Namen Sahara auf einem großen Fest erfunden hätte, wie Wikipedia behauptet, ist nur ein Gerücht. Von einer solchen “Künstlergemeinschaft”, die diesen Namen erfunden habe, wissen die Stephans nichts.

Und sonst? Anders als die anderen Chiemseeinseln, einschließlich der nahe gelegenen Fraueninsel, gehört der Schalch nicht zur Gemeinde Chiemsee (Landkreis Rosenheim), sondern wie der See zum gemeindefreien Gebiet Chiemsee (Landkreis Traunstein). Eigentümer ist daher der Freistaat Bayern.

Katastertechnisch gibt es die Insel Schalch nicht. Sie steht in keinem amtlichen Verzeichnis, nicht im Liegenschaftskataster, nicht im Grundakt. Amtlich ist sie daher “nicht existent”. Dabei wird die Insel alljährlich von Tausenden Besuchern in Augenschein genommen, bewundert, als Ort für das nächste Geheim-Treffen beplant, nach seinem Kaufwert abgeschätzt u.s.w. Jedenfalls ist die Insel Schalch für uns nicht nicht, sondern sehr wohl total voll existent.

Übrigens:   Kann jemand aus der geneigten Leserschaft zur Namensgebung der Insel etwas erklärend beitragen?  Falls ja, bitte per mail an anton-hoetzelsperger@t-online.de senden. Vielen Dank.

Text und Fotos: Günther Freund und Christoph Haenel

 

 

Redaktion

Günther Freund

1944 in Bad Reichenhall geboren, Abitur in Bad Reichenhall, nach dem Studium der Geodäsie in München 3 Jahre Referendarzeit in der Vermessungs- und Flurbereinigungsverwaltung mit Staatsexamen, 12 Jahre Amtsleiterstellverteter am Vermessungsamt Freyung, 3 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Zwiesel und 23 Jahre Amtsleiter am Vermessungsamt Freyung (nach Verwaltungsreform mit Vermessungsamt Zwiesel als Aussenstelle). Seit 2009 im Ruhestand, seitdem in Prien am Chiemsee wohnhaft.

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