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Die „Bauernbefreiung“ – ein Blick in das Riederinger Heimatbuch

Als die Gemeinde Riedering im Jahr 1988 ihr 1.200-jähriges Bestehen feiern konnte, nahm der zweite Bürgermeister Karl Detterbeck die Herausgabe eines Heimatbuches in Angriff. Auf stolze 800 Seiten wuchs das Werk an, das der ehemalige Rektor mit tatkräftiger Unterstützung vom damaligen Landtagsabgeordneten Konrad Breitrainer vollendete. Der damalige Bürgermeister Rupert Vodermaier schrieb dazu in seinem Geleitwort u.a.: „So entstand ein Nachschlagewerk, das die historische Entwicklung unserer Gemeinde von der Vor- und Frühzeit bis in die Gegenwart aufzeigt.“ Leider ist das Heimatbuch inzwischen vergriffen, ein Blick in dieses gilt mit diesem Beitrag der Entwicklung der Landwirtschaft und des Bauernstandes.

Konrad Breitrainer (88), der die bäuerlichen Kapitel verfasste, erinnert mit seinen Recherchen auf den Bestand und Übergang der bäuerlichen Anwesen von den Grundherrn auf die Bauern in den bis 1972 selbstständigen Gemeinden Riedering, Neukirchen, Pietzing und Söllhuben.  Eine besondere Bedeutung hatte das Jahr 1803 mit der Säkularisierung, dazu heißt es im Heimatbuch: „Das altbayerische Herzogtum (1180–1623) und spätere Kurfürstentum (1623–1806)  der Wittelsbacher war zwar ein verhältnismäßig geschlossener Territorialstaat, in der der jeweilige Landesherr die politische Macht ausübte, doch waren Grund und Boden  zum größten Teil  an die drei Stände der Landschaft, an die Prälaten, den Adel und an die Städte, sowie freie Märkte in Form von Hofmarken übergeben. Was also die niedere Gerichtsbarkeit betraf, beherrschten diese drei Landstände den Großteil der Untertanen. Vor der Säkularisierung und Mediatisierung (1803) besaßen die Prälaten etwa 50 Prozent vom gesamten bayerischen Grund und Boden, der Adel rund 25 Prozent, die Städte und Märkte ganze 15 Prozent und der Landesherr um 10 Prozent“.

„Der Ablösekataster: neu und eine Heidenarbeit!“

Bis 1805 gab es in Riedering (und auch in ganz Bayern) nur ganz wenige Bauern mit eigenem Grundbesitz, fast aller Grund gehörte Kirchen, Klöstern und Adeligen. Alsdann förderte ein Regierungsbeschluss die weitere „Bauernbefreiung“. Waren bislang die Pachtzahlungen in Form von Hand- und Spanndiensten sowie in Naturalien zu leisten, konnten sich nunmehr die Bauern „loskaufen“. Dabei musste viel Geld gezahlt werden, in der Regel war es das 20-fache der bisherigen jährlichen Pacht. Für Konrad Breitrainer war diese Zäsur im Leben, Arbeiten und Besitzen der Bauern der Anlass, ein Ablösekataster anzufertigen: „Das war eine Heidenarbeit, denn es gab noch keine Erfassungen. Letztlich aber war der Kataster die Grundlage der Höfegeschichten für das Riederinger Heimatbuch.“

Ein weiteres wichtiges Jahr für die „Bauernbefreiung“ war das Jahr 1848. „Am 4. Juni 1848 leitete König Maximilian II. eine bahnbrechende Reformgesetzgebung ein. Das Gesetz über die Aufhebung der standes- und gutsherrlichen Gerichtsbarkeit und über die Aufhebung, Fixierung und Ablösung von Grundlasten leitete die nächste Periode der Bauernbefreiung ein.“ Prinzregent Luitpold verfügte am 7. Februar 1898 durch Gesetz, dass vom 1. Januar an alle auf die Staatskasse übernommenen Bodenzinse um den achten Teil der Jahresleistung ermäßigt werden, um so die völlige Ablösung zu erleichtern. Im Jahr 1919 beschließt der Bayerische Landtag, dass ab sofort keine Bodenzinse mehr erhoben werden. Damit war jeder Bauer freieigen, auch wenn er bis dahin Bodenzinse zu entrichten hatte. So umspannt die Geschichte der Freiwerdung der Bauern einen Bogen um das Jahr 1779 (Generalmandat von Kurfürst Karl Theodor zur Grundablösung) bis 1919, eine Geschichte, die zu wenig gewürdigt und zu sehr vernachlässigt wurde. Dieselben Gesetze und Verordnungen gelten auch – so Konrad Breitrainer weiter – für die Bauernbefreiung im ganzen Landgereicht Rosenheim und darüber hinaus in ganz Bayern. Die Bemühungen der Kurfürsten und Könige Bayerns, einen freien, leistungsfähigen und freieigenen Bauern zu schaffen, sind ein leuchtender Stern am Himmel des 19. Jahrhunderts.

Konrad Breitrainer hat im Rahmen der Heimatbuch-Erstellung insgesamt 265 Bauernhöfe aus den vormaligen Gemeinden Neukirchen, Pietzing, Riedering und Söllhuben von der erstmaligen Erwähnung im Mittelalter bis zum Freikauf recherchiert und zahllose Kataster-Eintragungen in den Archiven ausgewertet. Sein Kommentar im Nachhinein: „Das war eine Heidenarbeit!“.

Text und Foto Titelbuch: Hötzelsperger

Repros: Martina Bühler-Karsubke / Gemeinde Riedering

Beitrag entstand in Kooperation mit dem Wendelstein Anzeiger – www.wendelstein-anzeiger.de

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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