Leitartikel

Bürgermeister von Neubeuern: seit 3 Jahren im Amt – Interview

Veröffentlicht von Anton Hötzelsperger

Christoph Schneider ist seit drei Jahren Erster Bürgermeister der Gemeinde Neubeuern am Inn im Landkreis Rosenheim. Wie es dem jungen Ersten Bürger der Gemeinde (31) ergangen ist und was er für seine Gemeinde noch vorhat, das konnten die Samerberger Nachrichten (SN) ihn im Neubeurer Rathaus fragen.

SN:Herr Schneider, in diesem Monat haben Sie Ihr „Dreijähriges“ als Neubeurer Bürgermeister gefeiert. Seit Dezember 2019 führen Sie die Geschäfte im Rathaus, wie ist es Ihnen in der ersten Hälfte Ihrer Amtszeit gegangen?“

Schneider: „Erstmal muss ich feststellen, dass die letzten drei Jahre wirklich schnell vergangen sind. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die ersten drei Jahre unglaublich arbeitsreich waren und dann auch noch Einflüsse wie die Corona-Krise oder der Ukraine-Krieg unsere tägliche Arbeit massiv beeinflusst und auf den Kopf gestellt haben. Man war schon permanent sehr gefordert. Insgesamt blicke ich aber zufrieden auf die letzten drei Jahre zurück: Die Arbeit im Gemeinderat gestaltet sich als sehr konstruktiv und zielgerichtet, viele Projekte konnten bereits umgesetzt werden beziehungsweise sind etliche Angelegenheiten in finaler Abstimmung und sollen in dieser Amtszeit auch noch begonnen werden.

SN:Sie haben es angesprochen, in Neubeuern sind einige Projekte angelaufen, welche sind das?“

Schneider: Ein Großprojekt, welches nun endgültig auf der Zielgerade ist, ist die Erneuerung der Kläranlage. Wir haben hier bereits über 95% der notwendigen Aufträge vergeben und hoffen, dass wir im Frühjahr 2023 in Betrieb gehen können. Insgesamt hat die Gemeinde hier über 7 Millionen Euro investiert und damit die Abwasserbeseitigung für die nächsten 20 Jahre wieder zukunftsfähig gemacht. Neben der Kläranlage sind aber auch vor allem im Bereich der Schulen viele Dinge passiert: Erst die Brandschutzertüchtigung, dann die Ausstattung der gesamten HOHENAU-Schule mit Glasfaseranbindung und E-Screens für einen modernen Unterricht und zuletzt die Neugestaltung der Außenanlagen. Ferner haben wir in der Zwergerlburg eine 5. Kindergartengruppe geschaffen, ein Trauzimmer am Markplatz gestaltet, welches hervorragend angenommen wird, die Straßenbeleuchtung in LED umgerüstet, Feuerwehrfahrzeuge beschafft und auch unseren Teil dazu beigetragen, dass im Mutzenweg fünf genossenschaftliche Wohnungen beziehungsweise in der Rauwöhrstraße 30 sogenannte Ü60-Wohnungen entstehen können.

SN: „Das ist für drei Jahre eine ganze Menge, welche Projekte stehen denn noch bevor?“

Schneider: Drei bis vier Projekte müssen wir meiner Meinung nach in den nächsten drei Jahren noch unbedingt schaffen, um die Gemeinde auf Stand zu bringen und eine gute Ausgangsbasis für das nächste Jahrzehnt zu schaffen: Da ist – wie soll es heute anders sein – erstmal die Energieversorgung in der Gemeinde ein Thema: Wir haben hier mit dem Büro Gammel Engineering aus Abensberg eine Studie überarbeitet und angepasst, die bereits 10 Jahre alt ist. Der Marktgemeinderat möchte ein Biomasseheizkraftwerk errichten, welches die kommunalen Liegenschaften rund um die HOHENAU-Schule versorgt. Die Machbarkeitsstudie ist weitestgehend abgeschlossen, aktuell wird noch die Integration des Schlosses geprüft, ehe wir dann in Genehmigungsverfahren und Ausschreibung gehen wollen.

Dringenden Handlungsbedarf sehe ich bei unserem Wasserwerk, welches räumlich miserabel aufgestellt ist und dringend eine Fahrzeughalle benötigt. Hier haben wir Bauleitplanungsverfahren Vorarbeiten geleistet.

Und dann steht natürlich noch eine mit dem Rathaus sehr zentrale Angelegenheit an, die ja auch medial schon ziemlich diskutiert wurde.

SN:Rathausbau – ein heißes Eisen, wie man aus anderen Gemeinden weiß. Wie ist hier der aktuelle Stand?“

Schneider: Wir haben uns im Gemeinderat bewusst dazu entschieden die Themenstellung breit in der Öffentlichkeit zu diskutieren und auch einen Bürgerrat gebildet, um die Angelegenheit mit Bürgerinnen und Bürgern intensiv zu diskutieren und deren Meinungen zum Thema anzuhören und in der Planung zu berücksichtigen. Der Prozess war in meinen Augen äußerst wichtig, um die Akzeptanz für das Projekt zu erhöhen. Ich denke, dass alle, die sich beteiligt haben, deutlich gesehen haben, dass der Rathausbau kein Prestigeobjekt von irgendjemandem ist, sondern ein unausweichliches Vorhaben für eine funktionsfähige Gemeinde.

SN: „Welche Ideen hatten die Bürger?“

Schneider: Der Bürgerrat, der ja doch aus 40 zufällig ausgewählten Leuten bestand, hat den Rathausbau als dringliches Projekt eingestuft. Die Situation im aktuellen Rathaus ist für die Angestellten äußerst schlecht, die Arbeitsplätze räumlich zum Teil eine Katastrophe. Der Bürgerrat kann sich gut vorstellen ein Rathausneubau neben der Feuerwehr an der Samerstraße zu vollziehen. Ein Multifunktionsraum im Erdgeschoss, der als Treffpunkt für Jung und Alt dient und das Rathaus lebendig macht, war eine Idee, die mir persönlich gut gefallen hat. Wir werden uns nun in einer Klausurtagung nochmal alles im Detail anschauen und dann eine Grundsatzentscheidung im Gemeinderat treffen, ehe wir in einen Architektenwettbewerb gehen. Baustart ist dann hoffentlich 2024.

SN: „Rathausbau, Wärmeversorgung, sonstige Infrastrukturprojekte – provokativ gefragt, wie kann sich das eine kleine Gemeinde alles leisten?“

Schneider: Dass diese Projekte nicht leicht im Vorbeigehen umzusetzen und vor allem auch zu bezahlen sind, ist völlig klar. Das fordert uns nicht nur finanziell, sondern mit einer kleineren Verwaltung natürlich auch personell. Letztlich sind die Gemeindefinanzen aber deutlich besser, als wir noch zu Beginn der Pandemie gedacht haben. Wir haben derzeit ein Plus in der Gewerbesteuer von über einer Million Euro. Dazu generieren wir in den nächsten Jahren über ein Kiesabbauprojekt nochmals einen siebenstelligen Betrag. Sollten wir noch zwei gute Jahre bei der Gewerbesteuer haben, bin ich optimistisch, dass wir die Wesentlichen Projekte reißen können. Dass die derzeit unterdurchschnittliche Verschuldung dann mal temporär ansteigen wird, ist in meinen Augen kein Frevel, solang man die Schulden dann bedienen kann. Man schafft ja auch einen Gegenwert. Auf der anderen Seite muss man aber auch die Frage stellen, was die Alternative zum Nichtinvestieren ist. Viele Investitionen können einfach nicht mehr geschoben werden und sind gerade deshalb auch teurer geworden.

SN: „Neubeuern hat sich vor allem immer durch eine tolle Vereinsarbeit ausgezeichnet, auch im kulturellen Bereich war im „Kulturdorf“ immer was los. Hat die Pandemie da etwas verändert?“

Schneider: Gott sei Dank und da darf ich mich bei allen unseren ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern bedanken, hat die Pandemie in unserem Vereinsleben wenig Schaden angerichtet. Bei den letzten Veranstaltungen im Dorf hat man gesehen, dass die meisten Vereine unglaublich stark aus dieser Zeit rausgekommen sind. Ob Tennis- oder Fußballnachwuchs, der Künstlerkreis, die Schiffleute, Musikkapelle, Gebirgsschützen oder auch die Trachtenvereine – der Veranstaltungskalender ist voll wie eh und je. Keine Institution hat mir da von irgendwelchen Problemen berichtet.

SN: „Vor allem der Trachtenverein Altenbeuern kam stark aus der Pandemie und wird 2024 das Gaufest ausrichten.“

Schneider: Ein wirklich toller Verein mit einer sehr guten Vorstandschaft und einem tollen Verbund, gerade auch die jungen Leute engagieren sich sehr und werden in die Verantwortung genommen. Im Jahr 2022 waren meines Wissens nach über 80 Kinder und Jugendliche aktiv. Da ist das Gaufest eine schöne Belohnung für den Verein und natürlich für unsere Gemeinde auch wieder eine tolle Möglichkeit sich zu zeigen.

SN: Zurück zur Arbeit: Gibt es etwas, was in den ersten drei Jahren gar nicht gelungen ist oder was Sie im Alltag sehr beschäftigt und fordert?“

Schneider: So richtig schief gelaufen ist glaube ich bisher noch nichts, auch wenn man die ein oder andere Situation mit dem Wissen von heute sicher anders angegangen wäre.

Was mich für unsere Zukunft sehr beschäftigt ist der Fachkräftemangel gepaart mit der aktuell vorherrschenden Erwartungshaltung vieler Menschen. Die Standards werden in allen Bereichen angehoben, der Bürger erwartet immer mehr Dienstleistungen auch aus dem Rathaus heraus, auf der anderen Seite ist der Kampf um die Fachkräfte auch im öffentlichen Dienst mittlerweile brutal ausgeprägt. Es ist nicht mehr leicht Verwaltungsangestellte, Kindergärtnerinnen, Personal für Bauhof oder die Kläranlage zu finden. Auch hier ist man als Kommune gefordert frühmöglich die Weichen zu stellen und vor allem auch zu antizipieren, in welchen Bereichen man sich für die Zukunft besser aufstellen muss.

SN: „In Sachen Personal spielt in Neubeuern auch der interkommunale Ansatz, der ja nicht immer unbedingt beliebt ist, aktuell eine große Rolle, welche Ansätze pflegen Sie hier?“

Schneider: Erstmal bin ich froh darüber, dass wir uns im Kollegenkreis sehr gut verstehen und man sich im permanenten Austausch mit Bürgermeistern befindet und sich gegenseitig hilft. Dass wir vor allem mit unseren Nachbargemeinden ein gutes Verhältnis pflegen ist für uns ein Vorteil. Gemeinsam mit der Kollegin Grandauer (Nussdorf) und dem Kollegen Huber (Samerberg) sind wir permanent im Austausch und haben schon Kooperationen beschlossen, etwa im gemeinsamen Standesamtsbezirk der drei Gemeinden oder mit unserer Fachkraft für Asylangelegenheiten, die wir uns mit der Gemeinde Samerberg teilen. Ich bin absolut überzeugt davon, dass vernünftige Kooperationen zwischen den Verwaltungen auf lange Sicht die Eigenständigkeit der Gemeinden absichern und nicht gefährden, wie ja immer wieder befürchtet wird.

Fotos: Rainer Nitzsche

  1. Porträt Bgm. Christoph Schneider
  2. Christoph Schneider bei Grußworten auf dem Marktplatz
  3. Christoph Schneider bei einer Mitarbeiter-Zusammenkunft

 

Redaktion

Anton Hötzelsperger

Als freier Journalist bin ich bereits seit vielen Jahren mit der täglichen Pressearbeit für die Region Chiemsee, Samerberg und Oberbayern befasst. Mit den Samerberger Nachrichten möchte ich eine Plattform bieten für Beiträge aus den Bereichen Brauchtum, Landwirtschaft, Tourismus und Kirche, die sonst vielleicht in den Medien keinen breiten Raum bekommen würden.

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